In Deutschland sind einst friedensbewegte Kreise entsetzt: In den USA und der Slowakei sollen Militärhilfen beendet werden. Was wäre eine wirklich internationalistische Position?

Ukraine-Krieg: Ist die Verweigerung von Waffenlieferungen rechts?

Diese nationalistische Positionierung zeigt sich auch im Umgang mit Migranten aus der Ukraine. Viele Unterstützer von Geflüchteten betonen, dass der Umgang mit den Migranten aus de Ukraine zeigt, wie eine an Menschenrechten orientierte Flüchtlingspolitik aussehen könnte. Sie haben vordergründig Recht. Aber tatsächlich geht es beim Umgang mit den Ukrainern um Unterstützung eines befreundeten Staates und nicht um Flüchtlingspolitik. Das zeigt sich daran, dass ausgerechnet die Ukrainer, die am dringendsten Asyl brauchen, Kriegs- und Militärgegner, die wenigste Unterstützung bekommen.

Zwei außenpolitische Ereignisse der letzten Tage haben einen Großteil der deutschen Medien in Aufregung versetzt. In der Slowakei ist die Partei des sozialdemokratischen Politikers Robert Fico gestärkt worden. Die Präsidentin hat ihn nun mit der Regierungsbildung beauftragt. Innenpolitisch verspricht Fico einen etwas sozialeren Kapitalismus, außenpolitisch will er die Waffenlieferungen an die Ukraine kappen. Während noch lange nicht klar ist, ob das Wahlversprechen Bestand haben wird, wenn Fico eine Koalitionsregierung bilden kann, wird ihm jetzt schon vorgeworfen, ein Putin-Freund zu sein und die Ukraine im Stich lassen zu wollen. Das wird auch den Republikanern in den USA vorgeworfen, die dafür verantwortlich sind, dass zur Abwehr eines finanziellen Shutdowns ein Nothaushalt beschlossen worden ist, in der keine Militärhilfen für die Ukraine enthalten sind. Für den außenpolitischen Redakteur der taz, Dominic Johnson, handelt es sich dabei um …

… einen „Dammbruch der Rechten“. Ein Absatz in Johnsons Artikel trägt die Überschrift „Rechtsextreme Rhetorik wird salonfähig“.

Hier wird suggeriert, dass nur Rechte und gar Rechtsextreme ein Interesse daran haben, dass einmal die Militärhilfe für die Ukraine stockt. Dabei wird unterschlagen, dass neben Antimilitaristen und Pazifisten auch anfängliche Befürworter der Waffenhilfe aus dem bürgerlich-demokratischen Spektrum das Geschehen inzwischen als blutigen Abnutzungskrieg bewerten, der durch Verhandlungen beendet werden muss.

Wie Waffengegner pauschal in die rechte Ecke gestellt werden

Wie schnell jegliche Kritik an den Waffenlieferungen an die Ukraine in die rechte Ecke gestellt werden, zeigte sich vor wenigen Tagen ebenfalls in der taz. Dort berichtete Bernd Pickert über eine Kampagne von Amnesty International zur Einschränkung des Demonstrations- und Versammlungsrechts in aller Welt und auch in Deutschland. In dem Artikel schreibt er:

Den Kern der Kampagne aber, dass das Recht auf friedlichen Protest grundsätzlich schützenswert ist, trifft Amnesty so nur halb. Auch die Demonstrationen der selbst ernannten Lebensschütz:innen oder der Schwurbeltrupps und Putin-Freund:innen gegen Coronamaßnahmen und Waffenlieferungen, selbst die menschenverachtenden Pegida-Veranstaltungen müssen ausgehalten werden – obwohl sie zum Fortschritt nichts beizutragen haben und nun wahrlich nicht „den Mächtigen die Wahrheit entgegenstellen.
Bernd Pickert, taz

Nun soll nicht bestritten werden, dass auf vielen rechten oder rechtsoffenen Versammlungen mittlerweile Friedenstauben getragen werden und gegen Waffenlieferungen in die Ukraine agiert wird. Es ist aber etwas anderes, wenn Pickert ohne jede Differenzierung von „Schwurbeltrupps und Putin-Freund:innen gegen Coronamaßnahmen und Waffenlieferungen“ spricht und das noch in einer Zeitung, die sich einmal als Stimme der deutschen Friedensbewegung verstand.

Von „Nie wieder Krieg“ zu „Nie wieder Krieg ohne uns“

Diese taz-Redakteure haben die Entwicklung großer Teile der Grünen mitvollzogen, von „Nie wieder Krieg“ zu „Nie wieder Krieg ohne uns“. Das ist auch die Position eines wieder erstarkten Deutschland, das Pazifismus nur so lange propagierte, wie es selber noch nicht stark genug war.

Es ist kein Zufall, dass es schon in Jugoslawien die alten Verbündeten und ihre Nachfolger waren, die schon in den 1940er-Jahren mit dem NS-Deutschland kooperierten. Auch in der Ukraine ist es die deutschfreundliche nationalistische Bewegung, die bedingungslos unterstützt wird. Dass es dabei nicht um das Leben der Ukraine geht, zeigt sich schon daran, dass oft kein Unterschied mehr zwischen der Hilfe für die Ukraine und der Militärhilfe gemacht wird.

Damit ist man auf der Linie jener Ultranationalisten in Odessa, die dagegen protestieren, dass im Krieg Gelder für die Anlegung eines Parks, für Weihnachtsbäume oder andere nichtmiltiärische Zwecke ausgegeben werden. Die taz beschreibt diesen Protest in Odessa so:

Alles begann mit einer einsamen Mahnwache auf dem zentralen Platz von Odessa. Kateryna Noschewnikowa, heutige Sprecherin der Demonstrationen, stand vor dem Rathaus und hob ein Plakat mit der Aufschrift „Die Streitkräfte der Ukraine – an erster Stelle“ hoch. „Wir zahlen Steuern, und wir verlangen, dass diese Steuern dort ausgegeben werden, wo sie wirklich notwendig sind“, sagt sie. „Die Weihnachtsbäume, die wir heute pflanzen, werden einem Soldaten an der Front nicht helfen, wenn ihm die Gliedmaßen abgerissen wurden.“
Tatjana Milimko, taz

Warum unterstützen Linke in Deutschland die Position von Ultranationalisten?

Es ist schon frappierend, wenn nicht nur große Teile der Politik in Deutschland, sondern auch große Teile der außerparlamentarischen Linken nicht über die Propaganda ukrainischer Ultranationalisten hinausgeht, die noch dafür demonstrieren, den letzten Groschen für das Militär auszugeben. Einen solchen Ultranationalismus gibt es in allen Kriegssituationen auf allen Seiten. Nur ist es das Geschäft der politischen Rechten, diese Stimmungen hochzuschaukeln und auszunutzen.

Linke hingegen zeichnen sich in der Regel dadurch aus, dass sie genau gegen diese Politik aufstehen und fordern, die Gelder für soziale Zwecke, für höhere Löhne etc. statt für immer mehr Krieg und Rüstung auszugeben. Solche Diskussionen werden heute in der außerparlamentarischen Linken in der libertär-gewaltfreien Zeitschrift Graswurzelrevolution und der linken Monatszeitung Analyse und Kritik geführt.

Die Graswurzelrevolution gibt linken Bellizistinnen und Bellizisten keinen Raum, was gut verständlich ist, weil gerade die viele andere Möglichkeiten haben, ihre Positionen zu verbreiten. Bei Analyse und Kritik hingegen gibt es einen Diskurs zwischen linken Bellizisten und Antimilitaristen.

Dort formuliert die AG Internationalismus der Interventionistischen Linken Positionen, die eigentlich zum linken Grundverständnis gehören müssten:

Dass ein Waffenstillstand und das Einfrieren des Konflikts nicht gleichbedeutend mit Frieden sind, ist uns klar. Aber es wäre ein wichtiger Schritt, der das große Sterben beenden würde. Vielleicht würde er nicht lange halten, wie die Kritiker*innen des Vorschlags behaupten. Wir wissen es nicht. Aber wenn nur die begründete Möglichkeit besteht, dass das Sterben beendet wird, müssen wir es versuchen.
AG Internationalismus der Interventionistischen Linken

Dass mit Udo Wolter, ein ehemals scharfer Kritiker der deutschen Verhältnisse, diesen linken Minimalkonsens in der Jungle World als „empathiebefreiten Paternalismus gegenüber ukrainischen Linken, die gegen Russlands Invasion kämpfen“ bezeichnet, zeigt nur, wie stark die Positionen des deutsch-ukrainischen Nationalismus gerade in den Kreisen Anklang gefunden haben, die einstmals davor warnten, dass in Osteuropa wieder ehemalige NS-Verbündete Macht und Einfluss bekommen und die Geschichte umschreiben könnten.

Nur hätte niemand gedacht, dass so viele ehemalige Kritiker an vorderster Front mit in den Chor dieses Nationalismus einstimmen.

Welche Ukrainer in Deutschland werden unterstützt?

Diese nationalistische Positionierung zeigt sich auch im Umgang mit Migranten aus der Ukraine. Viele Unterstützer von Geflüchteten betonen, dass der Umgang mit den Migranten aus de Ukraine zeigt, wie eine an Menschenrechten orientierte Flüchtlingspolitik aussehen könnte. Sie haben vordergründig Recht. Aber tatsächlich geht es beim Umgang mit den Ukrainern um Unterstützung eines befreundeten Staates und nicht um Flüchtlingspolitik. Das zeigt sich daran, dass ausgerechnet die Ukrainer, die am dringendsten Asyl brauchen, Kriegs- und Militärgegner, die wenigste Unterstützung bekommen.

Sie müssen sogar Angst haben, ausgeliefert zu werden, weil die Ukraine mittlerweile nach ihnen auch im Ausland suchen lässt. Die Solidarität mit diesen Menschen auf allen Seiten müsste die Grundlage jeder antimilitaristischen Politik sein. Eine solche Position des internationalistische Antimilitarismus unterscheidet sich ums Ganze von einem Beschwören der Interessen Deutschlands, wie es von Sahra Wagenknecht, aber auch kürzlich von dem politischen Analysten Michael Lüders in einem Interview mit Jung und Naiv zu hören war.

Eine solche Position hat natürlich immer wieder Probleme, sich von der AfD abzugrenzen. Eine Position des linken Antimilitarismus ist so vollkommen konträr zu jeder nationalistischen Losung, das eine Vereinnahmung ausgeschlossen ist. (Peter Nowak)