
Anfang März sorgte der Thüringer CDU-Landrat Christian Herrgott bundesweit für Schlagzeilen. In seinem Landkreis werden fortan Geflüchtete für einen Stundenlohn von 80 Cent zu »gemeinnütziger Arbeit« verpflichtet. Vereinzelt kam die Kritik, dass dieser Begriff ein …
… Euphemismus für Extraausbeutung einkommensarmer Menschen ist. Hier gilt sicher auch: Gemeinnützige Arbeit wird an den Migrant*innen sozusagen ausprobiert, dann sind weitere Gruppen dran – beispielsweise die Langzeitarbeitslosen.
Nur wenig bekannt ist heute, dass es gegen gemeinnützige Arbeit in der BRD in den 70er und 80er Jahren Proteste gab, die manchmal auch erfolgreich waren. In diesen – heute oft verklärten – Zeiten des rheinischen Kapitalismus war der Normalarbeitstag für Männer die Regel. Lohnarbeitende Frauen galten offiziell als »Zuverdiener*innen«, selbst wenn sie Vollzeit arbeiteten. Ganz unten in der Hierarchie standen die Sozialhilfeempfänger*innen; sie wurden als »faul« stigmatisiert und auch der NS-Begriff »arbeitsscheu« war in den 70er Jahren noch gebräuchlich. Diese Personengruppe konnte zu bis zu 30 Stunden gemeinnütziger Arbeit in öffentlichen Einrichtungen verpflichtet werden, bei Weigerung konnte die Sozialhilfe vollständig gekürzt werden.Von dieser Maßnahme machten vor allem CDU-geführte Kommunen häufig Gebrauch. In die Schlagzeilen geriet damals etwa das osthessische Fulda, nachdem die Illustrierte »Stern« enthüllt hatte, dass dort Sozialhilfeempfänger*innen im Garten des langjährigen Oberbürgermeisters Alfred Dregger schuften mussten. Das war dann zwar doch jenseits der Legalität, schadete Dreggers politischer Karriere aber nicht. Er war später noch jahrelang Bundestagsabgeordneter, stieg zum CDU-Fraktionsvorsitzenden auf und agierte dabei stets am rechten Rand der Partei.
Ganz erfolglos war die Enthüllung über die »gemeinnützige« Arbeit in Dreggers Garten aber nicht. Sie motivierte einige betroffene Sozialhilfeempfänger*innen dazu, sich zu organisieren. In einer kleinen Fuldaer Stadtzeitung veröffentlichten sie ihre Erfahrungen als gemeinnützige Arbeiter*innen in den Gärten der Fuldaer Kliniken. Der Artikel begann mit folgendem Satz über das Wesen gemeinnütziger Arbeit: »Gemein ist sie für die Betroffenen und nützlich vor allem für die, die mit der Arbeitskraft anderer Menschen Profite machen wollen.« Mit dieser Anklage erzielten die Aktivist*innen einen, wenn auch kurzfristigen Erfolg: Die gemeinnützige Arbeit wurde in Fulda zeitweise ausgesetzt.
Eine Abschaffung wurde allerdings nicht erreicht – obwohl in den späten 70er Jahren in vielen Städten der BRD Erwerbslosen- und Jobber-Initiativen gegen die gemeinnützige Arbeit kämpften. In ihren Flugblättern propagierten sie den Kampf gegen den Arbeitszwang, anstatt wie die gewerkschaftlich orientierten Erwerbslosengruppen ein Recht auf Arbeit zu fordern. Die Erfahrungen dieser Bewegung liegen zurzeit archiviert in (oft verstaubten) Flugblattsammlungen in Sozialen Zentren, Infoläden und anderen linken Orten. Aber wäre es nicht an der Zeit, an diese Kämpfe anzuknüpfen? Peter Nowak