„Freiheit für alle politischen Gefangene“, riefen am 14. April ca. 40 Menschen vor der Haftanstalt für Frauen in Vechta.

Nach der Verhaftung von Daniela Klette geht es auch um Aneignung linker Geschichte

In den nächsten Wochen sind Informationsveranstaltungen zu Daniela Klette und der langen Geschichte des Kampfes gegen Isolationshaft geplant, darunter am 10. Mai im Centro Sociale in Hamburg. Dort wird es auch um die Geschichte der Isolationshaft gehen, die in den 1970er Jahren nicht nur radikale Linke sondern auch Linksliberale beschäftigte, aber heute kaum noch bekannt ist.

Schon zum zweiten Mal in wenigen Wochen fand im kleinen Städtchen in Niedersachsen eine kleine Kundgebung statt. Der Grund: Seit einigen Wochen ist Daniel Klette dort inhaftiert, der von der Justiz neben verschiedenen Straftaten die Mitgliedschaft in der RAF vorgeworfen wird. Obwohl sich die Organisation schon vor 26 Jahren aufgelöst hat, ist Klette …

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In Deutschland sind einst friedensbewegte Kreise entsetzt: In den USA und der Slowakei sollen Militärhilfen beendet werden. Was wäre eine wirklich internationalistische Position?

Ukraine-Krieg: Ist die Verweigerung von Waffenlieferungen rechts?

Diese nationalistische Positionierung zeigt sich auch im Umgang mit Migranten aus der Ukraine. Viele Unterstützer von Geflüchteten betonen, dass der Umgang mit den Migranten aus de Ukraine zeigt, wie eine an Menschenrechten orientierte Flüchtlingspolitik aussehen könnte. Sie haben vordergründig Recht. Aber tatsächlich geht es beim Umgang mit den Ukrainern um Unterstützung eines befreundeten Staates und nicht um Flüchtlingspolitik. Das zeigt sich daran, dass ausgerechnet die Ukrainer, die am dringendsten Asyl brauchen, Kriegs- und Militärgegner, die wenigste Unterstützung bekommen.

Zwei außenpolitische Ereignisse der letzten Tage haben einen Großteil der deutschen Medien in Aufregung versetzt. In der Slowakei ist die Partei des sozialdemokratischen Politikers Robert Fico gestärkt worden. Die Präsidentin hat ihn nun mit der Regierungsbildung beauftragt. Innenpolitisch verspricht Fico einen etwas sozialeren Kapitalismus, außenpolitisch will er die Waffenlieferungen an die Ukraine kappen. Während noch lange nicht klar ist, ob das Wahlversprechen Bestand haben wird, wenn Fico eine Koalitionsregierung bilden kann, wird ihm jetzt schon vorgeworfen, ein Putin-Freund zu sein und die Ukraine im Stich lassen zu wollen. Das wird auch den Republikanern in den USA vorgeworfen, die dafür verantwortlich sind, dass zur Abwehr eines finanziellen Shutdowns ein Nothaushalt beschlossen worden ist, in der keine Militärhilfen für die Ukraine enthalten sind. Für den außenpolitischen Redakteur der taz, Dominic Johnson, handelt es sich dabei um …

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Doors of Learning. Mikrokosmen eines zukünftigen Afrikas», nur noch bis zum 15. Januar, Bauhaus Dessau, 10 bis 17 Uhr.

Eine Herzenssache

»Doors of Learning« – eine Ausstellung in Dessau erinnert an den Anti-Apartheid-Kampf und Solidarität.. Dokumentiert sind Briefe junger Frauen aus Berlin, Rostock und Schwerin an das Solomon Mahlangu Freedom College, in denen sie ihre Unterstützung für das Personal anbieten. Es handelte sich hier nicht nur um FDJ-Mitglieder, auch eine junge Frau aus einer christlichen Jugendgruppe in der DDR wollte Hilfe vor Ort leisten.

Mein Blut wird den Baum nähren, der die Früchte der Freiheit tragen wird.» Diesen vielleicht in westlichen Ohren etwas pathetisch klingenden Satz soll Solomon Kalushi Mahlangu gesagt haben, bevor er am 6. April 1979 im Alter von 23 Jahren vom südafrikanischen Apartheidregime hingerichtet wurde. Er gehörte zu einer Generation von Jugendlichen, die sich 1976 beim Aufstand der Schülerinnen und Schüler von Soweto gegen rassistische Unterdrückung und Willkür politisierten. Mahlangu schloss sich …

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Der Kampf um die Aufklärung des Feuertods in der Dessauer Polizeizelle bewegt noch immer viele Menschen. Die Justiz aber hat den Rechtsweg für beendet erklärt hat, als selbst ein Staatsanwalt das Szenario eines Mordes für denkbar hielt.

Tod in der Polizeizelle vor 18 Jahren: „Oury Jalloh – das war Mord“

In Dessau war es die Beharrlichkeit der Freunde von Oury Jalloh und des kleinen Unterstützerkreises, die die das Klima änderte. Sie ließen auf eigene Kosten Gutachten erstellen, die nachwiesen, dass die Todesumstände von Oury Jalloh nicht mit der offiziellen Erklärung übereinstimmen.So gehen Gutachter davon aus, dass ein Brandbeschleuniger eingesetzt wurde, was erklären würde, warum das Feuer sich so schnell in der Zelle ausbreitete. Mittlerweile haben auch international bekannte Künstler wie Mario Pfeiffer sich des Todes von Oury Jalloh angenommen

Es war ein milder Januarabend in der Dessauer Innenstadt. Noch rund 300 Menschen haben sich um die dortige Polizeidirektion versammelt. Es sind Freunde von Oury Jalloh, der in einer Zelle in dieser Polizeidirektion am 7. Januar 2005 verbrannte, sowie Unterstützer. 18 Jahre später erinnert an dem Gebäude nichts an seinen Tod. Man kann sich hingegen fragen, ob auch das Gebäude der Dessauer Polizeistation im Bauhausstil errichtet wurde. Schließlich sind das Bauhaus und seine Geschichte mittlerweile zu einer touristischen Marke der Stadt Dessau geworden. Doch auch Oury Jalloh ist mit der Geschichte dieser Stadt verbunden, wie am vergangenen Samstag wieder einmal deutlich wurde. Gegen 14 Uhr hatten sich rund …

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Es ist eine Parodie des Solidaritätsbegriffs, wenn ausgerechnet denen mangelnde Solidarität vorgeworfen wird, die nicht bereit sind, mit immer mehr Waffen weitere Opfer und Zerstörungen in der Ukraine in Kauf zu nehmen

Feindbild deutscher Pazifismus

„Irrweg“, „unsolidarisch“, „Drückeberger“ – die Aufzählung der Beschimpfungen und Herabwürdigungen, denen Gewaltfreie und Antimilitarist*innen in bürgerlichen Medien, aber auch sei- tens erschreckend vieler Linker ausgesetzt sind, könnte beliebig fortgesetzt werden. Alternativen zu Aufrüstung und Mord auf- zuzeigen oder auch nur die Waffenlieferungen in die Ukraine zu hinterfragen, gilt im Moment in weiten Kreisen als groteskes Unding. In seinem Beitrag für die Graswurzelrevolution widmet sich Peter Nowak dem aktuellen Diskurs. (GWR-Red.)

Lange Zeit kritisierten Linke die deutsche Politik und auch große Teile der deutschen Bevölkerung für ihren Militarismus und für ihr Großmachtstreben, das im Refrain des „Lieds der Deutschen“, „Deutschland, Deutschland über alles in der Welt“, sehr gut ausgedrückt wird. Nun hat man den Eindruck, manche Liberale und Linke sehnen sich nach der …

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Trotz des Verbots von elf Oppositionsparteien gibt es in der Ukraine noch legal operierende Linke, die kürzlich von Aktivisten aus Westeuropa besucht wurden.

Wer sind die Linken in der Ukraine?

Es ist sehr sinnvoll, diese unterschiedlichen, bisher noch legalen Linken in der Ukraine zu besuchen Denn dadurch wird auch deutlich, dass der Mythos vom geschlossen gegen Russland kämpfenden ukrainischen Volk auch nur eine nationalistische Erzählung ist. Das zumindest wird aus den Stellungnahmen der Gesprächsteilnehmerinnen und Gesprächsteilnehmer deutlich. Dabei sollte immer betont werden, dass es sich hier eben nur um einen Ausschnitt der ukrainischen Gesellschaft handelt. Warum wurde eigentlich nur über den Pazifisten Yurii Sheliazhenko gesprochen? Warum wurde nicht auch er besucht und kritisch befragt? Oder war dies wegen der drohenden Repression nicht möglich? Und was ist mit den Anhängern der verbotenen Parteien, die insgesamt einen beträchtlichen Teil der ukrainischen Bevölkerung betreffen?

Als Mitglied der Partei Die Linke für Waffenlieferungen in ein Kriegsgebiet zu sein, erfordert eine ausgefeilte Begründung – und die klingt so: „Wer die demokratische Entscheidung der ukrainischen Bevölkerung gegen eine Unterwerfung unter die russische Vormundschaft nicht respektieren will, betrachtet Menschen nicht als Subjekte, sondern als Insassen imperialer Interessensphären und als eine Art Verschiebemasse großer Mächte. Für demokratische Sozialisten ist das inakzeptabel“. So begründet Berlins Kultursenator Klaus Lederer im taz-Interview sein Plädoyer für Waffenlieferungen an die Ukraine.Doch wie steht es um die demokratische Entscheidung einer Bevölkerung in einem Land, in dem zahlreiche Oppositionsparteien verboten sind? …

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Während manche NGOs die deutsche EU-Ratspräsidentschaft mit einem Appell zu mehr staatlichem Eingreifen verbinden, erinnern sich manche auch an die linke EU-Kritik

Suche nach einer linken EU-Kritik

Die Beiträge von Rudolf Walther in der Wochenzeitung Freitag und Peter Wahl im Neuen Deutschland zeigen auch das Dilemma der gegenwärtigen linken EU-Debatte auf. Wahl stellt einige richtige Fragen zur linken EU-Politik und landet dann bei dem vagen Begriff der demokratischen Souveränität. Walther kritisiert die Vagheit des Begriffes und kann sich keine Alternative zur realexistierenden EU vorstellen.

„EU-Ratspräsidentschaft für besseren Schutz der europäischen Urwälder nutzen“, lautet eine aktuelle Forderung der Umweltschutzorganisation Robin Wood. Die NGO hat anschaulich beschrieben, wie eine Protestaktion für mehr Staatseingriffe aussieht: ….

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Wenn rechte Sympathien bei der Polizei mit rechten Behauptungen erklärt werden

„Da ist was in Schieflage geraten“

Jahrelang warnten kleine linke Medien und Initiativen vor rechtslastigen Polizisten. Nun entdeckt Friedrich Merz und die Gewerkschaft der Polizei das Thema, aber nur, um für noch größere Unterstützung der Polizei zu werben

Der rechtslastige ZDF-Moderator Peter Hahne sorgte vor zwei Jahren in einer Talkshow mit seiner Behauptung [1] für Aufsehen, wonach es in Berlin keinen Polizisten gäbe, der nicht AfD gewählt hat. Tatsächlich ist diese pauschale Behauptung natürlich nicht haltbar. Doch dass die rechten Sympathien unter Polizisten zunehmen, wird in linken Zeitungen durchaus mit vielen Beispielen belegt. So findet sich in der Monatszeitung analyse und kritik [2] eine Fülle von Beispielen [3] aus verschiedenen Bundesländern. Ob es ein rechtes Polizeinetzwerk in …

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Was soll die Linke nach Chemnitz machen?

Wie die Angst vor der Rechten eine Merkel-Linke schafft. Eine Diskussion in Berlin zeigte viel Ratlosigkeit, aber auch ein paar Ansätze

Die Bundesregierung hat die Causa Maaßen vordergründig gelöst, doch der Streit geht unmittelbar weiter. Die SPD-Vorsitzende Nahles soll den jetzt getroffenen Vorschlag vor einigen Tagen noch abgelehnt haben, was Innenminister Seehofer behauptet und Nahles bestreitet. Doch auch die außerparlamentarische Linke ringt noch um eine Position.

Am vergangenen Samstag diskutierten Flüchtlingsaktivisten und Antifaschisten aus Chemnitz über die Frage der Solidarität [1]. Eingeladen hatte die Monatszeitschrift ak (analyse und kritik) [2], die vor mehr als vier Jahrzehnten gegründet wurde und die Veränderung der außerparlamentarischen Bewegungen seitdem kritisch begleitet.

Da hätte man sich doch eine gesellschaftliche Einordnung gewünscht. Schließlich können sich viele ak-Autoren an die Zeiten Anfang der 1990er Jahre erinnern, als Flüchtlingsunterkünfte wie in Rostock-Lichtenhagen, Hoyerswerda oder Mannheim-Schönau von Neonazis angegriffen und in Brand gesetzt wurden, während „besorgte Bürger“ danebenstanden und applaudierten.

Die Angst vor der Rechten und die Merkel-Linke

Diese historischen Reminiszenzen sind schon deshalb wichtig, um vor einer Stimmung zu warnen, die „nach Chemnitz“ fast den Sieg des Faschismus an die Wand malt. Das ist nicht nur historisch falsch und lähmt die Gegenkräfte. So wird mit der Gefahr eines drohenden Faschismus der real existierende Kapitalismus beinahe schon als letzte Verteidigungslinie dargestellt.

Das ist der Grund für die wachsende Merkellinke, die es von SPD über Grüne bis zur Linkspartei und gelegentlich in der außerparlamentarischen Linken gibt. Selbst so schlaue Analytiker wie Rainer Trampert [3] sind davon nicht frei. Das Paradoxe dabei ist, dass das Erstarken der Merkel-Linke mit dazu führt, dass sich die Rechte als einzige Alternative zum Status Quo aufspielen kann.

So wird aus Angst vor der Rechten genau diese verstärkt. Eine weitere Paradoxie wurde auch auf der Berliner Veranstaltung nicht erwähnt, weil sie wenig bekannt ist. Die CDU/CSU unter Kohl hat einen großen Anteil daran, dass Sachsen zur rechten Ordnungszelle wurde. Ab Ende Oktober 1989 wurde die nationalistische Welle mit Deutschlandfahnen und entsprechenden Materialien aus dem Westen massiv angeheizt.

Es ging zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr um die schon geschlagene SED, sondern um die linke DDR-Opposition [4] die zu dem Zeitpunkt noch für eine eigenständige DDR agierte [5]. Im Kampf dagegen bedienten sich die Unionsparteien auch der Rechtspartei DSU, die durchaus als ein AfD-Vorläufer gelten kann. Seit Herbst 1989 war Sachsen eine rechte Ordnungszelle.

„Ich würde mein Bett nie an ein Fenster zur Straße stellen“

Wie sich auf das Alltagsleben für linksalternative Chemnitzer auswirkte, berichteten mehrere Aktive des Bündnisses Chemnitz Nazifrei [6]. So erzählten Bewohner von linken Chemnitzer Wohnprojekten, dass sie darauf achten, ihr Bett nicht an ein Fenster zur Straßenseite aufzustellen. Schließlich müsse immer damit gerechnet werden, dass es rechte Angriffe gebe.

Ein anderer Chemnitzer Linker sprach davon, dass es sich wie Urlaub anfühlt, wenn er mal nur die Stadt verlässt. Er muss nicht immer darauf achten, ob ihm Rechte auf der Straße entgegenkommen. Die jungen Chemnitzer betonen, dass diese Vorsichtsmaßnahmen bei ihnen seit Jahren Alltag gewesen seien.

Nur hatte lange eben niemand so genau hingeguckt. Mittlerweile guckt man auch wieder weg, obwohl erst vor wenigen Tagen wieder mehrere Tausend Menschen an einer Demonstration der rechten Partei Pro Chemnitz teilgenommen haben, wie die Chemnitzerin Ida Campe [7] informiert, die ausführlich über die rechte Szene in dieser Stadt berichtet, wenn die meisten auswärtigen Medienvertreter schon wieder abgereist sind.

Bild-Zeitung und AfD einig gegen „graswurzelrevolution“

Manche haben sie sich schon wieder auf die Linke eingeschossen, beispielsweise auf die Monatszeitung graswurzelrevolution [8], die sich als gewaltfrei-libertär versteht. Das hindert die Bild-Zeitung [9] aber nicht, gegen das „Anarchistenblatt“ zu hetzen.

Die Kampagne hatte die AfD-Thüringen [10] begonnen, die sich darüber echauffierte, dass der liberale Verfassungsschutzpräsident von Thüringen aus einem analytischen Artikel [11] des Sozialwissenschaftlers Andreas Kemper [12] über den AfD-Rechtsaußen Björn Höcke in der graswurzelrevolution zitierte.

Dass ein VS-Präsident aus einer linken Zeitung zitiert, geht gar nicht, da sind sich Bild und AfD einig. Pikant für die Rechtspartei: Der alte AfD-Bundesvorstand hatte mit Materialien von Andreas Kemper seinen mittlerweile gescheiterten Ausschlussantrag gegen Höcke begründet. Im Umgang mit der graswurzelrevolution wird der bürgerliche Normalfall deutlich, da sind sich Ultrarechte und Konservative einig im Kampf gegen links. Das wollen manche Merkellinke nicht wahrhaben.

Kampf für eine solidarische „Stadt für alle“ ist der beste Kampf gegen rechts

Bei der ak-Diskussion war diese Merkel-Linke nicht vertreten. Da hätte man sich mehr eigenständige linke Positionen gewünscht. Doch da gab es eher Ratlosigkeit und Vorschläge, die weniger durch eine Analyse als durch Endzeitstimmung geprägt sind. Da kamen Vorschläge für eine antifaschistische Belagerung von Städten mit rechten Aktivitäten. Ernster zu nehmen ist der Appell der Chemnitzer Linken, doch in ihre Stadt zu kommen.

„Da gibt es günstig Wohnungen und Häuser“, wollte einer von hohen Mieten geplagten Berlinern einen Umzug schmackhaft machen. Es ist aber nur sehr unwahrscheinlich, dass er damit viel Erfolg hat. Wünschenswert wäre ein solcher Zuzug durchaus, wenn es um die Stärkung von Alltagskämpfen und solidarischen Netzwerken für alle in der Stadt lebende Menschen ging.

Das könnten solidarische Begleitungen zum Jobcenter ebenso sein, wie Unterstützung bei Mietproblemen und Arbeitskämpfen. Wichtig ist, dass es dabei um die Kooperation von Menschen unterschiedlicher Herkunft geht. So könnte man ein solidarisches Klima in der Stadt erzeugen, das der AfD und ihrem Umfeld den Wind aus den Segeln nimmt.

Sie profitieren davon, dass Menschen Angst vor Migranten, vor Kriminalität etc. haben. Sie verlieren da, wo Menschen ihre Rechte als Mieter, Erwerbslose, Lohnabhängige wahrnehmen. Daher wäre ein Beitrag zum Kampf gegen Rechts nicht eine „Belagerung der Stadt“, sondern solidarische Aktionen an Jobcentern, gemeinsam mit Betroffenen, woher auch immer sie kommen, oder bei Unternehmen, die den Beschäftigten zu wenig Lohn zahlen.

Peter Nowak

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Links in diesem Artikel:
[1] http://www.taz.de/!be=c379903abb25e8b175/
[2] https://www.akweb.de/
[3] https://www.rainertrampert.de/artikel/kategorie/angela-merkel
[4] http://telegraph.cc/
[5] http://www.ddr89.de/vl/VL.html
[6] http://chemnitz-nazifrei.de/
[7] https://twitter.com/idacampe?lang=de
[8] https://www.graswurzel.net/431/hoecke.php
[9] https://www.bild.de/politik/inland/politik-inland/verfassungsschutz-chef-wehrt-sich-gegen-afd-vorwuerfe-57413280.bild.html
[10] https://afd-thueringen.de/2018/09/henke-anschlag-auf-die-verfassung-durch-verfassungsschutzpraesident-kramer
[11] https://www.graswurzel.net/431/hoecke.php
[12] https://andreaskemper.org/tag/bjorn-hocke/

»Antieuropäische Querfront ist fatal«

Rechte wie linke Gruppen und Parteien kritisieren die Europäische Union und schlagen den Austritt einzelner Staaten vor. Der zunehmende Euroskeptizismus geht auch einher mit wachsendem Nationalismus. Mit Daniel Keil sprach die Jungle World über neue völkische Bewegungen, europäischen Antiamerikanismus und eine linke EU-Kritik. Daniel Keil, Mitglied des Arbeitskreises kritische Europaforschung in der Assoziation für kritische Gesellschaftsforschung (AkE/AkG) ,

Nach dem Scheitern von Syriza in Griechenland wird in Teilen der Linken wieder verstärkt darüber diskutiert, Europa den Rücken zu kehren, wie es einen Beitrag in der Monatszeitung analyse und kritik (ak) heißt. Sehen Sie hier die Gefahr einer antieuropäischen Querfront oder hat eine linke EU-Kritik noch eine Chance?

Griechenland hat die autoritäre Verfasstheit und die Dominanzverhältnisse innerhalb der EU offen gezeigt. Für die Linke war das eine Niederlage, da selbst parlamentarisch-reformistische Bestrebungen, dem Austeritätsdiktat etwas entgegenzusetzen, angesichts der Kräfteverhältnisse ein fast aussichtsloses Unterfangen sind. Wenn sich Widersprüche so offen zeigen und dann autoritär bearbeitet werden, kann das auch als Anzeichen einer politischen Krise gedeutet werden. Die Verfasstheit der EU ist nicht mehr hegemonial, im Sinne der Ergänzung des Zwangs durch Konsens und Einbindung der Subalternen, sondern nur noch Zwang und Dominanz. Ein Anzeichen der politischen Krise findet sich jetzt auch in der Flüchtlingspolitik, in der offen, wie von Luxemburgs Außenminister Asselborn geäussert, vor einem Zerbrechen der EU gewarnt wird. Ein weiteres Anzeichen ist, klassentheoretisch gesprochen, das Aufbrechen von Konflikten und Widersprüchen innerhalb der Klassenfraktionen und deren Neuordnung, was sich in der Stärke rechter Parteien und Bewegungen ausdrückt. Nationalistische, konservative und faschistische Gruppen stellen sich gerade neu auf. Die Konstellation dieser Krise sollte dabei sehr genau analysiert werden und ich glaube nicht, dass sich die Linke auf ein einfaches »dann halt raus aus Europa« zurückziehen kann. Die Frage dabei ist ja, was das in der derzeitigen Situation bedeutet, welche Alternativen es gibt und was ein Zerbrechen der EU bedeuten würde. Insofern sind Momente einer antieuropäischen Querfront, die es durchaus gibt und die aus einer binären Sicht – der Nationalstaat gegen die EU – entstehen, fatal. Genau so etwas muss Bestandteil einer emanzipatorischen Kritik der EU sein.

Kann es in einer Zeit, wo zahlreiche rechte Bewegungen die Ablehnung der EU zu ihrem Markenzeichen gemacht haben, eine linke Ablehnung der EU geben?

Die EU ist ein wesentlicher Bestandteil der gesellschaftlichen Verhältnisse, die es zu ändern gilt. Eine linke Kritik an der EU ist notwendig und die EU in ihrer Verfasstheit ist auch nichts, was man als fortschrittlich bezeichnen kann. Aber man muss auch sehen, dass es an manchen Stellen der EU Effekte gibt, die nationale Borniertheiten zumindest in Frage stellen. Eine emanzipatorische Kritik muss die EU nicht nur als ökonomisches Projekt kritisieren, sondern in ihrer politischen Verfasstheit. Die EU sollte als Form von Staatlichkeit begriffen werden, die kein kohärenter Staat ist, aber in der Konstellation mit den Nationalstaaten ein Ensemble von Staatsapparaten bildet, das in sich auch widersprüchlich ist. Prozesse der Europäisierung werden auch von Nationalstaaten vorangetrieben und das heißt, dass es zu einer Europäisierung des Nationalen kommt. Ein zentrales Moment in diesen Prozessen ist sicherlich die Installation von Wettbewerbsfähigkeit, aber das ist eben nicht nur ökonomisch zu verstehen, sondern als politisch-autoritäre Konstitution. Eine emanzipatorische Kritik will dieses Autoritäre nicht einfach durch ein anderes Autoritäres ersetzen, sondern zielt auf Überwindung dieses Zustands. Insofern sind die Essentials einer linken EU-Kritik darin zu sehen, dass sie auf den Abbau von Zwängen zielt und ein gutes Leben für alle erreichen will. Ein Zurück zum Nationalen wäre das Gegenteil.

Wo sehen Sie die Geburtsstunde des EU-Nationalismus?

Es ist die Frage, ob man von einem EU-Nationalismus sprechen kann, da das europäische Moment, zumindest nach einigen Studien, im Bewusstsein der Menschen nicht so eine große Rolle spielt und die meisten sich in erster Linie über ihre nationale Zugehörigkeit definieren. Aber es gibt europäische Züge, die in die nationale Identität quasi eingebaut werden. Institutionell ist hierbei sicherlich die Einführung der Unionsbürgerschaft ein zentraler Punkt neben der Schaffung eines europäischen Territoriums über eine europäisierte Grenzkontrollpolitik, wodurch vor allem auch bestimmt wird, wer nicht zu Europa gehört. Damit reproduzieren sich rassistische Ausgrenzungsmuster über europäisierte Praxen. Das europäische Moment ist eins, das nicht wie es in wissenschaftlichen Debatten häufig verstanden wird, die nationale Borniertheit überwindet, sondern diese vielmehr neu konfiguriert.

Sie fragen in Ihrem Buch »Territorium, Tradition und nationale Identität«, ob es einen negativen europäischen Gründungsmythos gibt. Was verstehen Sie darunter und zu welcher Antwort sind Sie gekommen?

Das ist ein weiterer Teil der europäischen Identität, dass mit der Territorialisierung auch eine Neuerfindung der Geschichte des europäischen Territoriums stattfindet, sei es durch europäische Gedenktage oder europäische Museen. Da Europa nun nicht homogen ist, gibt es auch keinen Gründungsmythos wie es bei Nationen der Fall ist. Stattdessen hat sich in diesem Punkt die deutsche Vergangenheits- und Erinnerungspolitik europäisiert, die sich vor allem dadurch auszeichnet, Auschwitz und den Nationalsozialismus als leere Folie des Schreckens zu begreifen, die als das historisch Andere gelten kann, von dem man sich abgrenzt. Diese Form der Vergangenheitspolitik prägt meines Erachtens auch die Verfasstheit und Politik europäisierter Staatsapparate.

In den Jahren 2002 und 2004 kritisierten antinationale Zusammenhänge, beispielsweise die Leipziger Zeitschrift Phase 2, eine EU, die sich gegen die USA positioniert. Zu dieser Zeit propagierten Intellektuelle wie Jürgen Habermas die EU als angeblich friedliche und soziale Alternative zur USA. Spielen solche Überlegungen heute beispielsweise in der Mobilisierung gegen TTIP wieder eine Rolle?

Habermas und Derrida haben ja in den Demons­trationen gegen den Irak-Krieg, die häufig von antiamerikanischen Ressentiments befördert wurden, sogar die Geburtsstunde einer europäischen Öffentlichkeit erkennen wollen. Ungefähr zur gleichen Zeit machte Schröder mit der Rede vom deutschen Weg und offen antiamerikanischen Aussagen erfolgreich Wahlkampf. Das war also auch eine Kritik der Legitimation von Ressentiments durch Intellektuelle und die Politik. In der derzeitigen Krise spielt die Abgrenzung zu den USA in intellektuellen Debatten eine eher marginale Rolle. Vielmehr fordern Leute wie Herfried Münkler in einer aktuellen Debatte über Europa in der FAZ, dass Deutschland sich seiner Rolle als Zentralmacht endlich bewusst werden solle, um die EU aus der Krise zu führen – also eine Legitimation der deutschen Dominanz. Auf der Straße und bei Demonstrationen, vor allem den neuen völkischen Bewegungen wie Pegida, spielt das antiamerikanische Ressentiment in Verbindung mit Antisemitismus wieder eine Rolle, wenn Flüchtlinge als Waffe der USA und »der Zionisten« gegen die Deutschen bezeichnet werden. Derzeit wird ein allgemein antimoderner Affekt virulent, der sich je nach Situation antiamerikanisch oder antisemitisch oder als beides äußert, was ein zentrales Moment der Querfront-Bestrebungen ist.

http://jungle-world.com/artikel/2015/48/53055.html

Peter Nowak

Vom Aktivismus zur NGO? Anmerkungen zu “Life in Limbo” in ak 546

Die bibelfesten GlobalisierungskritikerInnen von Turbulence sind ungeduldig und suchen einen Schleichweg ins Paradies. So könnte man ihren in ak 546 unter der Überschrift “Life in Limbo” veröffentlichten Beitrag zusammenfassen. Tatsächlich beschreiben sie präzise die Ernüchterungen des aktionsorientierten Teils der GlobalisierungskritikerInnen, zu denen Turbulence gehörte. Die Hoffnungen, die in manchen Kreisen nach Seattle und Genua in die “Bewegung der Bewegungen” gesetzt wurden, sind zerstoben. In Deutschland konnte durch die Mobilisierung nach Heiligendamm 2007, an der Turbulence-AktivistInnen beteiligt waren, die Krise der Bewegung in all ihren Fraktionen länger ignoriert werden. In Italien, das zu Beginn des Millenniums das große Vorbild der GlobalisierungskritikerInnen war, hatte sich der Zerfall schon lange bemerkbar gebracht. Von den bewegungsorientierten Disobbedienti ist heute genau so wenig zu hören und zu sehen wie von der ehemaligen Parlamentspartei Rifondazione Comunista. Dabei wäre es zu einfach, dem Berlusconi-Regime die Verantwortung für den Niedergang zu geben. Umgekehrt haben Berlusconis Wiederwahl und der Niedergang der globalisierungskritischen Bewegung die gleichen Ursachen: den Zerfall politischer Milieus und die damit verbundene weitgehende Individualisierung der Gesellschaft. Dieser Prozess vollzieht sich in den verschiedenen Ländern mit unterschiedlicher Intensität und ist in der Regel mit dem Machtverlust der Gewerkschaften und der organisierten Lohnabhängigen verbunden. Die globalisierungskritische Bewegung wollte mit ihren Gipfelprotesten diesen Verlust der Arbeiterautonomie kompensieren. Einige Jahre schien das auch zu klappen. Doch tatsächlich war es eine Scheinlösung. Die Gipfelproteste wurden von einer kleinen Schicht, meist junger, sehr flexibler Menschen getragen, die sich für einige Jahre als VollzeitaktivistInnen betätigten und von Event zu Event reisten. Diese Art des Aktivismus war nur für eine kurze Zeit durchzuhalten. So mussten die Gipfelproteste a la Seattle und Genua bald an Grenzen stoßen. Die staatliche Repression beschleunigte diesen Prozess. Das wurde von großen Teilen der Bewegung auch erkannt. Schließlich begleitete die globalisierungskritische Bewegung ständig eine kritische Debatte um das Event-Hopping. Das ist der Hintergrund auch des Turbulence-Beitrags, dessen nüchterne Auseinandersetzung mit manchen Bewegungsmythen ebenso zu begrüßen ist wie die kritische Auseinandersetzung mit dem Antiinstitutionalismus der Bewegung der Bewegungen. Reformistische Positionen gibt es sowohl in den Bewegungen wie auf institutioneller Ebene. Doch diese falsche Gegenüberstellung lösen die VerfasserInnen dadurch auf, dass sie dafür eintreten, künftig das zu machen, was ein Großteil der NGOs schon seit langem als ihre Aufgabe ansieht: eine kritische Begleitung der Politik. Diese Antwort auf die Krise der Bewegung haben in den letzten Jahren individuell schon viele AktivistInnen gegeben, indem sie eben ihre früheren Aktivitäten zum Beruf machen. In der entscheidenden Frage der Organisierung an der Basis gehen die AutorInnen nicht kritisch genug mit den Mythen der GlobalisierungskritikerInnen ins Gericht. Widerstand am Arbeitsplatz, sei es in der Fabrik oder im prekären Bereich, kommt bei ihnen ebenso wenig vor wie Erwerbslosenproteste oder andere Organisierungsprozesse, die auf die Gesellschaft Auswirkungen haben und die institutionelle Politik durch Druck beeinflussen. Wenn die AutorInnen auf die gesellschaftlichen Prozesse in Bolivien und Ecuador verweisen und dabei das Augenmerk auf die Entstehung einer neuen Verfassung richten, erwähnen sie nicht, dass solche Entwicklungen nur möglich waren, weil es in diesen Ländern in den vergangenen Jahren erfolgreiche Organisierungsprozesse von ArbeiterInnen, Frauen und Indigenen gab. In den europäischen Ländern stellt sich heute in erster Linie die Frage, wie solche Organisierungsprozesse zustande kommen können. Wenn diese Frage ignoriert wird, bleibt tatsächlich nur die alternative Politikberatung, und aus den frechen AktivistInnen werden brave NGOs.

Veroeffentlicht im ak – zeitung für linke debatte und praxis / Nr. 548 / 19.3.2010]

http://turbulence.org.uk/discuss-turbulence/vom-aktivismus-zur-ngo/

Peter Nowak