Die jüngsten Töne der Linke-Politikerin könnten auch versöhnlich gedeutet werden. Kritiker, warfen ihr unlängst Spaltungsabsichten vor, wollen sie aber jetzt wohl samt Anhang loswerden.

Wagenknecht-Dilemma: Kann ein Sonderparteitag die Spaltung der Linken verhindern?

Wäre es eine linke Partei? Wagenknecht-Gegner verneinen das und verweisen auf Umfragen, aus denen hervorgeht, dass auch ein Teil der aktuellen AfD-Wähler für eine solche Partei stimmen würde. Doch auch das ist eine zweischneidige Argumentation. Zunächst einmal könnte man sagen, dass es der AfD doch schadet, wenn es einer Partei mit sozialpolitischen Themen gelingt, ihr Wählerinnen und Wähler auszuspannen. Zumal ja ein Teil dieser Wähler noch vor einigen Jahren Die Linke oder früher schon die PDS gewählt hat.

Dürfen Linke Hummer essen? Diese Frage ploppte vor fast 16 Jahren kurz auf, als die damalige Abgeordnete des Europäischen Parlaments, Sahra Wagenknecht, beim Hummer-Essen fotografiert wurde. Die Politikerin wollte diese Fotos aber nicht. Was manche als „Hummer-Affäre“ bezeichneten, schadete Wagenknecht aber letztlich nicht, weil sie erklärte, Kommunisten seien ja nicht gegen Luxus. Damals wurde die aufstrebende Politikerin vor allem vom linken Flügel der damaligen PDS verteidigt. Schließlich positionierte sich Wagenknecht damals als …

… bekanntestes Mitglied der Kommunistischen Plattform in und bei der PDS am linken Flügel. Viele Realpolitikerinnen und Realpolitiker fürchteten, ein größerer Einfluss von Wagenknecht könnte Bündnisbestrebungen mit SPD und Grünen schaden. Sie wollten ihren Einfluss daher begrenzen.

Gregor Gysi hatte damals sogar erklärt, er wolle nicht mit Wagenknecht gemeinsam im Parteivorstand sitzen. Daran musste man gut eineinhalb Jahrzehnte später denken, als es diese Woche plötzlich wieder um die Vermögensverhältnisse der Politikerin Sahra Wagenknecht ging. Ausgelöst hat die neue Diskussion der Spiegel, der in seiner letzten Ausgabe vermeldete, dass die Bundestagsabgeordnete Wagenknecht exakt 792.961,43 Euro an Nebeneinkünften abgerechnet hatte.

Zum größten Teil sind es Einnahmen aus ihrer Buchveröffentlichung „Die Selbstgerechten“ mit der sie mit dem woken Kapitalismus und den Linksliberalismus abrechnete. Anders als 2007 dürfte sich Wagenknecht nun nicht mehr mit kommunistischen Luxus verteidigen. Doch ihr Bankkonto dürfte ihr so lange nicht schaden, solange ihr nicht nachgewiesen wird, dass sie Einkünfte nicht korrekt abgerechnet hat.

Zudem könnte sie sogar ihre marxistische Grundausbildung einbringen und erklärten, dass sie mit den Bucheinnahmen keine Einkünfte aufweist, die auf Ausbeutung fremder Arbeitskraft basieren. Im Gegensatz übrigens zu den Nebeneinkünften vieler anderer Politiker. Doch grundsätzlich hat die Journalistin Nelly Tügel recht, die auf Twitter geraten hat, man solle Wagenknecht nicht wegen ihres Bankkontos kritisieren, sondern wegen ihrer Politik.

Partei-Neugründung kann warten

Und sind da die Rollen vor allen in ihrer Noch-Partei klar verteilt: Ihre Fans verteidigen jede Äußerung von ihr und ihre Gegner sehen fast in allem, was sie von sich gibt, einen weiteren Ausschlussgrund. Das wurde deutlich, als Wagenknecht vor einigen Tagen erklärte, dass sie mit der Entscheidung über eine Partei-Neugründung bis zum Jahresende warten wolle.

Eine solche Meldung könnte eigentlich zum Aufatmen in der Linken führen. Noch könnte die Spaltung verhindert werden, wäre dann die erste Überlegung. Und daran müsste sich die Frage anschließen, wie es vielleicht doch noch zu einer Lösung kommen kann, damit die Spaltung ausbleibt.

Zumal Wagenknecht in ihrer jüngsten Einlassung durchaus selbstkritische Töne anklingen ließ. Auch betonte sie, dass eine neue Partei „nicht nur kluge und ehrlich engagierte Menschen“ anziehe, „sondern auch schwierige Leute – teilweise solche, die schon alle möglichen Parteien hinter sich haben“. Zudem erklärte sie, dass sie keine „One-Women-Show“ wolle – und ließ anklingen, dass ihre Stärke auch nicht in Herausbildung einer funktionierenden Parteiorganisation liege.

Zudem kann als versöhnliche Geste an ihre Noch-Partei gelten, dass sie als Grund für ihr Abwarten bei der Partei-Neugründung auch angibt, dass sie die Existenz der Bundestagsfraktion nicht gefährden will. Würden Wagenknecht und einige ihrer Anhänger diese verlassen, würde der Fraktionsstatus insgesamt entfallen. Schließlich gibt es seit der letzten Bundestagswahl überhaupt nur noch eine Linksfraktion, weil die 4,9-Prozent-Partei drei Direktmandate erworben hat.

Doch diese versöhnlichen Töne kamen bei den Wagenknecht-Gegnern nicht gut an. Im Gegenteil wurde ihre Erklärung sogar als besondere Tücke aufgefasst. Wagenknecht quäle die Partei damit, dass sie nicht sofort austrete, war da zuhören. Es wird offen gefordert, dass die Politikerin aus Partei und Fraktion ausgeschlossen werden müsse.

Dabei wird ihr unterstellt, sie verwende Mittel, die sie durch ihr Abgeordnetenmandat erziele, für den Aufbau einer neuen Partei. Bemerkenswerterweise geht niemand von der Wagenknecht-Gegner auf den drohenden Verlust des Fraktionsstatus ein, wenn einige der Abgeordneten die Fraktion verlassen.

Sonderparteitag als Lösung?

Auffällig ist, dass die Kritiker sich jetzt nicht mehr auf bestimmte Inhalte von Wagenknecht einschießen. Vielmehr wird ihr die Spaltung der Partei vorgeworfen. Teilweise sind es die gleichen Politiker, die vor Monaten Wagenknecht auffordern, sie solle die Partei verlassen. Es scheinen jetzt vor allem die Wagenknecht-Gegner zu sein, die einen Kompromiss ablehnen, der eine Spaltung verhindern könnte.

Das könnte auch daran liegen, dass Wagenknecht und ihre Anhänger durchaus eine Taktik verfolgen, wenn sie mit der Parteigründung warten. Sie könnten hoffen, dass es in der Linken Widerstand gegen den Kurs der aktuellen Parteiführung gibt. Schließlich ist sie in vielerlei Hinsicht in der Defensive.

Die Vorsitzenden, sowohl Janine Wissler als auch Martin Schirdewan, sind wesentlich weniger bekannt als Wagenknecht. Sie werden nicht mit einer bestimmten politischen Linie verbunden, eher als Verwalterinnen und Verwalter des Status Quo. Zudem könnte Wissler weiter unter Druck geraten, wenn bei den Landtagswahlen in Hessen, wo sie aktiv ist, die Linke aus dem Landtag fliegt.

Dann könnte innerhalb der Partei der Ruf nach einen Sonderbeitag stärker werden. Ursprünglich kam er von Michael Brie, der eher dem Lager der „Reformer“ zuzurechnen ist. Mittlerweile wird diese Forderung aber auch von Parteimitgliedern in Leipzig erhoben, was der aktuellen Parteiführung gefährlich werden könnte.

Denn eines der Direktmandate der Linken hat Sören Pellmann in Leipzig errungen. Er kandierte beim letzten Parteitag mit der Erklärung, dass er die Partei zusammenführen statt weiter spalten wolle. Er scheiterte jedoch. Pellmann und seine Anhänger wurden von der aktuellen Mehrheit der Reformlinken zusätzlich brüskiert, indem Kandidaten, denen vorgeworfen wurde, sie wollten Brücken zum „Wagenknecht-Flügel“ bauen, systematisch bei den Wahlen abgestraft wurden.

Daher gibt es auch unter Linken, die keineswegs die Wagenknecht-Linie vertreten, genug Unmut über die aktuelle Parteiführung. Zudem haben sie keine Erfolge vorzuweisen. Es gibt immer wieder Meldungen über Austritte von Politikern aus allen Flügeln. Die einen gehen, weil sie sich aufregen, dass Wagenknecht ausgegrenzt wird, die anderen verlassen die Partei, weil sie nicht schon längst ausgeschlossen wurde.

Die Parteiführung vermittelt den Eindruck, sie verwalte den Untergang der Linken. Da wird es dann schon als Erfolg gebucht, wenn in einer ostdeutschen Kleinstadt ein Parteimitglied in die Stichwahl kommt.

Wäre eine Wagenknecht-Partei rechts?

Hinzu kommt, dass mit der Reform des Wahlgesetzes Die Linke wohl sicher nicht mehr im Bundestag wäre, weil die Regelung wegfallen soll, dass eine Fraktion auch durch drei Direktmandate zustande kommt. Eigentlich müsste die Parteiführung zum Protest dagegen aufrufen. Doch auch davon ist wenig zu hören. Bis auf scharfe Erklärungen im Parlament ist hier Funkstille. Dadurch wächst der Eindruck, dass der gegenwärtige Parteivorstand schlicht überfordert ist.

Ob andere Personen das anders halten könnten, ist unsicher. Doch es könnte denen nutzen, die das zumindest mal probieren wollen. Auf einen solchen Sonderparteitag zumindest hofft das Wagenknecht-Lager. Wenn man die Leserbriefe an der Linkspartei nahestehende Medien wie junge Welt und Neues Deutschland liest, sind deren Anhänger an der Basis zumindest nicht so wenige. Hier könnte auch ein Teil der Basis einer neuen Partei liegen.

Wäre es eine linke Partei? Wagenknecht-Gegner verneinen das und verweisen auf Umfragen, aus denen hervorgeht, dass auch ein Teil der aktuellen AfD-Wähler für eine solche Partei stimmen würde. Doch auch das ist eine zweischneidige Argumentation. Zunächst einmal könnte man sagen, dass es der AfD doch schadet, wenn es einer Partei mit sozialpolitischen Themen gelingt, ihr Wählerinnen und Wähler auszuspannen.

Zumal ja ein Teil dieser Wähler noch vor einigen Jahren Die Linke oder früher schon die PDS gewählt hat. Damit kämen also ehemalige Wähler zurück. Ist das rechts – oder müsste es nicht das Ziel linker Organisationen und Parteien sein, Wählerinnen und Anhänger von den Rechten zurückzuholen? Ein solches Ziel war zumindest zu Zeiten der Weimarer Republik bei sehr unterschiedlichen Spektren der Linken unstrittig.

Nicht nur die KPD versuchte, an der Basis der Nazis Anhänger abzuwerben. Auch der Anarchist Rolf Rocker diskutierte in den 1920er-Jahren mit NSDAP-Mitgliedern, weil er ihnen deutlich machen wollte, dass rechte Organisationen keine Interessenvertreter für sie sind.

Rocker war kein Anhänger von Parteien, sondern warb für die Organisierung in Basisgewerkschaften. Damals hatten sehr unterschiedliche linke Gruppen also noch das Selbstbewusstsein, auch Menschen anzusprechen, die rechts gewählt hatten oder überlegten, dies zu tun. Dieses Selbstbewusstsein ist der gesellschaftlichen Linken heute weitgehend verloren gegangen. (Peter Nowak)