Das Kiezhaus sollte kein verlängertes Wohnzimmer einer linken Szene, sondern ein Treffpunkt für die Menschen in der Nachbarschaft sein. „Unserer Überzeugung nach kann sich nur eine organisierte Nachbarschaft gegen die vielfältigen Probleme zur Wehr setzen, mit denen wir tagtäglich konfrontiert werden. Deshalb wollen wir mit dem Kiezhaus einen nicht-kommerziellen Ort schaffen, an dem sich verschiedene Kämpfe im Wedding und Umgebung austauschen und verbinden können“, heißt es in der Selbstbeschreibung. Gut vier Jahre nach dem Start ziehen …
… Kiezhaus-Mitbegründer Marc und Tino eine positive Bilanz. Durch das Kiezhaus hätten sie erlebt, wie eine Arbeit im Stadtteil in der Praxis aussieht. Dazu gehört die Erkenntnis, dass die bloße Existenz solcher Räume keine Nachbar/innen motiviert, einfach mal vorbeizuschauen. Dazu braucht es schon konkrete Angebote, die die Menschen im Stadtteil interessieren.
„Für uns ist es wichtig, dass wir uns in dem Bereichen organisieren, wo wir auch selber aktiv sind. Viele von uns sind im Bereich der Sozialen Arbeit beschäftigt, also wollen wir auch dort mit der Selbstorganisierung ansetzen“, erklärt Marc. Er ist einer der Initiatoren des „Solidaritätstreffs – Hart am Limit“. Seit drei Jahren treffen sich einmal im Monat Beschäftigte aus diesen Bereichen aus ganz Berlin im Kiezhaus. Sie sprechen über ihre Probleme am Arbeitsplatz, beratschlagen aber auch gemeinsam, wie sie sich gegenseitig unterstützen können. Mehrere der beteiligten Sozialarbeiter/innen betonen, dass sie sich durch den Solidaritätstreff motiviert fühlen, selbstbewusster an ihrem Arbeitsplatz aufzutreten und Forderungen nach Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu stellen.
Generationsübergreifende Angebote
Der Solidaritätstreff hat eine klar antikapitalistische Perspektive, wie in der dort erstellten Broschüre „Soziale Arbeit im Kapitalismus – Hart am Limit“ deutlich wird. Sie versteht sich als „kollegiale Handreichung für betriebliche Organisierung in der sozialen Arbeit“, wie es im Untertitel heißt. Die Nachfrage ist groß, mittlerweile ist die zweite Auflage fast vergriffen.
Mittlerweile trifft sich dort jeden Sonntag um 14 Uhr auch das Elterncafé. Dort tauschen sich Menschen mit Kindern aus oder kommen zur Unterhaltung und zum Entspannen. Auch einige der Mitbegründer/innen des Kiezhauses gehören dazu.
Nicht so erfolgreich war bisher die Organisierung von Mieter/innen in der Umgebung. Viele der Häuser sind im Besitz der Unternehmensgruppe Convivo. Nach einer Mieter/innenbefragung 2019 gab es erste Treffen, wo Bewohner/innen ihre konkreten Probleme mit der Verwaltung schilderten. Durch die Corona-Pandemie wurde der gerade angelaufene Organisierungsprozess allerdings unterbrochen und konnte bislang nicht wieder aufgenommen werden.
Das Kiezhaus hat eine längerfristige Perspektive. Kürzlich wurde der Mietvertrag für die nächsten 5 Jahre abgeschlossen. Die Aussicht, dass der Stadtteilladen, der sich ausschließlich durch Fördermitgliedschaften der verschiedenen Nutzer/innen und Spenden finanziert, im Jahr 2028 sein zehnjähriges Jubiläum begehen kann, macht Marc und Tino etwas stolz. Schließlich sind die meisten linken Einrichtungen eher kurzlebig. Das liegt auch daran, dass sich dort vor allem junge Leute engagieren, die dann nach Studium oder Ausbildung ihre politischen Aktivitäten beenden oder deutlich reduzieren. Die Stärke des Kiezhauses besteht darin, dass dort Menschen unterschiedlicher Generationen aktiv sind. Dazu gehören auch einige Senior/innen aus der Umgebung, die sich gerne für nachbarschaftliche Belange engagieren wollen. Die Kontakte sollen in Zukunft ausgebaut werden. Peter Nowak
https://www.bmgev.de/mieterecho/archiv/2023/me-single/article/linkes-projekt-mit-perspektive/