Sozialarbeiter vernetzten sich gegen Ausbeutung

Mit Solidarität geht es

»Für uns ist es wichtig, dass wir uns in den Bereichen organisieren, in denen wir auch selbst aktiv sind. Viele von uns sind im Bereich Soziale Arbeit beschäftigt, also wollen wir auch dort mit der Selbstorganisierung ansetzen«, erklärt Marc Seilheimer, der den Solidaritätstreff vor drei Jahren mitbegründet hat.

Langsam füllt sich der Raum im Kiezhaus Agnes Reinhold in Wedding. Wasser und Kaffee stehen auf kleinen Tischen bereit. Die im Kreis aufgestellten Stühle müssen aufgestockt werden. Denn über 20 Sozialarbeiter*innen sind im Januar zum Solidaritätstreff – Soziale Arbeit im Kapitalismus gekommen, der jeden dritten Mittwoch im Monat stattfindet. Initiiert wurde er vor drei Jahren von der Stadtteilinitiative »Hände weg vom Wedding«, die sich vorgenommen hatte, sich verstärkt …

… mit Arbeitskämpfen auseinanderzusetzen. »Für uns ist es wichtig, dass wir uns in den Bereichen organisieren, in denen wir auch selbst aktiv sind. Viele von uns sind im Bereich Soziale Arbeit beschäftigt, also wollen wir auch dort mit der Selbstorganisierung ansetzen«, erklärt Marc Seilheimer, der den Solidaritätstreff vor drei Jahren mitbegründet hat. »Einige von uns sind bereits seit Jahren politisch aktiv, haben aber haben ihre eigenen prekären Lohnarbeitsverhältnisse bisher kaum in den Blick genommen«, sagt Seilheimer. Die politischen Aktivitäten würden von der eigenen Lohnarbeit abgetrennt. Schließlich stünden Aktivitäten in Betriebs- und Gewerkschaftsgruppen oder gar im Betriebsrat im Ruch des Reformismus und sind daher nicht besonders beliebt.

Der Solidaritätstreff Soziale Arbeit will das ändern. Das erste Treffen im Februar 2020 hatte das Oberthema »Betriebsratsarbeit in der Sozialen Arbeit«. Kurz nach der Gründung waren wegen der Corona-Pandemie öffentliche Treffen nicht möglich. Doch für die junge Initiative bedeutete der Lockdown nicht das Ende der politischen Arbeit. In dieser Zeit erstellte sie eine »Handreichung für betriebliche Organisierung in der Sozialen Arbeit«, die mittlerweile in zweiter Auflage erschienen ist. Dort wird die Rolle der Sozialarbeit im Kapitalismus kritisch reflektiert. Möglichkeiten und Grenzen betrieblicher Mitbestimmung in der Sozialen Arbeit werden erörtert. Einen großen Raum in der Broschüre nimmt die Frage ein, wie sich Sozialarbeiter*innen an ihrem Arbeitsplatz gewerkschaftlich organisieren können. »Wenn wir unsere Arbeitsbedingungen substanziell verbessern wollen, müssen wir den gewerkschaftlichen Organisationsgrad in der Sozialen Arbeit deutlich erhöhen. Daher motivieren wir Kolleg*innen, in die Gewerkschaften einzutreten«, betont Seilheimer.

Dabei gibt es erste Erfolge. Der Bericht eines Sozialarbeiters, der als Betriebsrat in ständigem Konflikt mit Trägern seiner Einrichtung steht, nahm auf dem Januartreffen einen großen Raum ein. Auch andere Sozialarbeiter*innen fühlten sich davon ermutigt, auf die Situation an ihren Arbeitsplätzen einzugehen. Mehrere betonten, dass sie sich durch den Solidaritätstreff motiviert fühlen, selbstbewusster an ihrem Arbeitsplatz aufzutreten und Forderungen nach Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen zu stellen. Nora, die ihren vollständigen Namen nicht in der Zeitung lesen will, nennt ein konkretes Beispiel: »Ich habe beim Solidaritätstreff erfahren, dass der Träger mehr Gelder für meine Arbeit beantragen kann und ich dann auch mehr Lohn bekommen würde. Das habe ich meinem Träger sofort mitgeteilt und auch auf die rechtlichen Grundlagen verwiesen. Da habe ich gemerkt, wie der Chef geschluckt hat, weil er nichts erwidern konnte.«

Selbstbewusst wollen die Kolleg*innen vom Solidaritätstreff in den nächsten Monaten auch bei den anstehenden Tarifkämpfen im Öffentlichen Dienst auftreten. Sie wollen die Kolleg*innen der Berliner Stadtreinigung und der Berliner Krankenhausbewegung bei ihren Arbeitskämpfen unterstützen. Auch eine Demonstration ist geplant. Dort soll auch gegenüber den Gewerkschaften Druck von links gemacht werden. Beim nächsten Treffen am 15. Februar soll es um die konkreten Vorbereitungen dafür gehen. Peter Nowak