Die rassistischen Ausschreitungen in Mannheim-Schönau vor 30 Jahren wurden von der Asyldebatte befeuert

Kuschen vor dem rechten Mob

Die Lupus-Grup­pe stell­te die ras­sis­ti­schen Auf­mär­sche in Ost- und West­deutsch­land in den Kon­text der soge­nann­ten Asyl­de­bat­te, mit der die mas­si­ve Ein­schrän­kung des Asyl­rechts im Som­mer 1993 vor­be­rei­tet wurde. So konn­ten sich auch die Rech­ten in Mann­heim-Schö­nau genau wie in Ros­tock und Hoyers­wer­da als mili­tan­ter Arm einer gro­ßen Koali­ti­on der Migrationsgegner*innen sehen.

Die ras­sis­ti­schen Auf­mär­sche in Hoyers­wer­da 1991 und Ros­tock 1992 wur­den zum Sym­bol für den Rechts­ruck in Deutsch­land nach der Deut­schen Ein­heit. Dort hat­ten orga­ni­sier­te Faschis­ten gemein­sam mit schein­bar unpo­li­ti­schen Anwohner*innen gegen Men­schen ohne deut­schen Pass mobil gemacht. Zunächst waren es vor allem Antifaschist*innen aus ande­ren Städ­ten, die sich gegen die Rech­ten stellten. Erst vie­le Jah­re spä­ter gibt es auch Erzäh­lun­gen von den weni­gen Lin­ken, die vor Ort leb­ten. Erin­nert sei nur an das im ver­gan­ge­nen Jahr erschie­ne­ne Buch »Kin­der von Hoy«, das Grit Lem­ke im Suhr­kamp-Ver­lag ver­öf­fent­licht hat. Weni­ger bekannt ist, dass auch auf dem west­deut­schen Gebiet Anfang der 1990er Jah­re ein ras­sis­ti­scher Mob mobil mach­te. »Wäh­rend sich die Namen Hoyers­wer­da oder Ros­tock-Lich­ten­ha­gen ins kol­lek­ti­ve Gedächt­nis der bun­des­deut­schen Nach­wen­de­zeit ein­schrie­ben, sind die ras­sis­ti­schen Aus­schrei­tun­gen in Mann­heim-Schö­nau weit­ge­hend ver­ges­sen«, schreibt Yan­nik Böcken­för­de auf dem Blog der Ama­deu Anto­nio Stif­tung. Die Angrif­fe rich­te­ten sich damals gegen …

… eine Sam­mel­un­ter­kunft für Geflüch­te­te in einer ehe­ma­li­gen Mili­tär­ka­ser­ne im vor allem von Arbeiter*innen bewohn­ten Stadt­teil Schönau. 

Dort wur­den Geflüch­te­te aus Kur­di­stan, dem frü­he­ren Jugo­sla­wi­en und afri­ka­ni­schen Staa­ten unter­ge­bracht. Antifaschist*innen aus der Umge­bung berich­te­ten über eine von Beginn an ras­sis­tisch gefärb­te Ableh­nung der Unter­kunft. Ängs­te vor angeb­lich ver­mehr­tem Dro­gen­kon­sum und Lärm wur­den von Neo­na­zis gezielt auf­ge­grif­fen und ver­stärkt. Am 26. Mai 1993 sorg­te dann ein nach­weis­lich fal­sches Gerücht, heu­te wür­den wir von »Fake News« spre­chen, für eine Zusam­men­rot­tung von Anwohner*innen und orga­ni­sier­ten Faschis­ten vor der Unter­kunft. Es wur­de behaup­tet, einer der Bewoh­ner habe eine jun­ge Frau ver­ge­wal­tigt. Die­se Lüge ver­brei­te­te sich damals nicht über das Inter­net, das damals noch kei­ne gro­ße Rol­le im All­tag spiel­te. Viel­mehr ver­brei­te­te sich das Gerücht auf dem all­jähr­lich statt­fin­den­den Waldfest. 

Am 28. Mai, dem soge­nann­ten Vater­tag, eska­lier­te die Situa­ti­on. Meh­re hun­dert über­wie­gend stark alko­ho­li­sier­te Män­ner zogen vor die Obdach­lo­sen­un­ter­kunft, skan­dier­ten ras­sis­ti­sche Paro­len und war­fen Stei­ne und Fla­schen auf das Gebäu­de. »Anders als in Hoyers­wer­da und spä­ter Ros­tock-Lich­ten­ha­gen war die Poli­zei ver­gleichs­wei­se schnell vor Ort und sorg­te auch in den fol­gen­den Tagen zumin­dest dafür, dass es nicht zur wei­te­ren Stür­mung des Gebäu­des kam«, schreibt Böcken­för­de in sei­nem Arti­kel. Das Ein­grei­fen der Poli­zei stand auch im län­ge­ren Arti­kel im Mit­tel­punkt, der am ver­gan­ge­nen Wochen­en­de im »Mann­hei­mer Mor­gen«, der dort füh­ren­den Regio­nal­zei­tung, ver­öf­fent­licht wur­de. Dar­in wur­de mehr­mals betont, dass die Poli­zei anders als in Ros­tock ein­ge­grif­fen habe und es daher in Mann­heim kein Staats­ver­sa­gen gege­ben habe

Doch auch das ist eine Form der Recht­fer­ti­gung. Nach 30 Jah­ren kann nicht mehr vom »ver­ges­se­nen Pogrom« gere­det wer­den, aber schön­ge­re­det wird vor Ort noch immer. Dabei könn­te man auf Tex­te der auto­no­men Lupus-Grup­pe ver­wei­sen, die damals in der anti­fa­schis­ti­schen Sze­ne des Rhein­ge­biets aktiv war. Von dort kamen die Lin­ken, die sich vor 30 Jah­ren in Mann­heim-Schö­nau dem Bünd­nis aus Nazis und alko­ho­li­sier­ten Anwohner*innen ent­ge­gen­stell­ten. Die Lupus-Grup­pe stell­te die ras­sis­ti­schen Auf­mär­sche in Ost- und West­deutsch­land in den Kon­text der soge­nann­ten Asyl­de­bat­te, mit der die mas­si­ve Ein­schrän­kung des Asyl­rechts im Som­mer 1993 vor­be­rei­tet wurde. 

So konn­ten sich auch die Rech­ten in Mann­heim-Schö­nau genau wie in Ros­tock und Hoyers­wer­da als mili­tan­ter Arm einer gro­ßen Koali­ti­on der Migrationsgegner*innen sehen. Erst nach der fak­ti­schen Abschaf­fung des Asyl­rechts gin­gen die Staats­ap­pa­ra­te stär­ker gegen die Faschis­ten vor. Viel­leicht spielt die­ser Zusam­men­hang bei der Ver­an­stal­tung »Schö­nau ‹92 nicht ver­ges­sen« eine Rol­le, die von der Mann­hei­mer Lin­ken am 11. Juni im Natur­freun­de­haus in Schö­nau orga­ni­siert und auch gestreamt wird. Von 14 bis 21 Uhr sol­len Betrof­fe­ne der Angrif­fe vor 30 Jah­ren und Akti­ve aus Migrant*innen- und Anti­fa­zu­sam­men­hän­gen zu Wort kom­men.

Peter Nowak