Bewusst vage und maximal ausgrenzend: Der Auftritt beim Katholikentag zeigt auch die Autoritätshörigkeit eines Publikums, das diesen abstrusen Satz noch beklatschte

Hat Law-and-Order-Scholz Klima-Aktivisten mit Nazis verglichen?

Hier haben Menschen ihr demokratisches Recht auf Meinungsfreiheit ausgeübt und es gewagt, den Ausführungen von Scholz zu widersprechen und das wurde von ihm als Majestätsbeleidigung aufgefasst. Das zeigt ein autoritäres Staatsverständnis, wo der Untertan zuhört und applaudiert und vielleicht auch mal eine kritische Frage, wenn sie genehmigt ist, stellen darf.

„Der Kanzler der Bundesrepublik relativiert in nur einem Halbsatz die NS-Herrschaft und auf paradoxe Art und Weise die Klimakrise gleich mit. Er stilisiert Klimaschutz als Ideologie mit Parallele zur NS-Herrschaft“. Diesen schweren Vorwurf erhob die Klima-Aktivistin Luisa Neubauer auf Twitter, nachdem es auf einer Veranstaltung mit Olaf Scholz (SPD) beim Katholikentag in Stuttgart zu kurzzeitigen Protesten junger Menschen gekommen war, die sich sowohl gegen die Aufrüstung als auch die Klimapolitik der Bundesrepublik richteten. Scholz reagierte völlig unsouverän: „Ich sage mal ganz ehrlich, …

… diese schwarz gekleideten Inszenierungen bei verschiedenen Veranstaltungen von immer den gleichen Leuten erinnern mich an eine Zeit, die lange zurückliegt, und Gott sei Dank.“

Es ist schon merkwürdig, wie Scholz, der sich im Wahlkampf als Mann der klaren Worte inszenierte, hier wieder einmal vage geblieben ist und doch sicher nicht unbewusst den Eindruck erweckte, damit die Nazizeit gemeint zu haben.

Susanne Schwarz trifft es mit ihrer Kritik an Scholz in der taz durchaus:

Zugegeben gibt es in Deutschlands Geschichte viele dunkle Zeiten. Es gibt aber eine singulär herausstechende Periode, zu der das kollektive Bewusstsein bei einer Formulierung wie der von Scholz praktisch notwendigerweise springt, sofern es keine sonstige Spezifizierung gibt. Gegen diese Interpretation spricht eigentlich nur, dass ein Bundeskanzler es besser wissen sollte. Jetzt könnte man Scholz wegen seiner typischen Uneindeutigkeit in Schutz nehmen. Aber es ist doch so: Mindestens hat er in Kauf genommen, dass man seine Aussage so deuten kann.


Susanne Schwarz, taz-Berlin

Wenn Protest zur Majestätsbeleidigung wird

Mit Recht kritisiert sie den großen Applaus, den Scholz für diese Sätze aus dem Publikum bekam. Das kann auch als Autoritätshörigkeit gedeutet werden. Da wird auch wirres Zeug beklatscht, wenn es nur auf dem Mund der Mächtigen kommt. Schlimmer wäre es noch, wenn es eine inhaltliche Zustimmung gewesen sein soll, womit jeder noch so harmlose Protest aus dem demokratischen Meinungsspektrum ausgeschlossen wird.

Das hat ja Scholz eindeutig in den Teilen seiner Tirade getan, die weniger aufmerksam bekommen hat. Da hat er ausdrücklich erklärt, mit den Aktivisten sei keine Diskussion möglich. Sie würden nur Veranstaltungen stören und für ihre Interessen missbrauchen. Dabei handelte es sich um eindeutig gewaltfreie Proteste, bei denen niemand beleidigt wurde.

Hier haben Menschen ihr demokratisches Recht auf Meinungsfreiheit ausgeübt und es gewagt, den Ausführungen von Scholz zu widersprechen und das wurde von ihm als Majestätsbeleidigung aufgefasst. Das zeigt ein autoritäres Staatsverständnis, wo der Untertan zuhört und applaudiert und vielleicht auch mal eine kritische Frage, wenn sie genehmigt ist, stellen darf.

Wer sich auf diesen vorgegebenen Rahmen nicht einlässt, wird wird außerhalb des demokratischen Spektrums verortet – und das hat Scholz ganz unzweideutig gesagt. Mit den Verweis auf die dunkle Zeit, die Gott sei Dank vorbei ist, will er die Protestierenden in die NS-Nähe stellen und damit das Maß der Ausgrenzung noch besonders deutlich machen. Mit dieser autoritären Machtstrategie ist er nicht allein.

Es gab in den vergangenen Jahrzehnten schon viele Politiker, vom 1988 verstorbenen bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß (CSU) bis zu AfD-Mitgliedern, die ihre Gegner in die Nähe der Nazis rückten. Damit ist Scholz also in guter, autoritärer Gesellschaft. Ob das ein Grund zum Rücktritt ist, wie Neubauer andeutet, dürfe wohl eher eine Frage des politischen Kräfteverhältnisses sein. Wenn gegen die Scholz-Äußerungen Massen auf die Straße gehen würden, könnte man darüber reden. Ansonsten ist es Wunschdenken.

Autoritäre Staatspolitik und ihre Untertanen

Die Diffamierung von Opposition zeigt einmal mehr die autoritäre Wende, die in vielen Teilen der Gesellschaft Platz gegriffen hat. Mittlerweile wird es schon zu einer tagelang diskutierten Staatsaktion, wenn wie in Berlin am 1. Mai 2022 geschehen, ein Ei auf die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) geworfen wird und sie noch nicht einmal getroffen hat.

Bei Scholz werden dann protestierende Klimaaktivisten in die Nähe der Nazis gerückt. Nach Kritik hat er noch mal nachgelegt und klargestellt, dass sich Menschen, die sich so aufführen, also gewaltfrei protestieren, für die Demokratie nicht in Ordnung seien. Friday for Future fällt dann nur die defensive Kritik ein, dass die Nichteinhaltung des Pariser Klimaabkommens für die Demokratie nicht in Ordnung sei.

Allerdings wird viel zu selten darauf hingewiesen, dass die Diffamierung der Opposition bei Scholz System hat. Viele werden sich noch erinnern, wie unter einem Hamburger Bürgermeister Scholz während des G20-Gipfels 2017 die Grundrechte vieler Menschen massiv eingeschränkt wurden. Demonstrationen wurden verboten oder von der Polizei aufgelöst. Trotz dokumentierter Menschenrechtsverletzungen der Hamburger Polizei im Rahmen der Proteste bestreitet Scholz bis heute, dass es dort überhaupt Polizeigewalt gegeben hat.

Mit seiner Ausgrenzung von Protestierenden aus dem demokratischen Spektrum bleibt sich Scholz nur treu – als autoritärer Law-and-Order-Politiker, der keine Kritik vertragen kann.(Peter Nowak)