Nieder mit den Waffen, her mit den Schlüsseln“ stand auf dem Transparent, das Kölner Mieteraktivisten aus den Fenstern eines seit mehreren Jahren leerstehenden Gebäudekomplexes in der Rheinmetropole hängten. Sie hatten die noch gut erhaltenden Gebäude …
… am Samstagvormittag besetzt und forderten, dass dort wohnungslose und geflüchtete Menschen einziehen sollen. Doch die Besetzung währte kurz. Die Polizei kam schnell und nahm einen Mann fest, der sich noch im Gebäude befand. In der Pressemeldung der Polizei heißt es:
Die Polizei nahm umgehend Kontakt zu dem Objektverwalter des Eigentümers (Russische Handelsgesellschaft) auf, der Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs stellte. Der Objektverantwortliche übernahm im Anschluss wieder die Sicherung des Gebäudes.
Polizei Köln
Der Staatsschutz ermittelt gegen die Besetzer, die Leerstand beseitigen wollten, in dem sie ein Gebäudekomplex besetzten, das im Besitz des russischen Staates ist und seit Jahren leer steht.
Über die Perspektive der verkürzt „Russenhäuser“ genannten Gebäude wird in Köln schon länger auch in der Regionalpresse diskutiert.
Relikte aus der Sowjetunion
Eigentümerin der Plattenbauten ist die Russische Föderation. Sie wurden noch zu Sowjet-Zeiten Mitte der 1970er-Jahre gebaut und in den Jahren nach dem Ost-West-Konflikt von der Handelsvertretung der russischen Botschaft genutzt. Deshalb ist ein großer Teil der Gebäude Büros, Besprechungsräumen und Konferenzsälen vorbehalten. Daneben gibt es aber auch 80 Wohnungen.
Zwei der Häuser stehen seit 2000 leer, in Haus Nummer 7 waren noch bis 2018 Wohnungslose untergebracht. Kommunalpolitiker haben schon im letzten Jahr darüber diskutiert, ob die Häuser nicht einer sinnvollen Nutzung zugeführt werden sollen. Konkret heißt das, es sollen Menschen einziehen, die Wohnraum brauchen.
Stadtpolitische Initiativen wie Recht auf Stadt Köln wollten Taten statt Worten sehen. Schon im letzten Jahr hatte der Kölner Mieteraktivist Kalle Gerigk, der durch den Widerstand gegen seine Zwangsräumung bundesweit bekannt wurde, bei der russischen Botschaft wegen des Leerstandes der Gebäude interveniert.
Warum steht das Haus in der Friedrich-Engels-Straße 7 so lange leer? Ab wann werden Menschen dort ein neues Zuhause finden? So lauteten einige der Fragen, auf die Gerigk und andere Mieteraktivisten natürlich von der Botschaft keine Antwort bekommen haben.
„Das Wohnhaus in der Friedrich-Engels-Straße 7 ist in einem erstaunlich guten Zustand. Das wurde uns auch vom Verwalter des Objektes bestätigt. Außerdem verfügt das Haus über eine Sonderausstattung. Im Keller befindet sich eine Basketballhalle und ein Kinosaal“, beschreibt Gerigk gegenüber Telepolis die Beschaffenheit des Gebäudes. Dort könnten sofort Menschen einziehen, die Wohnraum brauchen.
Im letzten Jahr hatten Kölner „Mietrebellen“ mehrmals mit Demonstrationen auf den Leerstand hingewiesen und Abhilfe gefordert. „Der Rat der Stadt Köln bzw. die beauftragte Verwaltung strebt auch weiterhin eine diplomatische Lösung an. Aufgrund der Eigentumsverhältnisse ist nicht mit einer schnellen Veränderung zu rechnen“, so Gerigks Fazit im letzten Jahr.
Häuser bleiben weiter leer
Nun wurden im Zusammenhang mit dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine auch Besitztümer russischer Kapitalisten wie beispielsweise Jachten beschlagnahmt. Wenn aber linke Mieteraktivisten zur Selbsthilfe greifen und Wohnraum im Besitz des russischen Staates an die Menschen geben wollen, die sie brauchen, dann zeigt sich schnell die Funktion des bürgerlichen Staates, das Eigentum zu schützen.
Polizei und Staatsschutz werden gegen die eingesetzt, die den Leerstand beenden wollen, nicht gegen diejenigen, die ihn verursachen. Da ist egal, ob es russische, deutsche oder andere Kapitalisten sind. (Peter Nowak)
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