Der Kölner Verein »Recht auf Stadt« besetzte erneut ein leerstehendes Haus, das im Besitz des russischen Staates ist. Kalle Gerigk ist Mieteraktivist in Köln und Mitbegründer des dort aktiven Vereins Recht auf Stadt. ND sprach mit ihm.

Wohnraum für Geflüchtete und Wohnungslose

»Nieder mit den Waffen, her mit den Schlüsseln«, hieß es auf einem Transparent, das Sie auf einem leerstehenden Gebäude in Köln angebracht haben. Was hat der Krieg in der Ukraine mit dieser Immobilie zu tun?

Es handelt sich um einen Gebäudekomplex mit zwei Bürohäusern und einem Wohnhaus im Besitz der …


… Russischen Föderation. Sie wurden noch zu Sowjetzeiten Mitte der 1970er-Jahre gebaut und in den Jahren nach dem Ost-West-Konflikt von der Handelsvertretung der russischen Botschaft in Bonn genutzt. Deshalb sind zwei der drei Gebäude Büro- und Besprechungsräumen sowie Konferenzsälen vorbehalten. Daneben gibt es aber auch 80 Wohnungen. Zwei der Häuser stehen seit 2000 leer, in Haus Nummer 7 waren noch bis 2018 Wohnungslose untergebracht. Dafür hatte die Stadt einen Nutzungsvertrag geschlossen und auch Geld investiert, damit die Gebäude wohnlich gestaltet werden konnten. Seit vier Jahren steht es jetzt leer. Dabei könnten dort sofort Menschen einziehen.
Gab es bereits früher Aktionen dagegen?
Ja, im Rahmen des »Housing Action Day« wurde das Gebäude im letzten Jahr kurzzeitig besetzt. Im März 2021 war ich vor der Russischen Botschaft in Berlin und wollte einen Brief abgeben, in dem ich Auskunft gefordert habe, warum das Gebäude so lange leersteht und wann dort wieder Menschen einziehen können. Es war aber niemand bereit, den Brief entgegenzunehmen, obwohl ich meinen Besuch per Fax angekündigt habe.
Wer plante die erneute Besetzung?
Es war eine sehr kurzfristige Planung innerhalb einer Woche. International greifen Sanktionen gegen russische Banken und russische Oligarchen. Was ändert sich dadurch in Köln bezüglich der seit Jahren leerstehenden Häuser? Da dachten wir, dass jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen ist, um deutlich zu machen, dass wir den Leerstand nicht mehr hinnehmen. Es hat sich eine kleine Gruppe von Aktivisten zusammengefunden, die dann am Samstagvormittag zur Tat geschritten ist.
Wer sollte dort einziehen?
Wir haben gefordert, dass dort Geflüchtete und Wohnungslose einziehen sollen, egal woher sie kommen. Sehr willkommen sollten auch Deserteure aus allen Ländern sein. Auch aus der Ukraine dürfen Männer über 18 Jahre nicht ausreisen, weil sie gegen die russische Armee kämpfen sollen. Sicher sind dazu aus welchen Gründen auch immer nicht alle bereit. Auch sie sollen unterstützt werden.
Wie lief die Besetzung ab?
Nachdem die Aktivisten die Transparente an die Fassade angebracht hatten, ging die Alarmanlage los. Bis auf eine Person haben alle das Gebäude verlassen. Die Polizei und der Verwalter des Gebäudes waren schnell vor Ort. Nachdem der Verwalter länger telefoniert hatte, händigte er der Polizei den Schlüssel aus. Die traf im Gebäude eine Person an, dessen Personalien aufgenommen wurden. Die anderen hatten sich entschieden, das Gebäude rechtzeitig zu verlassen.
Wie wollen Sie jetzt weitermachen?
Wir werden natürlich beobachteten, ob es für die kontrollierte Person juristische Konsequenzen hat und werden sie solidarisch unterstützen. Daneben interessiert uns auch, wer eigentlich den Befehl zur Räumung gegeben hat und ob es dafür eine juristische Berechtigung gab. Natürlich fordern wir auch weiterhin, dass der Leerstand des Gebäudes endlich beendet wird. Das ist angesichts der vielen Geflüchteten jetzt noch mal besonders dringlich. In Köln müssen ukrainische Mütter mit kleinen Kindern zurzeit in Turnhallen übernachten, während gut erhaltener Wohnraum weiter leer stehen.
Gab es Unterstützung für die Besetzung?
Ja, Vertreter der Linken waren vor Ort und haben sich an einer Kundgebung vor dem Gebäude beteiligt. Wir bekamen viel Zuspruch von Nachbarn, die erklärten, dass der Leerstand beendet werden muss. Die Bezirksgruppe der SPD von Köln-Sülz, dem Stadtteil, in dem das Gebäude liegt, hat die Beschlagnahme schon vor der Besetzung gefordert. Das ermutigt uns, am Thema dran zu bleiben. Es gibt in Köln drei weitere leerstehende Objekte in Besitz der russischen Föderation. Wir kämpfen auch gegen Leerstand vieler anderer Objekte, egal wem sie gehören. Interview: Peter Nowak

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