Auch in der Ukraine und Russland waren antimilitaristische und pazifistische Gruppen vor einer weiteren Eskalation auf allen Seiten. Nur sie werden in allen Ländern kaum gehört

Leise Stimmen gegen Krieg um die Ukraine

Linke und Antimilitaristen in Deutschland sollten im Konflikt mit der Ukraine sowohl Russland als auch die Nato-Staaten in die Kritik nehmen. Und sie sollte gemäß der alten Parole der linken Arbeiter- und Antikriegsbewegung besonders die Rolle Deutschlands ins Visier nahmen, das mit der Maidan-Ukraine wieder einen Staat unterstützt, dessen Protagonisten einen historischen NS-Hintergrund nicht verleugnen können.

„Nie wieder Krieg“, diese Parole findet man aktuell auf manchen Plakaten. Doch sie sind kein Protest gegen die drohende Eskalation um die Ukraine, sondern Werbung für das neuste Album der Diskurs-Popband Tocotronic. Im Titelsong ging es um die Abrüstung zwischen den Menschen, gesellschaftliche Probleme werden heute auch im linksliberalen Kulturbetrieb weitgehend ausgespart. Doch angesichts der weiter fortbestehenden Eskalation um die Ukraine, die mindestens genauso von den USA und der Nato wie von Russland geschürt wird, beginnen nun doch …

… in vielen Städten Proteste der Friedensbewegung, die das Netzwerk Friedenskooperative auf seiner Website aufgelistet hat.

An diesem Samstag wollen auch in Tübingen Kriegsgegner unter dem Motto „Gegen die Siko und das Säbelrasseln gegen Russland“ auf die Straße gehen. Mit der „Siko“ ist die Münchner Sicherheitskonferenz gemeint, die an diesem Wochenende in der bayerischen Hauptstadt tagt. Die alljährlichen Gegenproteste antimilitaristischer Gruppen vor Ort werden durch die aktuelle Eskalation vielleicht größer als gedacht. Am 26. Februar soll auf einer Online-Aktionskonferenzüber weitere Schritte beraten werden.

Warnung vor Eskalation auch in der Ukraine und in Russland

Allerdings ist nicht zu erwarten, dass in den nächsten Tagen, wie Anfang 2003 vor dem Irak-Krieg, Tausende auf die Straße gehen. Noch ist die Beteiligung an Protesten eher gering, wie sich am vergangenen Donnerstag vor dem Brandenburger Tor in Berlin zeigte. Eine sehr geringe zweistellige Zahl von Menschen hatte sich dort eingefunden.

Dabei haben sich die Organisatoren der Kundgebung gegen die Eskalationsstrategie alle beteiligten Staaten gemeint, da Russland mit den Truppenaufmarsch in Grenznähe genauso an der Eskalation beteiligt ist wie die Nato-Staaten mit der Stationierung weiterer Soldaten und Waffen in Osteuropa. Eine Lösung bestünde darin, diese Eskalationsmaßnahmen auf beiden Seiten sofort zu stoppen.

An der Kundgebung beteiligte sich auch die Initiative „Freiheit für Ruslan Kotsaba“, die sich für den christlichen ukrainischen Pazifisten Ruslan Kotsaba einsetzt, der in der Ukraine wegen seiner klaren Antikriegshaltung immer wieder mit Repressalien konfrontiert ist. Er ist allerdings nicht der einzige Pazifist in der betroffenen Region, der den Groll nationalistischer Kräfte auf sich zieht. Dazu muss man nicht einmal erklärter Pazifist sein.

Selbst ein ukrainischer Sportler, der bei den Olympischen Spielen in Beijing einen Russen umarmt und darin nach eigenen Worten eine ganz unpolitische, rein freundschaftliche Geste sieht, gerät in diesen Tagen unter Rechtfertigungsdruck. Die Freundschaft des ukrainischen Freestyle-Ski-Athleten Alexander Abramenko mit seinem russischen Kollegen Ilja Burow wird in der Ukraine skandalisiert, nachdem der Sportminister des Landes aus geopolitischen Gründen Distanz angeordnet hat.

Nicht erst seit der Zuspitzung des Konflikts fordern Pazifisten und Antimilitaristen in Russland und der Ukraine einen Stopp dieser Eskalation auf beiden Seiten. So kritisiert die Ukrainische Pazifistische Bewegung die Kriegsvorbereitungen der Nato-Staaten und der Ukraine und fordert auch Russland zum Ende der Eskalation auf.

Bei einer Protestaktion der Gesellschaft für die Kultur des Friedens in Berlin wurde kürzlich auch die Grußadresse eines ukrainische Pazifisten eingespielt:

Das wunderbare Wort Frieden klingt in der ukrainischen und in der russischen Sprache ähnlich. Sowohl die Menschen in der Ukraine als auch die Menschen in Russland und alle Menschen auf der Welt wollen in Frieden leben und glücklich sein. Leider wurde die Ukraine zu einem Schlachtfeld des neuen Kalten Krieges zwischen den Vereinigten Staaten und Russland.


Aus einem Grußwort

In Russland hat sich die linkssozialistische Russische Sozialistische Bewegung klar gegen die Kriegsvorbereitungen im eigenen Land, aber auch gegen Desinformationskampagnen der USA und der anderen Nato-Staaten ausgesprochen. Im Gegensatz etwa zur sozialpatriotischen Kommunistischen Partei (KPRF) kritisiert sie auch die Außenpolitik Russlands als imperialistisch. Doch diese Stimmen kommen selbst in sich als links verstehenden Medien in Deutschland kaum vor.

Bellizistische Intellektuelle als Kriegstreiber

Stattdessen wird bellizistischen Intellektuellen wie Herta Müller und Swetlana Alexijewitsch mit ihrer Forderung nach Waffenlieferungen an die Ukraine viel Raum gegeben. Das war auch in den Kriegen gegen Jugoslawien und den Irak schon so. Damals meldeten sich die Biermanns und Enzensbergers zu Wort und unterstützten die aggressivsten Kräfte der eigenen Bourgeoisie.

Es ist ein erschreckendes Zeichen, dass nicht nur in der Corona-Krise die Linke, wie der Politologe Joachim Hirsch beklagt, ihre Instrumente der Staatskritik vergessen hat. Auch in der aktuellen Ukraine-Krise erinnert sie sich kaum an Schriften von Marx, Engels und Rosa Luxemburg, die erklären, wie der Kapitalismus immer wieder zu Kriegen führt.

Was wir jetzt am Beispiel der Ukraine ebenso erleben, sind die Kämpfe kapitalistischer Machtblöcke. Statt, dass die Linke hier ihre Instrumente auspackt und die Kriegsvorbereitungen aller Seiten verurteilt, stellt sie sich größtenteils hinter ihre jeweiligen Nationalstaaten und deren Verbündete. Noch in frühen 1990er-Jahren waren einige Linke schlauer, als sie in der Auflösung des Warschauer Paktes nicht etwa eine neue Friedensordnung heraufziehen sahen, wie von Reformlinken aller Couleur verheißen.

Vielmehr warnten sie zum Beispiel in der Monatszeitung konkret vor einer neuen Runde der innerkapitalistischen Auseinandersetzungen und einer Situation wie vor dem Ersten Weltkrieg 1914. Sie sollten Recht behalten, wie die aktuelle Eskalation nicht nur um die Ukraine zeigt, der Hauptkonflikt dreht sich ja um China. Doch auch manche Zeitungen und Zeitschriften, die sich in der Tradition dieser deutschland- und nationalismuskritischen Linken sehen, scheinen heute diese theoretischen Instrumente vergessen zu haben.

Wo bleibt die linke Kritik an der Eskalation im „eigenen“ Land?

So war im Themenschwerpunkt der Wochenzeitung Jungle World zum Ukraine-Konflikt kein einziger Beitrag, dessen Autor die militärische Eskalation der Nato-Staaten für erwähnenswert hält. Schon die Überschrift „Das Imperium kehrt zurück – Russland bedroht die Ukraine“ zeigt, dass hier die offizielle Nato-Doktrin kritiklos übernommen wurde.

Da wird einer Zeitung mit „antideutscher“ Ausrichtung mit keiner Zeile erwähnt, dass sich ein Teil aktuellen Machthaber der Maidan-Ukraine auf nationalistische und antisemitische Strömungen stützt, die schon mit den Nazis kooperierten. Immerhin kam der Politologe Ilya Matvev von der schon erwähnten Russischen Sozialistischen Bewegung mit seiner fundierten Kritik am russischen Nationalismus in einem Interview zu Wort.

Nur in eine Frage gekleidet konnten wir erfahren, dass seine Organisation in einer Erklärung Russland und die USA beschuldigte, Desinformationspolitik zu betreiben. Hieran sollte sich die Linke auch in Deutschland ein Beispiel nehmen. Sie sollte im Konflikt mit der Ukraine sowohl Russland als auch die Nato-Staaten in die Kritik nehmen. Und sie sollte gemäß der alten Parole der linken Arbeiter- und Antikriegsbewegung besonders die Rolle Deutschlands ins Visier nahmen, das mit der Maidan-Ukraine wieder einen Staat unterstützt, dessen Protagonisten einen historischen NS-Hintergrund nicht verleugnen können. (Peter Nowak)