Beim Lieferdienst Gorillas darf ein Betriebsrat gegründet werden. Der Arbeitskampf mobilisiert auch andere prekär Beschäftigte.

Etappensieg der „Rider“

Lange war diese transnationale Arbeiterklasse theoretisch angerufen worden. Am 16. November war sie in Berlin auf der Straße. Das ist der größte Erfolg der Gorillas-Worker. Ein weiterer Erfolg des Arbeitskampfes der Rider besteht darin, dass er andere Belegschaften mobilisiert.

Die Beschäftigten des Lieferdienstes Gorillas erreichten am vergangenen Mittwoch einen juristischen Erfolg: Am 17. November wies das Berliner Arbeitsgericht den Antrag auf eine einstweilige Verfügung des Lebensmittellieferkonzerns Gorillas zurück, mit dem dieser die Wahl eines Betriebsrats verbieten wollte. Zuvor hatte der Konzern …

… eine der Methode des Union-Busting angewandt und die 18 Berliner Warenlager, für die Beschäftigten arbeiten, in eigenständige Unternehmen umgewandelt. Das Gericht lehnte den Antrag des Managements mit der Begründung ab, Gorillas habe keine detaillierten Informationen zu den neuen Betriebsstrukturen vorgelegt.

Auch andere Beschwerden des Gorillas-Managements wies das Gericht zurück. Dazu gehörte die angeblich fehlende Information zur Wahl des Wahlvorstands und die Beschwerde über den Ausschluss einiger leitender Mitarbeiter des Unternehmens von der Wahl.

Doch Gorillas hat die Gerichtsentscheidung angefochten. Auch wenn sie Bestand hat, sollte man den großen Erfolg etwas relativieren, den der Anwalt des Wahlvorstands, Martin Bechert, in der Entscheidung des Arbeitsgerichts sah. Denn das Gericht stellte dem Management anheim, die Betriebsratswahl nachträglich anzufechten. Zudem geht die Umstrukturierung des Unternehmens weiter. So kann es passieren, dass Gorillas-Belegschaft ab 21. November den Betriebsrat für einen Betrieb wählt, den es dann schon nicht mehr gibt.

Viele Sprachen der Beschäftigten

Mehr Hoffnung machte die Demonstration, die am Abend des 16. November durch den Stadtteil Berlin-Kreuzberg zog. Statt der angemeldeten 200 waren mindestens 600 Menschen gekommen. Los ging es vor einem der Gorillas-Wagenlager, das in den letzten Wochen schön öfter im Mittelpunkt des Arbeitskampfes stand. Auch der Endpunkt war ein solches Warenlager.

Nach der mehr als dreistündigen Demonstration hallte die Parole „The Workers United, never devided“ durch den nebligen Herbstabend. In den letzten Wochen, die von vielen kurzen Streiks, Blockaden und Demonstrationen geprägt waren, haben sich viele der aktiven Rider, wie die E-Bike- und Fahrradkuriere meistens genannt werden, politisiert. Sie sehen sich als Teil des prekären Proletariats, wie es in den zahlreichen Reden formuliert wurde, die teils auf Englisch oder Spanisch gehalten wurden.

Denn die Menschen, die sich da versammelt hatten, sprechen in der Regel nicht mehr in erster Linie Deutsch und waren auch nicht überwiegend männlich. Lange war diese transnationale Arbeiterklasse theoretisch angerufen worden. Am 16. November war sie in Berlin auf der Straße. Das ist der größte Erfolg der Gorillas-Worker.

Gorillas-Arbeitskampf mobilisiert

Ein weiterer Erfolg des Arbeitskampfes der Rider besteht darin, dass er andere Belegschaften mobilisiert. „Beschäftigte von Amazon, Taxifahrer und Angestellte verschiedener Lieferdienste wie Lieferando, Foodpanda, Wolt, Getir und Flaschenpost sowie im Warnstreik befindliche GEW-Betriebsgruppen der Schule in der Kölnischen Heide schlossen sich den Protesten an. Für die Bio-Company-Beschäftigte Anai Paz und ihre Kollegen waren die Proteste der Gorillas-Beschäftigten inspirierend“, heißt es in einer Reportage in der jungen Welt.

Dabei spielte es keine Rolle, in welcher Gewerkschaft die Beschäftigten organisiert sind. Die Mitglieder der Basisgewerkschaft Freie Arbeiter-Union (FAU) waren mit ihren Logos nicht zu übersehen. Aber auch Mitglieder verschiedener DGB-Gewerkschaften wie ver.di, NGG und GEW waren mit Transparenten und Schildern vertreten. Die AG Taxi von ver.di Berlin nannte in ihrer Grußadresse an die Gorillas-Belegschaft deren Arbeitsbedingungen „moderne Sklaverei“. Was einmal Fesseln gewesen seien, das seien heute die Smartphones.

Der Soziologe Robin Greef hat in seinen Buch „Riders United“, in dem er die Arbeitskämpfe bei Berliner Essenslieferanten in den letzten Jahren untersucht, die Solidarität der gewerkschaftlich organisierten Taxifahrer mit den Fahrradkurieren als Beispiel einer Solidarisierung unter schwer organisierbaren Lohnabhängigen gewürdigt.

Der Arbeitskampf wird aber nicht nur von solidarischen Beschäftigten und Sozialwissenschaftlern, sondern auch von den Staatsapparaten wahrgenommen. So deckten die Tageszeitungen taz und junge Welt kürzlich auf, dass die Streikversammlungen der Rider seit Juni 2021 von Beamten des Berliner Verfassungsschutzes beobachtet worden waren. Den Staatsorganen ist wohl bewusst, dass dieser Arbeitskampf Ausstrahlungskraft bei den zahlreichen prekär Beschäftigten hat. (Peter Nowak)