Es gibt Erfolge vor dem Landesarbeitsgericht, aber das Union-Busting geht weiter.

GORILLAS WORKERS UNDER ATTACK

Dieses Proletariat, das sich in Berlin versammelt hat, spricht eben in der Regel nicht mehr in erster Linie deutsch und es ist auch nicht mehr überwiegend männlich. Lange wurde diese transnationale Arbeiter*innenklasse mit diversen Geschlechtern oft theoretisch angerufen. Am 16. November war sie in Berlin auf der Straße. Das ist der größte Erfolg der Gorillas-Worker.

Die Gorillas-Beschäftigen erreichten am Dienstag einen juristischen Erfolg: Am 23. November wies das Berliner Arbeitsgericht auch in zweiter Instanz den Antrag auf eine einstweilige Verfügung des Lebensmittellieferkonzerns Gorillas zurück, mit dem dieser die Wahl eines Betriebsrates verbieten wollte. Zuvor hatte der Konzern eine der bekannten Methoden des Union-Busting angewandt und die 18 Berliner Warenlager, für die die Beschäftigten arbeiten, in eigenständige Unternehmen umgewandelt. Das Gericht folge dem Antrag des Managements nicht, weil Gorillas keine genauen Informationen zu den neuen Betriebsstrukturen vorlegte. Auch andere Beschwerden des Gorillas-Managements wies das Gericht zurück. Dazu gehört der …

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Beim Lieferdienst Gorillas darf ein Betriebsrat gegründet werden. Der Arbeitskampf mobilisiert auch andere prekär Beschäftigte.

Etappensieg der „Rider“

Lange war diese transnationale Arbeiterklasse theoretisch angerufen worden. Am 16. November war sie in Berlin auf der Straße. Das ist der größte Erfolg der Gorillas-Worker. Ein weiterer Erfolg des Arbeitskampfes der Rider besteht darin, dass er andere Belegschaften mobilisiert.

Die Beschäftigten des Lieferdienstes Gorillas erreichten am vergangenen Mittwoch einen juristischen Erfolg: Am 17. November wies das Berliner Arbeitsgericht den Antrag auf eine einstweilige Verfügung des Lebensmittellieferkonzerns Gorillas zurück, mit dem dieser die Wahl eines Betriebsrats verbieten wollte. Zuvor hatte der Konzern …

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Über die kämpferischen Strategien der Rider*innen bei Gorillas.

STREIK ALS ARBEITSKAMPF

Wenn Gorillas damit wirbt, dass es bei ihnen keine 10 Minuten dauert, bis eine Lieferung ausgeliefert wird, kontern die Rider*innen, dass ihre Organisierung mindestens genauso schnell geht. Ihr Kampf stellt das Geschäftsmodell von Gorillas in Frage, das auf der Ausbeutung billiger und flexibler Arbeitskräfte beruht.

“Die Gorilla-Riders motzen die deutsche Streikkultur auf“, schrieb die Journalistin und soziale Aktivistin Nina Scholz kürzlich in einem Kommentar in der Wochenzeitung Freitag. Sie erinnerte mit Recht daran, dass sich die Beschäftigten des Lieferdienstes Gorillas nicht nur …

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Gorillas-Rider berichten über ihre Prozesse am Arbeitsgericht

Management „spielt auf Zeit“

Dabei werden die Beschäftigten auch von Ridern aus anderen Firmen unterstützt. So hatte sich Flou von der Firma cyclelogistics zum Prozessbesuch am Montag extra freigenommen. In dem Unternehmen hatte ein Beschäftigter in der letzten Woche einen Prozess gewonnen. Er war als Betriebsrat gekündigt worden. Beim solidarischen Prozessbesuch waren auch Gorillas-Rider dabei.

„Gorillas-Rider kämpfen weiter“ steht auf dem Transparent, das einige FahrradkurierInnen an den Zaun einer Grünlage gegenüber dem Berliner Arbeitsgericht in der Magdeburger Straße aufgehängt haben. Zuvor waren am Montagmorgen im Arbeitsgericht zwei weitere Güteverhandlungen ohne Ergebnis zu Ende gegangen. Wie bei mehreren Verhandlungen in den letzten Wochen klagen die Rider auf …

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Ein Beschäftigter der Humboldt-Uni wird nach einer Streikaktion nicht wieder eingestellt. Vor Gericht scheiterte er – und will nun in Berufung gehen.

Gestreikt und plötzlich arbeitslos

Mit Unterstützung von Verdi will W. nach seiner Niederlage in der ersten Instanz weiter klagen. Dabei wird er von verschiedenen Ge­werk­schaf­te­r*in­nen unterstützt, die im Solikomitee Mo bleibt zusammenarbeiten. Beim Prozesstermin wollten nicht nur Mitglieder der beiden DGB-Gewerkschaften Verdi und der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG), sondern auch Angehörige der Basisgewerkschaft Freie Arbeiter Union (FAU) ihre Solidarität zeigen.


Im Sommer 2018 bewegte der Streik der Studentischen Beschäftigten die Berliner Hochschulen. Die Nachwirkungen bewegen noch immer das Berliner Arbeitsgericht. Es wies die Klage eines IT-Beschäftigten an der Berliner Humboldt-Universität (HU) ab. Der ehemalige Personalrat und Gewerkschafter Moritz W., der seinen vollständigen Namen nicht veröffentlichen will, klagte gegen die Hochschule, weil die mit Verweis auf seine Streikaktivitäten eine erneute Anstellung im IT-Bereich verweigerte. Der Hintergrund: W. hatte 2018 mit …

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Ein Nachruf auf den engagierten Erwerbslosenaktivisten

GERD THOMAS GABLER – SITUATIONIST UND ERWERBSLOSENAKTIVIST

Gerd Thomas Gabler war immer wieder erwerbslos und lernte damit Erniedrigung und Reglementierung auf den Ämtern bereits vor der Einführung des Hartz-IV-Regimes kennen. Doch er wehrte sich und zeigte, dass man sich auch als Erwerbslose*r organisieren kann. Zudem widmete er sich der Bildungsarbeit von Prekären und Erwerbslosen.

Ca. 30 Menschen trotzten auf den Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin dem kräftigen Landregen. Nachdem sie Nelken auf die Urne gelegt hatten, gedachten sie schweigend dem Verstorbenen. „Gerd Thomas Gabler 1951- 2021“ stand auf der Tafel an der Urne. „Dauerregen bei seiner Beerdigung, wie 1936 bei der Bestattung des spanischen Anarchisten Durruti, das hätte Gerd gefallen“, sagte ein junger Mann aus der Trauergemeinde. Über der Gruppe wehte die …

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Eine Trauerfeier erinnert an den linken Aktivisten Thomas Gerd Gabler

Im Sinne des Anarchisten Durruti

Es war anscheinend die geringe Resonanz der linken Kulturarbeit, die Gerd Gabler veranlasste, sich der Bildungsarbeit von Prekären und Erwerbslosen zu widmen. Nach seiner Beerdigung tranken die Freund*innen von Thomas Gabler alias Gerd Wein aus einer Karaffe, die sich der Verstorbene Mitte der 1990er Jahre von dem anarchistischen Schriftsteller und Kupferschmied Georg K. Glaser in Paris nach der Form seiner rechten Hand anfertigen ließ

»Dauerregen wie 1936 bei der Bestattung des spanischen Anarchisten Durruti. Das hätte Gerd gefallen«, sagt ein junger Mann aus der Trauergemeinde. Neben ihm trotzen am Mittwochnachmittag knapp 30 weitere Menschen auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof dem ungemütlichen Wetter. Schweigend stehen sie im Kreis, nachdem der Bestatter an der Urne die Tafel zu den Angaben des Toten befestigt hat: »Gerd Thomas Gabler 1951–2021«. Über der Gruppe weht die schwarz-rote Fahne, das Symbol des Anarchosyndikalismus. Viele der Trauernden hatten Gerd Gabler in verschiedenen linken Zusammenhängen …

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In Berlin hat sich in der Corona-Krise ein Sozialbündnis gegründet, das den Kampf für eine solidarische Gesellschaft in den Mittelpunkt stellt.

SOLIDARITÄT IST MEHR ALS HÄNDEWASCHEN

Besonders stark vertreten im Bündnis ist der Stadtteil Wedding, in dem es bereits seit Jahren eine starke soziale Organisierung gibt. Neben der Stadtteilorganisation Hände weg vom Wedding (HwvW) haben auch das nach einer Anarchistin benannte Kiezhaus Agnes Reinhold und die Erwerbsloseninitiative Basta den Aufruf unterzeichnet.

In den ersten Wochen nach dem Beginn der Corona-Krise war in den Abendstunden häufig Applaus zu hören. Menschen standen auf den Balkonen, die denen Beifall spendeten, die in Kliniken und Supermärkten ihrer Lohnarbeit nachgehen mussten. Schon bald gab es Kritik, vor allem, weil diese Menschen zu Held*innen des Alltags erklärt werden, obwohl sie oft….

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Prekär, aber glücklich

Neue Formen der Arbeit erschweren die Durchsetzung von Rechten

Gewerkschaftlich organisierte Fahrradkuriere aus Italien und Spanien trafen sich am Wochenende im Rahmen der von der Rosa-Luxemburg-Stiftung und dem Projekttutorium »Arbeitskämpfe im digitalen Kapitalismus« organisierten Tagung »Neue Arbeit, neue Widerstände?« in Berlin. Diese drehte sich darum, was das Besondere am digitalen Kapitalismus ist und wie sich Widerstand organisieren lässt. Der Soziologe Christian Meyer setzte sich in seinen Vortrag kritisch mit dem Industrie 4.0-Diskurs auseinander. Es gehe dabei vor allem darum, konkurrenzfähig zu bleiben und unter dem Stichwort Flexibilisierung Lohnkosten zu senken und Arbeitsrechte zu schleifen.

Doch welche Folgen haben die Veränderung in der digitalen Arbeitswelt auf die Organisationsbereitschaft der Beschäftigten? Christian Hörner stellte auf der Tagung Ergebnisse der Prekaritätsforschung an der Berliner Humboldt-Universität vor. Viele der jüngeren Befragten hätten sich als prekär, aber glücklich bezeichnet. Für die Ursache der prekären Arbeits- und Lebensverhältnisse werde vielfach nicht der Kapitalismus, sondern die Globalisierung verantwortlich gemacht. Aus dem Publikum wurde hier ein Einfallstor für eine Sehnsucht nach einem Kapitalismus ohne Globalisierung gesehen, wie er von US-Präsident Donald Trump und anderen Rechten vertreten wird. Der Soziologe Walid Ibrahim von der Universität Jena berichtete von den Problemen, die vor allem ältere Lohnabhängige mit dem Anforderungen des digitalen Kapitalismus haben. Insgesamt wurde auf der gut besuchten Tagung deutlich, dass die neuen Formen der Arbeit auf verschärfter Ausbeutung basieren und dass Beschäftigte Mittel und Wege suchen, sich dagegen zu wehren.

Oriol Alfambras von der Initiative Riders X Derechos schilderte, wie sich die Kuriere in Italien zu organisieren begannen und mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen schnell Aufmerksamkeit bekamen. Für sie sind nicht die traditionellen Gewerkschaften, sondern kleine Basisgewerkschaften der bevorzugte Ansprechpartner, da sie als weniger bürokratisch und hierarchisch gelten. Die Proteste der italienischen Kuriere fanden auch in anderen Ländern Nachahmer. In Berlin organisiert die Freie Arbeiter Union (FAU) die jungen Fahrradkuriere. Der ver.di-Gewerkschaftssekretär Detlef Conrad, der im Landesverband für die Logistikbranche zuständig ist, bezweifelte gegenüber »nd«, dass die jungen flexiblen Lieferdienstmitarbeiter zu dauerhafter Organisierung bereit sind. »Für viele ist es zudem nur ein Zweitjob neben dem Studium«, gibt er zu bedenken. Valentin Dormann von der FAU sieht gerade in der Organisierung dieser Beschäftigten eine Perspektive für kämpferische kleine Gewerkschaften.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1058762.prekaer-aber-gluecklich.html

Peter Nowak

Mit alten Rädern zum Erfolg

RADKURIERE Foodora verspricht Fahrern Pauschale für Smartphone und Rad

Über schlechte Arbeitsbedingungen klagen die Fahrradkuriere vieler Essenlieferdienste seit Langem. Um ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern,schlossen sich einige mit Unterstützung der Basisgewerkschaft Freie Arbeiter Union (FAU) zur Deliverunion zusammen. Im April übergab die FAU den beiden Unternehmen einen
von FahrerInnen von Deliveroo und Foodora erarbeiteten Forderungskatalog. Er enthält die Forderung nach Erhöhung der Entgelte um 1 Euro pro Stunde und Zustellung, nach Übernahme der Arbeitsmittelkosten und
einer garantierten Mindestzahl von Arbeitsstunden. Am Mittwochnachmittag luden Beschäftigte vor der Deliveroo-Zentrale in Kreuzberg alte Fahrradteile ab, um auf den hohen Verschleiß ihres Arbeitsgeräts
hinzuweisen, dessen Kosten sie bisher selbst tragen müssen. Die anschließende Fahrraddemo führte zur Foodora-Zentrale in Mitte, wo die Abschlusskundgebung stattfand. Das Unternehmen signalisierte gegenüber
der FAU Gesprächsbereitschaft und führte eine Pauschale für die Kosten von Smartphone und Fahrrädern ein. Die Deliverunion will künftig mehr Druck machen, um ihrer Forderungendurchzusetzen.

TAZ, DONNERSTAG, 29. JUNI 2017
Peter Nowak

Im prekären Sektor gibt es eine Alternative zum DGB

Betr.: «Auf absehbare Zeit gibt es keine Alternative zu den DGB-Gewerkschaften», von Jakob Schäfer in SoZ Mai 2016

Es ist erfreulich, dass die SoZ eine Debatte über die linke Bewegung und Gewerkschaften initiiert hat. Schließlich wächst auch in Teilen der außerparlamentarischen Linken die Erkenntnis, dass Gewerkschaften für eine Transformation der Gesellschaft unverzichtbar sind.

Ein Teil vor allem der postautonomen Linken arbeitet in unterschiedlichen DGB-Gewerkschaften mit. Weil ein Großteil der außerparlamentarisch Aktiven im Bildungs-, Erziehungs-, Gesundheits- und Pflegebereich arbeitet, konzentriert sich ihr gewerkschaftliches Engagement auf die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di und die GEW. Mittlerweile setzt ein Teil davon die durch das politische Engagement erworbenen Kenntnisse beruflich als Organizer in Gewerkschaften ein. Vereinzelt gibt es auch schon hauptberufliche Gewerkschaftssekretäre aus der außerparlamentarischen Linken.

Ein anderer Teil der an gewerkschaftlichen Aktivitäten interessierten außerparlamentarischen Linken sieht hingegen diese Mitarbeit in DGB-Gewerkschaften kritisch. Sie verweist auf Erfahrungen aus der Gewerkschaftsgeschichte, wo immer wieder Impulse aus kritischen Bewegungen in die Gewerkschaftsapparate integriert wurden und wenige Konsequenzen für eine kämpferische Gewerkschaftspolitik hatten. Diese Widersprüche hat Jakob Schäfer in seinem Diskussionsbeitrag gut benannt.

«Auf der einen Seite sind sie Schutzmacht gegen die schrankenlose Herrschaft des Kapitals, indem sie der Unterbietungskonkurrenz von Belegschaften einen Riegel vorschieben, vor allem durch Tarifverträge, nach Möglichkeit landesweit. Zum anderen sind sie auch Ordnungsmacht, weil sie auch ein Element des Kapitalverhältnisses sind (mindestens dann, wenn Tarifverträge abgeschlossen sind), auch unabhängig von einer Politik der Klassenversöhnung (die allerdings für fast alle Gewerkschaften, auch außerhalb des DGB, die Regel ist).»

Diesen Ausführungen könnte ich zustimmen, wenn der Halbsatz in der Klammer nicht wäre. Es stimmt eben nicht, dass die Politik der Klassenversöhnung für fast alle Gewerkschaften außerhalb des DGB gilt. Für die meisten Spartengewerkschaften, wie den Marburger Bund oder die Gewerkschaft Cockpit trifft das sicher zu. Ihr manchmal verbalradikaler Ton bei der Durchsetzung von Forderungen für meist kampfstarke Segmente der Lohnabhängigen darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie keinerlei gesellschaftskritisches Konzept haben und selbst den Gedanken der Solidarität unterschiedlicher Segmente der Lohnabhängigen, der auch in den DGB-Gewerkschaften meistens Lippenbekenntnis bleibt, nicht einmal dem Anspruch nach verwirklichen wollen.

Anders sieht es bei den Basisgewerkschaften aus, die die in den letzten Jahren in vielen europäischen Ländern an Bedeutung gewonnen haben. In Deutschland ist hier neben den Industrial Workers of the World (IWW), die in einigen Städten Organisationsversuche unternehmen, die Freie Arbeiter-Union (FAU) zu nennen. Ihr ist es in den letzten Jahren gelungen, den Status einer anarchistischen Gruppe mit Gewerkschaftsanspruch abzulegen. Die SoZ gehörte zu den wenigen linken Zeitungen, die über den Arbeitskampf im Berliner Kino Babylon berichtet hat. Er hat dazu beigetragen, dass die FAU als Basisgewerkschaft wahrgenommen wird.

Ein aktueller Arbeitskampf, der von der FAU getragen wird, ist der Kampf der rumänischen Bauarbeiter bei der Mall of Berlin, die seit nun mehr fast zwei Jahren um ihren Lohn kämpfen. Die Auseinandersetzung macht die großen Probleme deutlich, die das Beschreiten des Rechtswegs für die Betroffenen bedeutet. Die Bosse gehen notfalls durch alle Instanzen und geben lieber viel Geld für Gerichtskosten aus, als dass sie die ausstehenden Löhne bezahlen. Wenn sie dann in allen Instanzen zu Zahlungen verurteilt wurden, melden die Subunternehmen Insolvenz an.

Am Beispiel der Mall of Berlin zeigt sich auch, dass eine DGB-Gewerkschaft für die Bauarbeiter keine Option gewesen wäre. Sie waren schließlich zuvor bei einer Beratungsstelle unter dem Dach des DGB. Dort wurde ihnen gesagt, dass sie einen Bruchteil ihrer Ansprüche erstattet bekämen, wenn sie auf alle weiteren Rechte verzichteten. Diejenigen Bauarbeiter, die das ablehnten, wandten sich danach an die FAU. Erst dadurch wurde die Kampagne der letzten beiden Jahre möglich; sie richtet auch über die Mall of Berlin hinaus den Fokus darauf, dass Lohnbetrug und Überausbeutung zum alltäglichen Geschäftsmodell im Kapitalismus gehören.

So wie die Bauarbeiter bei der Mall of Berlin haben sich auch viele andere Lohnabhängige vor allem im prekären Bereich zunächst vergeblich an eine DGB-Gewerkschaft gewandt, bevor sie dann in und mit der FAU für ihre Rechte kämpften – etwa Beschäftigte aus der Serviceabteilung der Heinrich-Böll-Stiftung, oder ein Mitarbeiter eines Spätkaufs in Berlin, der mehrere Jahre als eine Art Geschäftsführer auf Hartz-IV-Basis gearbeitet hat. In Jena haben Beschäftigte eines universitären Call-Centers mit der FAU einen Arbeitskampf begonnen.

Oft waren die Betriebe so klein, dass sie gar nicht ins Konzept des DGB gepasst hätten. Nun breiten sich solche prekären Arbeitsverhältnisse immer weiter aus. Lange Zeit galten diese Bereiche als für Gewerkschaften verloren. Die FAU hat in einigen Fällen gezeigt, dass auch hier Arbeitskämpfe möglich sind. Bärbel Schönafinger hat in dem Film Die Angst wegschmeißen am Beispiel des Arbeitskampfzyklus in der norditalienischen Logistikbranche gezeigt, was möglich ist, wenn eine Gruppe kampfentschlossener Beschäftigter auf eine Basisgewerkschaft stoßen, die den Kampf mit ihnen führen will. In diesem Fall waren es die Sin Cobas.

Von solchen Verhältnissen sind wir in Deutschland noch weit entfernt. Aber auch hier spielt die Musik eben nicht mehr nur in den fordistischen Großbetrieben, wo die DGB-Gewerkschaften noch die Hegemonie haben, auf die Schäfer in seinem Beitrag verweist. Vor allem im prekären Sektor haben sich auch in Deutschland basisgewerkschaftliche Ansätze als kampf- und streikfähig erwiesen und damit bewiesen, dass sie dort eine Alternative zum DGB sein können.

Im prekären Sektor gibt es eine Alternative zum DGB

von Peter Nowak*

* Der Autor hat im letzten Jahr im Verlag Edition Assemblage das Buch «Ein Streik steht, wenn mensch ihn selber macht. Arbeitskämpfe nach dem Ende der großen Fabriken» herausgegeben (112 S., 7,80 Euro).