Der AfD-Professor Reiner Osbild will seine frühere Studentin Bjeen Alhassan zum Schweigen bringen

Diskriminierung an der Hochschule

Die Integrationspreisträgerin Bjeen Alhassan wirft ihrem früheren Professor Reiner Osbild, der in der AfD aktiv ist, vor, dass er sie bei ihrer Masterarbeit auflaufen ließ. Das führte zu einem Rechtsstreit.

Bjeen Alhassan wurde im kurdischen Rojava geboren und lebt seit 2014 in Deutschland. Für ihr Engagement für Frauen aus Syrien hat sie 2020 den Nationalen Integrationspreis der Bundesregierung bekommen. Sie wurde für ihre Facebook-Gruppe »Lernen mit Bijin« ausgezeichnet, in der sie praktische Tipps an geflüchtete Frauen in Deutschland weitergibt. Alhassan arbeitet mittlerweile bei der Hamburger Koordinierungsstelle Weiterbildung und Beschäftigung e. V. Auch in ihrem Studium setzte sich Alhassan für die Selbstermächtigung von Migrant*innen ein. Sie studierte Business-Management an der Hochschule Emden. Für ihre Masterarbeit erstellte sie eine Art Online-Training, mit dem Hochqualifizierte aus Deutschland Geflüchteten aus Syrien ihr Wissen digital weitergeben. Diese Arbeit war von Professor Reiner Osbild begleitet worden, der damals auch Vorsitzender der Emdener AfD war. Alhassan waren diese politischen Aktivitäten ihres Professors bekannt. Sie hielt sie aber für unproblematisch, nachdem Osbild ihr im Gespräch versicherte, dass für ihn bei wissenschaftlichen Arbeiten politische Meinungen nicht relevant seien. »Ich war da irgendwie ein bisschen naiv«, sagt Alhassan. Im Rückblick hat sie den Eindruck, dass Osbild sie …

… bei ihrer Masterarbeit auflaufen ließ. Erst zwei Tage vor dem Kolloquium habe er ihr gesagt, welche wichtigen Themen sie bei ihrer Arbeit nicht berücksichtigt habe. Das schlug sich auch in der Benotung nieder. Nach Aussage von Alhassan habe ihr der Professor ein Ultimatum gesetzt: Entweder sie nehme die 4.0 oder sie falle durch. Die Frau entschied sich letztlich für die 4.0. Alhassan sprach in einem Interview mit der »Taz« über diese Situation, die sie als Diskriminierungserfahrung an der Hochschule beschreibt. Auch gegenüber dem NDR äußerte sie sich kritisch über ihre Erfahrungen mit Osbild. Das führte zu einer juristischen Auseinandersetzung mit dem Professor. Er sieht seine Persönlichkeitsrechte durch die kritischen Berichte verletzt und klagte beim Hamburger Landgericht auf Unterlassung. Alhassan versuche, das schlechte Ergebnis ihrer Masterarbeit zu rechtfertigen, indem sie dem Professor Rassismus unterstelle, so Osbilds Anwalt.
Alhassans Rechtsanwalt David Werdermann weist den Anspruch auf Unterlassung zurück. Er bezeichnet Abmahnungen, bei denen es häufig um einen Streitwert von mehreren Zehntausend Euro geht, als »Strategie von AfD-Politiker*innen«. Feministinnen weisen darauf hin, dass sich solche Klagen von rechts oft gegen aktive Frauen richten. Man versuche, sie aus der Öffentlichkeit zu drängen. Unterstützung bekommt Alhassan vom Freien Zusammenschluss von Student*innenschaften (FZS) und vom Bundesverband ausländischer Studierender (BAS). »Das Publikmachen von Diskriminierungserfahrungen muss möglich sein und darf nicht mit Repressionen bestraft werden«, betont FZS-Vorstandsmitglied Marie Müller. Alhassan sei kein Einzelfall. Sie ist durch ihre Auszeichnung in der Öffentlichkeit bekannt und hatte den Mut, ihre Diskriminierungserfahrungen an der Universität öffentlich zu machen.
Beide studentischen Organisationen kritisieren die Universität Emden, dass sie sich bisher nicht eindeutig auf die Seite der Betroffenen gestellt hat. »Wir fordern die Hochschulleitung dazu auf, klar zu dem Fall von Bjeen Alhassan Stellung zu beziehen und solidarisch die Prozesskosten mitzutragen, die für sie anfallen«, heißt es in der Presseerklärung von FZS und BAS.

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