Linke Gruppen fordern in Berlin Hilfe für die Geflüchteten an der Grenze zwischen Polen und Belarus

„Tote werden in Kauf genommen“

In Berlin wollten Menschen ein Zeichen setzen und forderten eine humanitäre Flüchtlingspolitik. Ihr Appell richtet sich auch an die EU, die skrupellos versucht, ihre Außengrenzen abzuschotten.

Um Europa keine Mauer«, rufen Demonstrierende, die sich am nebligen Sonntagnachmittag vor dem Brandenburger Tor in Berlin versammelt haben. Es sind mindestens 2000 Menschen gekommen. Viele haben Transparente dabei, mit denen sie eine Grenzöffnung zwischen Polen und Belarus fordern. Dort harren noch immer Tausende Migrant*innen in der kalten Witterung aus, während sich die Politiker*innen aus Polen, aber aus anderen westlichen Ländern mit dem belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko streiten.
Leidtragende sind die Geflüchteten, die ihrem Schicksal überlassen sind. Auf der Demonstration werden große Decken mitgeführt, als Symbol für die Notsituation, in der sich die Menschen an der östlichen EU-Grenze seit Wochen befinden. In den letzten Tagen haben deswegen Menschenrechtsgruppen Alarm geschlagen. Der Leiter der Europa-Abteilung von Pro-Asyl, Karl Kopp, geht von mittlerweile mindestens …

… zehn dokumentieren Todesfällen aus. Einige sind an Erfrierungen, andere an Dehydrierung gestorben. Kopp verweist auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs, das schon im August 2021 der Klage einer afghanischen Familie stattgegeben und die polnische Regierung zu humanitärer Hilfe verpflichtet hat. Trotzdem geht das Leiden an der östlichen EU-Außengrenze weiter.
Dagegen regt sich nun auch in Deutschland mehr und mehr Protest vor allem von linken Gruppen. Unter dem Motto »Grenzen auf« haben zahlreiche antirassistische Gruppen zu der Demonstration in der Mitte Berlins aufgerufen. Zu den Organisator*innen gehören das Aktionsbündnis Antirassismus, Seebrücke Berlin, Migrantifa, We’ll Come United Berlin und Brandenburg, aber auch die Interventionistische Linke. Aus Brandenburg rief die Initiative Barnim für alle zu der Demonstration auf. »Wir fordern die Bundesregierung auf, den Menschen die Möglichkeit zu geben, in Deutschland anzukommen und zu bleiben«, heißt es in dem Aufruf.
Den häufig gehörten Vorwurf, man würde dem autoritären Präsidenten Lukaschenko in die Hände spielen,wenn man die Geflüchteten an der belarussischen Grenze aufnähme, lässt Demomitorganisator Rani Abi-Haidar im Gespräch mit dem »nd« nicht gelten. »Zunächst ist es ein Problem der EU, dass sie Geflüchtete mit allen Mitteln von ihrem Territorium fernhalten will und dafür auch Verletzte und Tote in Kauf nimmt. Diese harte Haltung gibt Lukaschenko die Möglichkeit, sich als Beschützer der Geflüchteten aufzuspielen«, erklärt der Aktivist. Er weist auch die gängige Erzählung zurück, dass es bei Migrationsbewegung an der belarussischen Grenze lediglich um eine Manipulation Lukaschenkos geht. Abi-Haidar erinnert daran, dass mehrere Geflüchtete betont hätten, dass sie nicht von Belarus gesteuert würden. Selbst wenn der belarussische Präsident aus durchsichtigen Gründen den Migrant*innen Flüge nach Belarus ermögliche, seien die Menschen keine Statist*innen. »Sie wollen ihre Länder verlassen und suchen einen Weg in die EU«, sagt Abu Haidar. »Lasst sie rein«, rufen die Demonstrant*innen vor dem Gebäude des Bundesaußenministeriums.
Wenn es auch aktuell bei den Protesten um die Geflüchteten gehe, die an der Grenze zu Belarus festsitzen, so betont Abi-Haidar, dass mit der Demonstration zugleich die Abschottungspolitik der EU an allen Grenzen verurteilt werde. Er erinnert daran, dass immer wieder Migrant*innen bei der Flucht über das Mittelmeer ums Leben kommen. Auf der Demonstration wurde auch kritisiert, dass nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan die Aufnahme von Ortskräften der Bundeswehr und weitere gefährdete Personen in die Bundesrepublik bislang nur schleppend verläuft. Gegen diese Politik der Flüchtlingsabwehr skandieren die Demonstrierenden: »Nehmt die Menschen auf. Wir haben Platz!« Peter Nowak

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