In diesen Tagen wird nach mehreren Studien über das politische Bewusstsein von Studierenden diskutiert
Studentinnen und Studenten in Deutschland erwarten von ihrem Studium, dass es ihnen einen sicheren, interessanten Arbeitsplatz ermöglicht. Das ist ein Ergebnis des 12. Studierendensurveys, der unter der Oberüberschrift „Studenten so zufrieden wie noch nie“ [1] veröffentlicht wurde.
Zwischen den beiden Aussagen müsste es eigentlich einen Widerspruch geben. Einen sicheren und interessanten Arbeitsplatz wünschen sich wohl nicht nur Studierende schon immer. Nur warum sollen sie dann auch zufrieden wie nie sein? Seit einigen Jahrzehnten ist bekannt, dass ein Studium eben nicht mehr ein Ticket für einen sicheren und interessanten Arbeitsplatz ist. Viel öfter ist ein Studium ein Einstieg in schlecht oder gar nicht bezahlte Praktika, in Arbeitsstress und prekäre Beschäftigungsverhältnisse.
Würden es die Befragten ernst mit ihren Wunsch nach einem sicheren und interessanten Arbeitsplatz meinen, müssten sie sich organisieren und dafür kämpfen. Oder sie versagen sich diesen Wunsch und verbuchen das als Opfer für den Standort. Dann werden sie an Widerstand nicht denken, sondern alles tun, um sich den vermeintlichen Sachzwängen zu beugen und andere, die das nicht wollen oder können, um so unnachgiebiger sanktionieren. Schließlich soll es den anderen nicht besser gehen, wenn man sich schon selber seine Wünsche versagt. Die Studierenden wären dann völlig zufrieden mit den Verhältnissen, weil sie sich Widerstand gegen herrschende Verhältnisse gar nicht denken können.
Genau diese Lesart ist nach der Studie dominant. So zeigt die aktuelle Befragung einen Rückgang des allgemeinen politischen Interesses. Stuften 2001 noch 45 Prozent ihr politisches Interesse als sehr stark ein, taten dies 2013 nur 32 Prozent. Auch studentische Politik an der eigenen Hochschule interessiert nur ein Drittel der Studierenden. Diese Ergebnisse motivierten Bundesbildungsministerin Wanke zu einem Appell [2]an die Studierenden, sich politisch zu engagieren. Das ist ja sonst vor allem vor Wahlen zu Hochschulgremien das Geschäft der wenigen linken Studierendenaktivisten.
Wie sich der fzs die Studierenden schön redet
Daher müsste sich eigentlich der freie zusammenschluss der Studierendenschaften [3], in dem seit einigen Jahren die Reformlinken dominieren, über die ministerielle Unterstützung freuen. Doch im Gegenteil sieht der fzs durch die Studie und die daran anschließenden Diskussionen eher die Kommilitonen herabgewürdigt und übt sich im Schön-Reden. „Es gab noch nie so viel politisches Bewusstsein unter Studierenden wie heute“, sagt [4] Sandro Philippi, Vorstandsmitglied im fzs. „Die jungen Leute gehen vielleicht nicht in Parteien, aber sie machen sich Gedanken über Geschlechterverhältnisse und gendern Sprache.“
„Es gab noch nie so viel studentisches Bewusstsein wie heute“, wird ein fzs-Mitglied in der Presse zitiert. Die jungen Leute würden sich heute „Gedanken über Geschlechterverhältnisse und Gender-Sprache“ machen, so fzs-Mitglied Sandro Philippi.
Auf den Gedanken, dass solche ritualisierten Diskursspielchen längst nicht mehr den Anspruch haben, die Gesellschaft zu verändern, sondern vielleicht eher zu stabilisieren, kommt Philippi nicht. Dabei stärkt sein Befund eher denen den Rücken, die schon immer der Meinung waren, dass hinter der zunehmend gegenderten Sprache die Tatsache einer unvernünftig eingerichteten Welt nur besser verschleiert werden kann.
Todesstrafe findet bei Jurastudierenden wieder mehr Anhänger
Dieser Tage sorgte auch eine Studie für Aufmerksamkeit, die sich mit den gesellschaftlichen Vorstellungen von Jurastudierenden in unseren Tagen befasst. Die Ergebnisse der vom Institut für Strafrecht und Kriminologie [5] an der Friedrich-Alexander Universität Erlangen durchgeführten Studie [6]sind nur auf den ersten Blick erstaunlich.
Danach werden härtere Strafen gefordert, sogar die verfassungsrechtlich tabuisierte Todesstrafe findet vermehrt Anhänger. Hingegen sind Vorstellungen der Resozialisierung von Delinquenten bei vielen Jurastudierenden verpönt. Gar so überraschend ist das Ergebnis dann nicht, wenn man sie mit der Studie zum politischen Engagement von Studierenden in Verbindung bringt. Wer sich seine Wünsche nach einem interessanten und gut bezahlten Ausbildungsplatz versagt, an Protest, der dafür notwendig wäre, gar nicht denken kann, fordert schneller autoritäre Maßnahmen gegen alle Formen von Abweichungen und Delinquenz in der Gesellschaft.
Da auch eine Zustimmung zu autoritären Modellen eine politische Positionierung ist, könnte sichSandro Philippi auch in den Ergebnissen dieser Studie bestätigt sehen. Politisches Bewusstsein sollte man auch einem Todesstrafenbefürworter nicht absprechen. Vielleicht interessiert er oder sie sich auch für Geschlechterfragen. Dann könnte man künftig den Todesurteilen oder den harten Strafen zumindest zugutehalten, dass sie korrekt gegendert sind.
http://www.heise.de/tp/news/Studenten-Politisches-Desinteresse-und-mehr-Zustimmung-fuer-die-Todesstrafe-
Peter Nowak
Links:
[1]
http://www.bmbf.de/de/25020.php
[2]
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Interview/2014/11/2014-11-03-wanka-rp.html
[3]
http://www.fzs.de/presse/index.html
[4]
http://www.taz.de/Unpolitische-Studierende/!148871/
[5]
http://www.fk.rw.uni-erlangen.de/
[6]
http://www.jurablogs.com/2014/10/14/jurastudierende-wuenschen-sich-todesstrafe-zurueck