Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ist ein persönlicher Erfolg für Rolf Gössner, aber es stellt die Verfolgung von Linken nicht infrage

38 Jahre unrechtmäßig bespitzelt und überwacht

Auf die problematischen Teile des Urteils geht auch Anwalt Kauß in der Erklärung ein. So sieht das Gericht den Tatbestand des "nachdrücklichen Unterstützens" einer verfassungsfeindlichen Organisation durch Menschen, die ihr gar nicht angehören, schon dann als erfüllt, wenn durch einen Vortrag eines Außenstehenden in einer Veranstaltung einer als "verfassungsfeindlich" geltenden Organisation oder durch Artikel und Interviews eines Außenstehenden in einem Presseorgan einer solchen Vereinigung diese "aus objektiver Sicht" aufgewertet wird.

Wer die Homepage des Juristen und Publizisten Ralf Gössner anklickt, findet dort eine umfangreiche Dokumentation seiner jahrzehntelangen menschenrechtlichen Arbeit in der BRD. Dafür wurde er 38 Jahre lang von verschiedenen westdeutschen Geheimdiensten überwacht – grundgesetzwidrig wie das Bundesverwaltungsgericht Leipzig schon im Dezember 2020 feststellte. Mittlerweile ist die Urteilsbegründung öffentlich. Nachdem alle Widerspruchs- und Revisionverfahren zurückgewiesen wurden, ist das Urteil rechtskräftig. Jetzt wurde Gössner also gerichtlich bestätigt, …

… zu Unrecht beobachtet worden zu sein. Auch seine Akte, die nach Angaben von Gössners Anwalt Udo Kauß über 2.000 Seiten umfasst, war demnach ungesetzlich zustande gekommen. Dennoch weigerten sich die Behörden erfolgreich, diese Akte vollständig zu veröffentlichen, weil der Verfassungsschutz seine Quellen schützen wollte. Auch das wurde ihm gerichtlich bestätigt.

Daher ist es zweifelhaft, ob das Urteil wirklich ein so großer Schlag gegen die Überwachungspraxis der Geheimdienste war. Denn es war vor allem Gössners Bekanntheit und seine Unterstützung bis ins liberale Milieu, die ihm dem gerichtlichen Erfolg verschafften. Ihm wurde bescheinigt, dass er selber keine verfassungsfeindlichen Ziele verfolgte, als er in den frühen 1970er Jahren Mitglied des Sozialistischen Hochschulbundes war, später bei linken Zeitungen mitgearbeitet hat, bei DKP-nahen Veranstaltungen aufgetreten ist oder in DKP-Medien publiziert hat.

Keine Kritik an Schnüffelpraxis gegen Linke

Doch das Gericht machte auch deutlich, dass es keineswegs die Verfassungsschutzpraxis gegen Linke insgesamt infrage stellen wollte. So wird in dem Urteil auch unterstellt, dass die DKP „jedenfalls bis zur Wiedervereinigung verfassungsfeindliche Ziele“ verfolgt habe. Diese Behauptung wird nicht weiter ausgeführt und begründet. Es wird lediglich betont, dass sich Gössner diese Ziele nicht zu Eigen gemacht hat.

Denn als tatsächliche Anhaltspunkte für eine nachdrückliche Unterstützung der DKP durch den Kläger könnten weder die Inhalte seiner von dem BfV benannten Artikel oder der Umstand, dass er diese zum Teil in DKP-nahen Zeitschriften veröffentlicht habe, noch sein Mitwirken an Veranstaltungen der DKP und dieser Partei nahestehender Organisationen herangezogen werden. Der Kläger habe insoweit lediglich seine politischen Ansichten geäußert, die nicht als verfassungsfeindlich einzuordnen seien, allenfalls mit einzelnen nicht verfassungswidrigen Teilzielen der DKP übereingestimmt und mithin keine Befürwortung von verfassungsfeindlichen Zielsetzungen der DKP dargestellt hätten.

Aus der Urteilsbegründung des Bundesverwaltungsgerichts

Auf die problematischen Teile des Urteils geht auch Anwalt Kauß in der Erklärung ein. So sieht das Gericht den Tatbestand des „nachdrücklichen Unterstützens“ einer verfassungsfeindlichen Organisation durch Menschen, die ihr gar nicht angehören, schon dann als erfüllt, wenn durch einen Vortrag eines Außenstehenden in einer Veranstaltung einer als „verfassungsfeindlich“ geltenden Organisation oder durch Artikel und Interviews eines Außenstehenden in einem Presseorgan einer solchen Vereinigung diese „aus objektiver Sicht“ aufgewertet wird.

Anwalt Kauß moniert zu Recht, dass nach dieser Rechtsauslegung der Kreis, der von geheimdienstlicher Ausforschung betroffenen Einzelpersonen, die keinem als verfassungsfeindlich deklarierten Personenzusammenschluss (Organisation, Verein, Partei, Presseorgan) zugehören, rechtlich und praktisch kaum noch eingrenzbar ist, mit schwerwiegenden Folgen für deren Grund- und Freiheitsrechte. So ist das Fazit von Kauß auch eher ernüchternd:

„Im vorliegenden seltenen Einzelfall hat das Bundesverwaltungsgericht den ‚Verfassungsschutz‘ in seine Schranken verwiesen. Dagegen hat sich das BfV bis zuletzt gewehrt. Was nur bedeutet: In allen anderen, nicht gerichtlich entschiedenen Fällen wird verfahren wie bisher.“

Dabei handelt es sich um die vielen Fälle, in denen die Betroffenen keine solche Bekanntheit wie Rolf Gössner haben und auch die Ressourcen, um einen so langen Rechtsstreit durchzustehen, fehlen. Da muss man schon ein bekannter Politiker wie Bodo Ramelow sein, dem ebenfalls gerichtlich bestätigt wurde, dass er zu Unrecht vom Verfassungsschutz überwacht wurde.

Für ihn wird das Urteil auch eine Rehabilitierung gewesen sein. Gössner braucht eine solche Bestätigung, immer auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gestanden zu haben, hoffentlich nicht. Es wäre schon viel gewonnen, wenn das Urteil auch manche Linke zum Nachdenken bringt, die den Verfassungsschutz nicht mehr abschaffen, sondern zum Werkzeug im Kampf gegen rechts machen wollen. (Peter Nowak)