Die Hintergrunde des gewaltsamen Todes des15-Jährigen Arkan Hussein Khalaf sind noch nicht endgültig aufgeklärt

War Rassismus in Celle das Motiv?

Es ist unverständlich, warum es in der erwähnten Pressemitteilung vorschnell heißt, dass die bisherigen Ermittlungen keinen Hinweis auf eine "ausländerfeindliche oder politisch motivierte Tat geben".

Angriff aus dem Nichts“, titelte die Cellesche Zeitung. Beschrieben wird dort, wie der 15-jährige Arkan Hussein Khalaf von einem 29-jährigen Mann mit einem Messer erstochen wird. Der Jugendliche starb wenig später im Krankenhaus. Der Täter konnte …..

….. von Anwesenden festgehalten und der Polizei übergeben werden. Arkan Hussein Khalaf hatte mit seiner Familie nach dem Genozid an den Eziden (oft: Jesiden) durch den sogenannten „Islamischen Staat“ 2014 die Schengal-Region im Irak verlassen. Die Eltern flohen mit ihren drei Töchtern und drei Söhnen über die Türkei und Griechenland nach Deutschland und ließen sich in Celle nieder, wo viele Eziden leben. „Wir sind über das Wasser gekommen und hier im Blut ertrunken“, erklärte die Schwester des Getöteten gegenüber der kurdischen Tageszeitung Yeni Özgür Politika.

Kein politischer Hintergrund?

In einer gemeinsamen Presseerklärung der Staatsanwaltschaft Lüneburg und des Polizeipräsidiums Celle heißt es über den mutmaßlichen Täter:

Dem Mann wird vorgeworfen, gestern Abend einen 15-Jährigen aus Celle offenbar grundlos mit einem Messer niedergestochen zu haben, als dieser zufällig auf seinem Fahrrad in der Bahnhofstraße an dem Beschuldigten vorbeigefahren war. 

Der mutmaßliche Täter hat sich auch vor dem Haftrichter heute nicht zum Tatvorwurf geäußert. Die bisherigen Ermittlungen lieferten in keiner Hinsicht Anhaltspunkte für eine ausländerfeindliche oder politisch motivierte Tat.

Aus der Pressemitteilung des Polizeipräsidium Celle

Nach Recherchen von Zeit-Online befasste sich der Festgenommene mit rechten Verschwörungstheorien.

Doch ob der Flüchtling ein Zufallsopfer war, daran sind zumindest Zweifel erlaubt. Zeit Online stieß bei Recherchen zu Daniel S. auf drei Social-Media-Konten, die eine Nähe zu rechtsextremen Verschwörungsideologien belegen. Die Polizei bestätigte, dass es sich beim Inhaber der Accounts um den Verdächtigen handelt. Mehrere Neonazis und Rechtsradikale befinden sich unter den Onlinefreunden von Daniel S. Nicht alle seine Onlinebekanntschaften scheinen indes politisch begründet. Auch Kurden und Türken sind darunter.

Zeit Online

Auf Zeit-Online ist auch ein mit einem Hakenkreuz garniertes antisemitisches Meme von einer der Webseiten zu sehen, die der Verdächtigte besucht hat.

Kampf um die politische Zuordnung

Das sind doch wichtige Hinweise, die eine weitere Untersuchungen erfordern, ob Arkan Hussein Khalaf aus rassistischen Motiven sterben musste. Daher ist unverständlich, warum es in der erwähnten Pressemitteilung vorschnell heißt, dass die bisherigen Ermittlungen keinen Hinweis auf eine „ausländerfeindliche oder politisch motivierte Tat geben“.

Davon abgesehen, dass hier immer noch das politisch falsche Adjektiv ausländerfeindlich verwendet wird, um nicht über Rassismus reden zu müssen, hätte eine exakte Formulierung lauten müssen. „Die Ermittlungen über die Motive sind noch nicht abgeschlossen. Ein rassistischer Hintergrund der Tat kann nicht ausgeschlossen werden.“

Nun ist das Problem seit langem bekannt, dass von den Ermittlungsbehörden oft schnell ein rechtes Tatmotiv ausgeschlossen wird. Mittlerweile ist es zivilgesellschaftlichen Gruppen in zahlreichen Fällen häifig nach vielen Jahren gelungen, den rechten politischen Hintergrund bei zunächst als unpolitisch erklärten Taten herauszuarbeiten. So dauerte es 18 Jahre, bis der Tod eines jungen Mannes im thüringischen Bad Blankenau als rechte Tat eingestuft wurde.

Dazu hat wesentlich der Film „Das blinde Auge“ beigetragen, in dem der Regisseur Jan Smendek die fast vergessene Geschichte aufgearbeitet hat. Wo solche Initiativen fehlen, werden rechte Tatmotive oft gar nicht aufgedeckt.

Bei der Aufklärung der Morde an 9 jungen Menschen am 19. Februar in Hanau schienen die Ermittlungsbehörden die Fehler der Vergangenheit vermieden zu haben. Das rassistische Motiv stand von Anfang im Mittelpunkt. Doch einige Wochen später wollte eine BKA-Analyse plötzlich behaupten, dass es dem Täter um Aufmerksamkeit gegangen sei und er seine Opfer zufällig auswählte.

Also war es nach dieser Lesart auch Zufall, dass alle Täter einen Migrationshintergrund hatten? Diese Interpretation führte bei den Angehörigen und Freunden der Opfer verständlicherweise zu Empörung und Widerspruch – desgleichen bei der Zivilgesellschaft. (Peter Nowak)