Sachsen-Anhalt: Der Streit in der Union hängt damit zusammen, dass die CDU eine Kooperation mit der AfD ausschließt. Aber wie lange gilt das noch?

Zweite Chance für die Generation Baseballschläger

Der Generalsekretär der CDU-Sachsen-Anhalt, Sven Schulze erklärte, dass Möritz eine zweite Chance verdient habe.Das erinnert bis in die Wortwahl an die Zeit, als nach 1945 viele ehemaligen Nazis eine zweite Chance in der CDU bekommen haben. Damals hatten viele Hakenkreuze Platz in der Union.

Wie viele Hakenkreuze haben Platz in der CDU? Diese Frage löste in Sachsen-Anhalt eine Koalitionskrise aus. Denn sie stand über einer Presseerklärung der Bündnisgrünen in Sachsen-Anhalt. Die befindet sich in einer Koalition mit der CDU. Dort war man natürlich empört und forderte eine Entschuldigung vom ungeliebten Koalitionspartner. Schließlich macht die Mehrheit der CDU deutlich, dass sie die Kooperation nicht zur Förderung ökokapitalistischer Motive eingegangen ist. Sie will vielmehr ……

….. hier ihrem Beschluss treu bleiben, dass es keine Kooperation mit der Linkspartei und der AfD geben soll. Immer wieder gibt es an der CDU-Basis Vorstöße, die Abgrenzung nach Rechtsaußen aufzuheben.

Erst Anfang September sorgte ein Papier für Schlagzeilen, in dem gefordert wurde, das Nationale mit dem Sozialen zu verbinden. Vor einigen Wochen musste der CDU-Innenminister von Sachsen-Anhalt auf Druck der beiden Koalitionspartner SPD und Grüne dem vorher hochgelobten rechten Polizeigewerkschaftler Reiner Wendt mitteilen, dass er doch nicht Staatssekretär in seinem Ressort werden kann.

SPD und Grüne befürchten, dass mit der Berufung Wendt ein Signal nach Rechtsaußen gesandt werden sollte. In der CDU-Basis gab es aber viel Unzufriedenheit damit, dass nun mit Wendt ein Law-and-Order-Politiker geopfert wurde, der zuvor hochgelobt wurde. Nun geht der Streit wieder um ein CDU-Mitglied, das aber anders als Wendt bisher kaum bekannt war.

Es geht um Robert Möritz, der für die CDU im Kreistag Anhalt-Bitterfeld sitzt. Zunächst wurde er mit einem rechten Tattoo bekannt, das auch Hakenkreuze zeigen soll. Darauf bezog sich die provokative Frage der Grünen.

Bald stellte sich heraus, dass er vor 8 Jahren als Ordner an einer Neonazi-Demonstration teilgenommen hat. Zunächst leugnete Möritz seine rechte Vergangenheit, dann räumte er sie ein. Doch die CDU wollte sich nicht von ihm trennen. Der Generalsekretär der CDU-Sachsen-Anhalt, Sven Schulze erklärte, dass Möritz eine zweite Chance verdient habe.

Das erinnert bis in die Wortwahl an die Zeit, als nach 1945 viele ehemaligen Nazis eine zweite Chance in der CDU bekommen haben. Damals hatten viele Hakenkreuze Platz in der Union. Die Ex-NSDAP-Mitglieder gingen nach dem erzwungenen Ende ihrer alten Partei recht unterschiedlich damit um. Manche überklebten den Haken wie es schon Berthold Brecht in seinem Gedicht vom Anachronistischen Zug.

Doch dem Kreuz dort auf dem Laken
Fehlten heute ein paar Haken,
Da man mit den Zeiten lebt,
Sind die Haken überklebt.

Berthold Brecht in Anachronistischer Zug oder Freiheit oder Democracy

Manche setzen aber recht ungeniert ihre politische Tätigkeit im Kampf gegen den „Weltbolschewismus“ in der CDU fort. Nur der Antisemitismus musste etwas kaschiert werden. Die Ex-Nazis nutzten also in der Regel ihre zweite Chance in den Unionsparteien sehr gut und prägten die Partei bis in die 1970er Jahre.

Die Filbinger-Affäre war eine der großen Aufwallungen, in einer Zeit, wo es eben nicht mehr selbstverständlich war, dass Nazis eine zweite Chance in einer Regierungspartei bekommen sollten. Doch zu diesem Zeitpunkt waren sie schon längst alle im Rentenalter. Noch mehr Hakenkreuze als in der Union, wo es einen Kern von christlichen NS-Gegnern gab, hatte damals die FDP aufzubieten.

2019 bekommen nun mit Möritz die meist männlichen Protagonisten der Generation Baseballschläger eine zweite Chance, die in den Nachwendejahren in unterschiedlicher Weise rechts sozialisiert waren.

Und dann doch weiter so in Sachsen-Anhalt?

Bei den Grünen ist ein Teil der Menschen heute aktiv, die in den Nachwendejahren von der Generation Baseball gejagt wurden und die sich dadurch teilweise auch im Kampf gegen rechts politisierten. Von daher ist es sehr verständlich, wenn es in der Erklärung der Grünen von Sachsen-Anhalt heißt:

Wir können und wollen uns nicht vorstellen, dass eine Christlich Demokratische Union auf Landes- und Bundesebene jetzt Mitglieder in KV-Vorständen akzeptiert, die an rechtsextremen Demonstrationen als Ordner teilnahmen, Werbung für Uniter machen und in der Vergangenheit eine eindeutige SS-Tätowierung zur Schau gestellt haben und bis heute tragen.

Susan Sziborra-Seidlitz und Sebastian Striegel, Landesvorstand der Bündnis-Grünen Sachsen-Anhalt

Irritierend ist eher, wie schnell die Grünen nach der Pressemitteilung zur Tagesordnung übergehen wollen und versichern, dass die Koalition mit der CDU nicht in Gefahr sei. Dabei könnten doch die Grünen nur profitieren, wenn sie endlich der CDU-Basis ermöglichen würde, sich zu ihren Überzeugungen zu bekennen.

Da spielt weniger Möritz eine Rolle, der vielleicht tatsächlich erst einmal in der Versenkung verschwindet. Aber, wenn die Basis sich zwischen Rainer Wendt als Staatssekretär oder den Grünen als Koalitionspartner entscheiden sollte, ist keineswegs sicher, dass sie sich für letztere Option entscheidet.

Da die Linksliberalen aller Parteien, auch bei den Grünen wie auch in Teilen der Linkspartei, unter dem Motto des Antifaschismus die größte Gefahr in einer Annäherung von AfD und CDU sehen, müssen sie sich immer weiter verbiegen, um ihr Bündnis mit der Union aufrechtzuerhalten.

Dabei könnte doch außerparlamentarischer Druck gegen ein rechts-rechtes Bündnis mehr bewirken als die Koalition aller gegen die AfD. Dass der Generalsekretär der CDU in Sachsen-Anhalt in einem Interview mit dem Deutschlandfunk auf die aktuelle Beschlusslage verweist, also eine Kooperation mit der AfD auf Landesebene ausschließt – auf kommunaler Ebene findet sie aber schon statt – hat eine begrenzte Haltbarkeit.

Noch hofft man die AfD als rechten Konkurrenten klein zu halten und gibt deshalb der Generation Baseballschläger lieber in der eigenen Partei eine zweite Chance. Wenn aber die AfD sich etabliert, wird die Kooperationsbereitschaft wachsen. Peter Nowak