Eine Ausstellung in Berlin erinnert an den Aufbau der Arbeitsministerien in der Nachkriegszeit

Unterschiede bei der Aufarbeitung

Die Ausstellung dokumentiert das Maß der Entrechtung der Arbeiter*innen in Deutschland sowie in den von Nazis besetzten Gebieten, und sie beschreibt den völlig unterschiedlichen Umfang mit den NS-Belasteten in Ost- und Westdeutschland. Damit setzt sie Maßstäbe für den Umgang mit der Geschichte in beiden Teilen Deutschlands nach 1945, in einer Zeit, in der unter dem Stichwort »Gründungsmythos Antifaschismus« der DDR abgesprochen wird, einen Neuanfang ohne NS-Belastete Personen in die Wege geleitet zu haben.

»Das Reichsarbeitsministerium 1933 – 1945. Beamte im Dienste des Nationalsozialismus«, lautet der Titel einer Sonderausstellung in der Berliner Gedenkstätte Topographie des Terrors. Über die Eröffnung der Exposition, auf der Ergebnisse einer unabhängigen Historiker*innenkommission vorgestellt werden, berichtete »nd« bereits im Hinblick auf die Geschichte des Reichsarbeitsamtes bis zum Untergang des Hitler-Reiches. Der letzte Teil der Ausstellung dokumentiert den grundlegend unterschiedlichen Umgang mit dem NS-Personal in beiden Teilen Deutschlands nach 1945:…

….»Westdeutschland – Rückkehr der alten Eliten, Ostdeutschland – personeller Wechsel«, lauten die Überschriften auf den Tafeln, die personelle Kontinuität in der Bundesrepublik und personellen Bruch in der späteren DDR anhand von biografischen Beispielen aufzeigen. Für die Bundesrepublik steht exemplarisch die Biografie von Max Timm, der als Hermann Görings Bevollmächtigter für den Arbeitseinsatz nach 1945 trotz Kritik von Antifaschist*innen seine Karriere im Arbeitsministerium von Schleswig-Holstein fortsetzten konnte, bis er 1964 in den Ruhestand ging.

Für den Neuanfang in der DDR steht unter anderem die Biografie der Widerstandskämpferin Frieda Malter, die ohne eine vorherige Behördenlaufbahn von 1950 – 1956 als stellvertretende Ministerin und später als Staatssekretärin im Arbeitsministerium der DDR tätig war.

Erinnert wird in der Ausstellung auch an Helmut Lehmann, der in der Weimarer Republik als Sozialreformer der SPD im Vorstand des Hauptverbandes Deutscher Krankenkassen dafür eingetreten war, dass das Sozialversicherungssystem im Interesse der abhängig Beschäftigten umgestaltet wird. Lehmann avancierte in der frühen DDR zu einem der bekanntesten sozialpolitischen Experten der SED und war bis zu seinem Tod 1959 Vorsitzender der Sozialversicherung des Freien Deutschen Gewerkschaftsbunds (FDGB).

Schon in der Weimarer Republik hatte der Sozialdemokrat Lehmann in Johannes Krohn einen politischen Kontrahenten. Der Jurist war in verschiedenen Kabinetten der Weimarer Republik für das Versicherungswesen zuständig. Als wirtschaftsfreundlicher Konservativer war er ein Gegner sozialreformerischer Maßnahmen. Von 1933 bis 1939 fungierte er als Staatssekretär im Reichsarbeitsministerium. In die NSDAP ist er erst 1938 eingetreten. Obwohl Krohn ab 1941 als »Reichskommissar für die Verwaltung feindlichen Vermögens« für die bürokratischen Vorgaben bei der Ausplünderung von Gegner*innen des NS-Regimes verantwortlich war, konnte er nach kurzer alliierter Haft in der Bundesrepublik seine Karriere im Versicherungswesen fortsetzen. Von 1955 bis 1959 war er Vorsitzender der Gesellschaft für Versicherungswissenschaft und -gestaltung und von 1955 bis 1958 stand er dem Bundesausschuss für Ärzte und Krankenkassen vor. In diesen Funktionen blieb er weiterhin ein entschiedener Gegner von sozialreformerischen Umgestaltungen des Sozialwesens.

Die Ausstellung dokumentiert das Maß der Entrechtung der Arbeiter*innen in Deutschland sowie in den von Nazis besetzten Gebieten, und sie beschreibt den völlig unterschiedlichen Umfang mit den NS-Belasteten in Ost- und Westdeutschland. Damit setzt sie Maßstäbe für den Umgang mit der Geschichte in beiden Teilen Deutschlands nach 1945, in einer Zeit, in der unter dem Stichwort »Gründungsmythos Antifaschismus« der DDR abgesprochen wird, einen Neuanfang ohne NS-Belastete Personen in die Wege geleitet zu haben.