Verfolgt unter Hitler und Adenauer

Linkenverfolgung Verboten – verfolgt – vergessen – ein Film von Daniel Burgholz gibt Opfern der westdeutschen Kommunistenverfolgung Raum und Stimme
Letzte Woche debattierte der deutsche Bundestag über die NS-Verstrickung westdeutscher Behörden und Institutionen. Nachdem die meisten Betroffenen nicht mehr leben, leugnet auch der rechteteste Flügel der Union nicht mehr, dass bis in die 60er Jahre die meisten dieser Institutionen glatt als NSDAP-Nachfolgeorganisationen hätten verboten werden müssen. Nur bei einigen Landesverbänden der FDP stritten die Alliierten tatsächlich ein und verboten sie.

Doch die bürgerlichen Parteien haben sich auf eine neue Argumentationslinie verlegt. Nach so langer Zeit sollte man nicht mehr aufzählen, wo welche Nazis weiter gearbeitet haben. Vielmehr müsse die Frage lauten, warum die bundesdeutsche Demokratie trotzdem ein solcher Erfolg wurde. Der Sprecher der FDP in der Debatte zählte zu diesen Erfolg ausdrücklich auch das KPD-Verbot. Da kommt ein Film gerade recht, der das Ausmaß der bundesdeutschen Linkenverfolgung an einigen Biographien exemplarisch und eindringend deutlich machte. „Verboten – verfolgt – vergessen“ heißt der Film des Regisseurs Daniel Burgholz. Im Mittelpunkt steht das Ehepaar Ingrid und Herbert Wils aus dem Ruhrgebiet. Beide waren als Mitglieder der in Westdeutschland 1951 verbotenen Freien Deutschen Jugend (fdj) jahrelang wegen der Herstellung einer Betriebszeitung und dem Singen von als staatsfeindlich eingeschätzten Liedern inhaftiert waren. Wie heute noch bei den Paraphen 129 a und b, wo eigentlich legale Aktionen plötzlich strafrelevant sein können, weil sie angeblich im Kontext einer „terroristischen Organisation“ stehen, war damals für fdj-Mitglieder fast jede politische Betätigung strafrelevant und ins Gefängnis kamen Kommunisten und solche, die dafür gehalten werden, wie Burgholz zeigte.

Manche überlebten die zweite Verfolgung nicht

Ingrid Wils beschreibt, dass die beiden minderjährigen Kinder nach ihrer plötzlichen Inhaftierung mehrere Tage allein in der Wohnung bleiben mussten, bis sie zu Verwandten und später in ein Heim gekommen sind. Die Stärke des Films liegt darin, dass er auf jede Heroisierung verzichtet und aufzeigt, wie sich die Verfolgung auch auf das Umfeld der Betroffenen auswirkte. Vor allem im Gespräch nach der Berliner Filmpremiere ging Ingrid Wils auf die lebenslangen Folgen der Verfolg ein. Der jüngere Sohn habe sich davon wohl nie erholt, sagte sie und ging nicht näher auf sein Schicksal ein. Der ältere Sohn wurde auch Kommunist, was nicht heißt, dass die Erfahrungen der Repression im Kindesalter spurlos an ihn vorbeigegangen sind. Man wünscht sich mehr solcher Filme, die konkret aufzeigen, was die Linkenverfolgung der 50er Jahre mit den Menschen gemacht hat. Viele der Betroffenen saßen schon während der NS-Zeit hinter Gittern. So waren nur wenige Jahre nach ihrer Befreiung durch die Alliierten in der gleichen Position wie im NS und viele ihrer Wärter, ihrer Richter und Staatsanwälte saßen ebenfalls noch auf den Posten wie vor dem Ende des NS. Nicht alle der Verfolgten haben diese Erfahrungen überlegt. Es sind Leute verrückt geworden, als sie nur wenige Jahre nach der von den Antifaschisten mit so großen Hoffnungen verbundenen Befreiung wieder Gefangene waren. Es gab in den 50er Jahre sogar Urteile, in denen die KZ-Haft als strafverschärfend gewertet wurden, denn trotzdem habe der Verurteilte nicht von seinen staatsfeindlichen Gesinnung gelassen. Kein Wunder, wenn das alte Personal auch für die Urteile verantwortlich war.

Rehabilitierung von diesem Staat?

Der Film soll auch die Forderung nach Rehabilitierung bekräftigen, die die Opfer der bundesdeutschen Linkenverfolgung erheben. Sie haben nie eine Entschuldigung gehört, nie auch nur einen Cent Wiedergutmachung erhalten. Anders als übrigens NS-Verbrecher Carl Theodor Schütz, der seit seiner Jugend erst im Freikorps, dann ab 1931 in der SS sein Mordhandwerk ausübte. Bis zur Niederlage des NS zog Schütz seine Blutspur durch Europa. 1933 überfiel er mit seiner SS-Gang Wohnungen und mißhandelte wehrlose Frauen und Männer. Dafür wurde er sogar noch 1933 von einer noch nicht komplett gleichgeschalteten Justiz zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, bald aber begnadigt. Noch kurz vor dem Ende des Tausendjährigen Reiches legte Schütz selber mit Hand an bei der Erschießung von Geiseln in den Ardeatinischen Höhlen von Italien. Doch auf einen so erfahrenen Linkenjäger wollte die junge BRD nicht verzichten. Schütz kam beim BND unter und als seine Mordvergangenheit bekannt wurde und er entlassen wurde, klagte er mit Hilfe deutscher Gerichte 70.000 DM Entschädigung ein. Denn ein NS-Kamerad lässt den anderen eben nicht im Regen stehen. Wenn man über solche und ähnliche deutsche Karrieren erfährt, ist es gut, einen Film zu sehen, der den Menschen Raum gibt, die die Opfer dieser Verfolgung waren. Ihre Forderung nach Rehabilitierung ist sicher verständlich. Doch es ist die Frage erlaubt, brauchen sie die denn von einem Staat, in dessen Parlament Abgeordnete der Regierungskoalition noch heute dummdreist davon schwätzen, dass die bundesdeutsche Demokratie ein Erfolg wurde, trotz Nazis in allen Institutionen. Im Film kommen auch Menschenrechtler wie Rolf Gössner zu Wort, die in nüchternen Zahlen die Dimension der bundesdeutschen Verfolgungen skizziert. Solche Verfolgungen gehören eben dazu, wenn deutsche Politiker über den Erfolg der Demokratie reden. Wer den Film sieht, wird schnell merken, diese Menschen brauchen eigentlich keine staatliche Rehabilitierung. In sozialen Organisationen, teilweise auch in Gewerkschaften sind sie als Aktivisten anerkannt. Einer der Protagonisten des Films war lange Zeit Betriebsrat eines Großbetriebs. Es ist zu hoffen, dass der Film nicht nur in vielen Kinos sondern auch im Fernsehen zu sehen ist. Aber ob das unsere Demokratie erlaubt?
http://www.freitag.de/autoren/peter-nowak/verfolgt-unter-hltler-und-adenauer
Peter Nowak