Kann eine Obsttüten-Aktion antisemitisch sein?

Die christliche Friedensorganisation Pax Christi will darauf aufmerksam machen, „dass Obst und Gemüse mit der Ursprungsangabe ‚Israel‘ vielfach aus völkerrechtswidrigen Siedlungen stammt“

„Handeln im Geist von Frieden und Völkerverständigung“, heißt es auf der Website, auf der die christliche Friedensorganisation Pax Christi für die Obsttüten-Aktion „Besatzung schmeckt bitter“ wirbt. Auf der einen Seite der Homepage findet sich das Foto eines ökumenischen Zusammentreffens vor der Sicherheitsmauer zum Westjordanland, auf der anderen Seite sieht man bunt gemaltes Obst vor der düster grauen Mauer.

In diesem naiven Szenario wirkt der Text etwas deplaziert, der das eigentliche Anliegen der Obsttütenaktion ist: „Mit der bundesweiten Aktion ‚Besatzung schmeckt bitter‘ möchte die Nahostkommission von pax christi Verbraucher/innen darauf aufmerksam machen, dass Obst und Gemüse mit der Ursprungsangabe ‚Israel‘ vielfach aus völkerrechtswidrigen Siedlungen stammt.“

Auf der Linkliste der Kampagnenhomepage wird auch die Kampagne „Keine Waren aus israelischen Siedlungen in den Warenkorb“ beworben. Das Motto erinnert semantisch doch sehr stark an einen Warenboykott gegen Israel und so war eine heftige Debatte um die als Verbraucherschutz und Konsumentenkritik firmierende Papiertüten-Aktion absehbar und vielleicht sogar eingeplant.

Kein Israelboykott?

Die Debatte entzündete sich an der Person des sozialdemokratischen Oberbürgermeisters von Jena. Albrecht Schröter gehört neben bekannten jüdischen Oppositionellen zu den Unterstützern des Aufrufs und geriet daher im In- und Ausland heftig in die Kritik. Die Jerusalem Post schrieb:

„Führende deutsche Nichtregierungsorganisationen klagten den Sozialdemokratischen Bürgermeister von Jena im Bundesland Thüringen, Albrecht Schröter, wegen der Unterstützung des Boykotts israelischer Produkte an, der so aggressiv ist, dass er die Nazi-Kampagne „Kauf nicht bei Juden“ wiederholt und zur Delegitimierung des jüdischen Staates beiträgt.“

Damit wurde die Obsttüten-Aktion mit Aufrufen kurz geschlossen, die einen Boykott von Waren aus Israel fordern. Dagegen stellte Schröter klar: „Einen generellen Boykott von Waren aus Israel halte ich nicht für richtig.“ Diese Differenzierung drang allerdings nicht so richtig durch.

Ein Grund liegt wohl an der Aktion selber. .“Der Aufruf ist wegen seiner Fehlinterpretierbarkeit und seiner Undifferenziertheit sehr umstritten und fand in Thüringen keine weiteren Unterzeichner“, heißt es selbst in einem Text, der Schröter verteidigt und manche seiner Kritiker recht unreflektiert als Strippenzieher bezeichnet .

Allerdings haben natürlich auch die Schröter-Kritiker politische Interessen. So zählt der stellvertretende Vorsitzende der Deutsch-israelischen Gesellschaft Erfurt, Kevin Zdiara, ebenso dazu wie die nach rechts offene ehemalige DDR-Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld, die polemisch fragt, ob der OB Jena judenwarenrein halten wolle.

Gemeinsamkeiten im Kampf gegen rechts?

Wie öfter in der letzten Zeit, vor allem seit den islamistischen Anschlägen vom 11.9. in den USA, hat sich auch gegen Schöters Unterschrift eine Allianz gebildet, die von Rechtskonservativen bis zu israelsolidarischen Ex-Linken reicht, die die Antisemiten heute vor allem in den unterschiedlichen Spielarten der Linken und bei den Nichtregierungsorganisationen sehen. Schröter taugt für manche Rechtskonservativen schon deshalb zum Feindbild, weil er als einer der wenigen Politiker in Regierungsverantwortung für die Blockaden des Neonaziaufmarsches in Dresden eingetreten ist und dabei auch keine Berührungsängste zur außerparlamentarischen Linken hatte.

Etwas beruhigt hat sich mittlerweile der Streit durch eine „Gemeinsame Erklärung“, die Schröter mit der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Erfurt und der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen unterzeichnet hat. Die Unterzeichner betonen bei allen Differenzen zu der Obsttüten-Aktion, dass es keine persönlichen Diffamierungen geben dürfe und dass die Gemeinsamkeiten im Kampf gegen Rechts weiterhin überwiegen.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/152323
Peter Nowak