Die Bundeszentrale für politische Bildung veröffentlichte ein Video zur WM 2006 als Faktor beim Rechtsruck. Nach rechtem Shitstorm wurde es gelöscht.

Vor den Rechten eingeknickt

Nach diesen Veröffentlichungen war neben Heni auch Susanne Siegert einem rechten Shitstorm ausgesetzt. Sie betont gegenüber der taz, dass sie nicht für das Video verantwortlich sei, sondern als Hostin für die gesamte Videoreihe aufgetreten sei. Für eine Distanzierung sieht sie allerdings keinen Grund. „Ich stehe nach wie vor zu dem Inhalt und auch der Machart des Sommermärchen-Videos.“ Provokante rhetorische Einstiegsfragen seien auf Social-Media-Plattformen absoluter Usus. „Zudem stützt sich das Video auf wissenschaftliche Quellen, die klar benannt wurden“, betont Siegert.

„Sind Poldi, Klinsi und Co schuld am Rechtsruck in Deutschland? Steile These. Aber da könnte doch was dran sein.“ So leitete Susanne Siegert, bekannte Bildungsinfluencerin gegen Rechtsextremismus, ein nicht ganz zweiminütiges Video ein. Im Schnelldurchlauf werden Bilder aus dem Zweiten Weltkrieg, von Kennedys Berlin-Rede und vom Mauerfall zusammengeschnitten. Dann folgt ein Schnitt und wir sehen Szenen aus dem gemeinhin als deutsches Sommermärchen gefeierten deutschen Fußball-Patriotismus während der WM 2006. Am Schluss des Videos wird der Politikwissenschaftler und Antisemitismusforscher Clemens Heni mit seiner These zitiert, …

… dass der deutsche Fußball-Patriotismus den Rechtsruck in Deutschland befördert habe.

Das Video sollte in der Reihe „Politik raus aus den Stadien“ – wobei das Wort „raus“ durchgestrichen ist – auf der Homepage der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) stehen, war aber nach kurzer Zeit wieder gelöscht. „Die Veröffentlichung war ein Fehler. Das Video entspricht inhaltlich und in der Umsetzung nicht den Qualitätsansprüchen der Bundeszentrale für politische Bildung“, erklärte der Pressesssprecher der BpB, Daniel Kraft,gegenüber der taz.

Vorausgegangen war eine Kampagne rechter Medien. „Wie ein Politologe das Sommermärchen 2016 in Nationalismus umdeutet“, titelte das ultrarechte Onlinemagazin Nius, wo der Ex-Bild-Chefredakteur Julian Reichelt zwischen dem rechten Rand der Union und der AfD agiert und Stimmung macht gegen Migrant*innen, sexuelle Minderheiten und Linke. Die Wochenzeitung Junge Freiheit, Sprachrohr der Neuen Rechten, und auch die konservative Welt stimmten in die Kampagne gegen das Video ein und stellten sogar infrage, ob die BdP noch weiter mit öffentlichen Mitteln unterstützt werden solle.

Rechter Shitstorm

Nach diesen Veröffentlichungen war neben Heni auch Susanne Siegert einem rechten Shitstorm ausgesetzt. Sie betont gegenüber der taz, dass sie nicht für das Video verantwortlich sei, sondern als Hostin für die gesamte Videoreihe aufgetreten sei.

Für eine Distanzierung sieht sie allerdings keinen Grund. „Ich stehe nach wie vor zu dem Inhalt und auch der Machart des Sommermärchen-Videos.“ Provokante rhetorische Einstiegsfragen seien auf Social-Media-Plattformen absoluter Usus. „Zudem stützt sich das Video auf wissenschaftliche Quellen, die klar benannt wurden“, betont Siegert.

Tatsächlich gab es einige Untersuchungen, die einen Zusammenhang zwischen dem Fußball-Patriotismus und der Abwertung von Minderheiten in Deutschland herstellten. So beschäftigten sich der Bielefelder Soziologe Wilhelm Heitmeyer und sein For­sche­r*in­nen­team im Jahr 2006 in zwei Aufsätzen in Band 5 der im Suhrkamp-Verlag erscheinenden Langzeitstudie „Deutsche Zustände“ kritisch mit dem Fußballtaumel. Ähnlich kritisch ist das Fazit der Sozialpsychologin Dagmar Schediwy, die in ihrer Studie „Ganz entspannt in Schwarz-Rot-Gold“ den Party-Patriotismus aus sozialpsychologischer Perspektive untersuchte. Clemens Heni bezeichnet es „als Zeichen des allgemeinen Rechtsrucks, dass die BpB das Video löscht, wenn Rechte eine Kampagne beginnen“. Das ­Bundesinnenministerium, das die Fachaufsicht über das BpB ausübt, wollte sich nicht zur Frage äußern, ob die Löschung ein Einknicken vor den Rechten sei. „Produkte und Bildungsmaßnahmen werden von der BpB entsprechend ihres originären Auftrages eigenständig konzipiert und durchgeführt“, heißt es in einer Stellungnahme der Pressstelle des BMI. Julian Reichelt und andere rechte Kam­pa­gnen­ma­che­r*in­nen feiern indessen die Löschung des Videos als ihren Erfolg.

Peter Nowak