In Grünheide bei Berlin sollen künftig eine Million neue Teslas pro Jahr vom Band rollen. Durch drei weitere Ausbaustufen soll das Werk vor den Toren Berlins zur größten Autofabrik Europas werden. „Das wollen wir verhindern. Schon jetzt sind es mehr als 250.000 Neuwagen, die dort pro Jahr produziert werden und sich zu dem unbrauchbaren Elektro- und Verbrennerschrott gesellen, der unsere Straßen verstopft und in einer Zukunft, in der Mobilität allen gehört, von niemandem gebraucht wird“, so die Gruppe …
… DISRUPT (1). Elektroautos seien die Fortsetzung des Individualverkehrswahns mit anderen Mitteln: „Bei der Produktion eines E-Autos entsteht durch den Ressourcenverbrauch ein enormer ökologischer Reifenabdruck und treibt somit die globale Klimakatastrophe weiter voran.“ Am 10. März 2024 haben ca.
1.500 Umweltaktivist:innen in Grünheide gegen die Erweiterungspläne des E-Auto-Herstellers Tesla demonstriert.
Bereits am 28. Februar wurden im Wald in Grünheide Baumhäuser gebaut. Die Initiative „Tesla Stoppen“ kritisiert den geplanten Ausbau der Tesla Gigafactory und setzt sich für eine sozial- und klimagerechte Mobilitätswende ein. Caro Weber aus der Besetzung erklärt: „Wir sind eine Wasserbesetzung. Wir beschützen mit unseren Körpern diese lebenswichtige Ressource, die im Interesse von Tesla verschwendet und verschmutzt wird.“ (2)
Mit ihrer Kritik am Wasserverbrauch und an der Erweiterung der Fabrik in einem Trinkwasserschutzgebiet schließen die Aktiven der Wasserbesetzung an die lokalen Proteste der Bürger*inneninitiative Grünheide an.
„Hier in Grünheide wird deutlich, wie im Kapitalismus die Profitinteressen eines Konzerns über die Bedürfnisse von uns allen gestellt werden. Für uns ist klar: Gigafactory bedeutet Giga-Gefährdung. Für unser Trinkwasser, unser Klima und auch für die Arbeiter*innen hier und weltweit“, sagt Robin Sommer aus der Besetzung.
Am 5. März 2024 legte ein Anschlag der „Vulkangruppe“ auf einen Strommast die Gigafactory für Tage lahm (siehe dazu den Kommentar von Lou Marin auf dieser Seite).
Gewaltfreie Sachbeschädigung
Es ist erfreulich, dass die gewaltfreie Sachbeschädigung (sehr passender Begriff) eines Stromastes am Tesla-Werk in Grünheide auch in der GWR diskutiert wird. Der Beitrag von Lou Marin in dieser GWR kann als gelungenes Beispiel einer kritischen Solidarität bezeichnet werden, weil er sich mit den unterschiedlichen Aspekten der Aktion befasst. Es folgt ein positiver Bezug auf große Teile der Aktionsbegründung und eine Kritik an der technizistischen Vorgehensweise. Als positiv könnte man noch aufführen, dass auch in Medien wie der taz über die Argumente der Vulkangruppe gegen Tesla diskutiert wurde, dass sich die Gruppe dafür entschuldigt hat, dass neben Tesla auch Privat-Haushalte in der Nachbarschaft durch die Sachbeschädigung vom Strom abgeschnitten waren. Zudem hat sich die Vulkangruppe nach Berichten der taz auch per Mail direkt an Kritiker*innen gewandt.
Lou Marin liefert auch einige historische Einordnungen der Aktion, die heute oft gar nicht mehr bekannt sind. Da wird immer ziemlich unreflektiert über „linksextreme Gewalt“ geredet und die Spezifika einer gewaltfreien Sachbeschädigung werden völlig ignoriert. Mit einem solchen Vorgehen werden Spaltungslinien in die Bewegung gegen Tesla getrieben, was sich bei der Demonstration am 10. März 2024 in Grünheide zeigte. Auf der Abschlusskundgebung erging sich ein Sprecher des Naturschutzbund Deutschland (NABU) über mehrere Minuten in Tiraden gegen „linksextreme Gewalt“, womit er die Aktion gegen den Strommast meinte. Er drückte sein Entsetzungen über die Aktion aus, forderte eine klare Verurteilung der Aktion und versuchte die Bedeutsamkeit seiner Ausführungen dadurch zu steigern, dass er gleich zu Anfang betonte, er rede hier nicht nur für sich selber sondern für eine Million NABU-Mitglieder. Diesen mit autoritären Gestus vorgetragenen Forderungen entzogen sich viele Kundgebungsteilnehmer*innen, indem sie den Platz verließen. Eine historische Einordnung kann hier auch als Argumentationshilfe gegen solche Distanzierungsforderungen dienen.
Beispiel: Aktion gegen Adler-Filialen
Dazu möchte ich noch ein weiteres Beispiel anführen, das ausführlich behandelt wird in dem von der Sozialwissenschaftlerin Katharina Karcher veröffentlichten Buch „Sisters in Arms – Militanter Feminismus in Westdeutschland seit 1968“, welches auf Deutsch im Verlag Assoziation A erschienen ist. Es geht um gewaltfreie Sachbeschädigung bei den Adlerwerken seit 1987. Für diese Aktionen wurden damals kleine Brandsätze verwendet, was durchaus kritikwürdig ist. Das erklärte Ziel der Roten Zora war es, jegliche Beeinträchtigung von Menschen zu vermeiden. Der Hauptschaden an den Materialien entstand nicht durch das Feuer, sondern durch die ausgelösten Sprinkleranlagen. Mit den Aktionen wollte die Rote Zora die Forderungen von streikenden Adler-Arbeiterinnen in Südkorea unterstützen, die sich gegen ihre menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen wandten. Einige der Streikenden bezogen sich positiv auf die Aktion.
Während einige eher liberale Frauenorganisationen sich von der Aktion distanzierten, gab es auch aus feministischen Kreisen viel Zustimmung. Parallelen zu den Aktionen in Grünheide gibt es durchaus.
Peter Nowak
Anmerkungen:
1) https://disrupt-now.org/disrupt-tesla/
2) https://wald-statt-asphalt.net/wasserbesetzung-in-gruenheide/[Bildtext:]
Demoplakat von DISRUPT. Bildquelle: https://disrupt-now.org
[Hervorhebung:]
In Grünheide wird deutlich, wie im Kapitalismus die Profitinteressen eines Konzerns über die Bedürfnisse von uns allen gestellt werden.
https://www.graswurzel.net/gwr/category/ausgaben/488-april-2024/