Mehr Teilnehmer an den diesjährigen Ostermärschen“, …
… meldeten die Organisatoren der bundesweiten Demonstrationen für Frieden und Abrüstung. Vor allem in Berlin stieg die Teilnehmerzahl im Vergleich zum Vorjahr deutlich an.
Die Gründe dafür sind sicherlich nicht einfach zu ermitteln, da unterschiedliche kriegerische Konflikte thematisiert werden. Es ist aber zu vermuten, dass auch die in diesen Wochen von allen Seiten betonte deutsche Kriegsfähigkeit ein Grund für den Widerstand war.
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) spricht von einem Krieg mit Russland in wenigen Jahren. Der Focus sieht nach der Wahl Wladimir Putins zum russischen Präsidenten eine wachsende Kriegsgefahr und der polnische Ministerpräsident Donald Tusk sieht Europa in der Vorkriegszeit.
Nato-Krieg gegen Russland wird vorbereitet
Es muss betont werden, dass Pistorius, Focus und Tusk nicht vor Krieg warnen. Sie bereiten die Bevölkerung darauf vor, wieder kriegsfähig zu werden. Das sind nicht nur Phrasen, es werden längst Szenarien entwickelt, wie dieser europäische vorbereitet wird.
Das Szenario „Nato-Soldaten im Kampf gegen Russland“ scheint immer realer zu werden. Der Vorstoß von Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron zum Einsatz von Bodentruppen im Ukraine-Krieg hat Zuspruch von Polens Außenminister Radosław Sikorski oder Estlands Premierministerin Kaja Kallas erhalten. Und auch in Frankreich selbst scheint es Rückenwind für Macron zu geben: Generalstabschef Pierre Schill ist dabei sehr konkret geworden.
Ukraine als Vorposten des prodeutschen Nationalismus
Hinter diesen konkreten Kriegsvorbereitungen steht das Credo „Die Ukraine darf nicht verlieren“. Das ist natürlich eine Propagandaformel, denn gemeint ist, dass die prowestliche Strömung des ukrainischen Nationalismus nicht verlieren darf.
Diese ist 2014 mit einem Aufstand gegen eine gewählte Regierung an die Macht gekommen, verfolgt seitdem die Opposition und hat mit dieser Politik die Grundlage für den Einmarsch der russischen Nationalisten geschaffen.
Man darf nicht vergessen, dass auch auf deren Seite fleißig für einen neuen Krieg mobilisiert wird. So hat der weißrussische Machthaber Lukaschenko bereits die Orte benannt, an denen ein europaweiter Krieg ausbrechen könnte.
Nach der altbewährten antimilitaristischen Parole „Der Hauptfeind ist das eigene Land“ sollten natürlich die Kriegsvorbereitungen der Bundesregierung und ihrer Verbündeten im Vordergrund stehen. Es sollte aber nie vergessen werden, dass in Russland und Weißrussland ähnliche Kriegstreiber sitzen und auch dort alles getan werden sollte, um diejenigen zu unterstützen, die sich dem Krieg verweigern und sogar die Kriegsvorbereitungen sabotieren.
Für einen revolutionären Defätismus
Dass wir heute in Vorkriegszeiten leben, sehen wir auch an den vielen kleinen und großen Gesten im politischen Alltag. Da erwähnt ein SPD-Realpolitiker wie Rolf Mützenich nur den Begriff „Einfrieren des Konflikts“ und sofort beginnt die Kampagne gegen die angeblichen Defätisten, wobei neben der FDP die Grünen besonders lautstark agieren.
Nun ist der Begriff Defätismus ein übliches Relikt des Militarismus. Er bezeichnete alle, die nicht in die Kriege der Herrschenden ziehen wollten, wo auch immer. Eigentlich müsste Defätist also eine Auszeichnung sein und es müsste eine Kampagne für einen revolutionären Defätismus geben.
Das war die Strategie der Zimmerwalder Linken im Ersten Weltkrieg. Das bedeutet, in diesen Kriegen nicht Partei zu ergreifen, sondern die politischen Verhältnisse zu bekämpfen, die dafür sorgen, dass wir uns heute wieder in einer Vorkriegszeit befinden.
Es sind die verschiedenen kapitalistischen Machtblöcke, die den Krieg vorantreiben. Das erkannten am Anfang der 1990er-Jahre kluge Linke, die sich nicht von einer vermeintlichen Friedensdividende blenden ließen.
Sie erkannten, dass die Situation von vor 1914 wiederhergestellt war und damit auch Kriege wieder möglich wurden. Das wurde damals als Panikmache und Schwarzmalerei abgetan. Heute können wir nur feststellen, dass die Realität die pessimistischen Szenarien übertroffen hat.
Wir können beobachten, dass sich vor unseren Augen genau der neue-alte Militarismus ausbreitet, wie wir ihn vor dem Ersten Weltkrieg und auch in der Weimarer Zeit beobachten konnten. Man braucht nur in dem kürzlich im Verlag Die Buchmacherei erschienenen Buch „Antikrieg zwischen den Kriegen“ zu blättern, in dem vor allem Texte aus der links-pazifistischen Weltbühne nachgedruckt sind. Nicht wenige der Texte könnten in diesen Tagen entstanden sein.
Auch in der noch bis zum 14. April im Kunstmuseum Stuttgart zu sehenden Ausstellung „Siehe Dir die Menschen an“ erfährt man viel über die künstlerischen Strömungen der Weimarer Republik und kann auch Berichte lesen, in denen die Kriegsvorbereitungen beklagt werden.
Sie wurden um 1927 geschrieben, als von einem NS-Reich noch keine Rede sein konnte. Denn die Kriegsvorbereitungen begannen schon in den Zwanzigerjahren, als sich die herrschenden Kreise in Deutschland auf eine Revanche für die Niederlage im Ersten Weltkrieg vorbereiteten.
Die neue Zeitenwende begann spätestens 1999
Auch die neue Kriegsfähigkeit Deutschlands hat eine längere Vorgeschichte: Vor kurzem jährte sich der auch von Deutschland geführte Krieg gegen Jugoslawien zum 25. Mal. Damals wurden von den Nato-Staaten Grenzen neu gezogen, von denen heute nicht mehr die Rede ist.
Damals begann die Zeitenwende, Deutschland konnte wieder ganz unbefangen seine eigenen imperialistischen Interessen auch kriegerisch durchsetzen. Hier begann die Vorkriegszeit und wir sehen an allen Ecken und Enden die alten deutsch-imperialistischen Ziele durchschimmern, die deutsche Vergangenheit wird nur noch als Begründung für die eigene Kriegsfähigkeit herangezogen. Ansonsten sind geschichtsrevisionistische Töne in allen Bereichen so alltäglich geworden, dass es kaum noch jemandem auffällt.
Nur ein Beispiel: „Wie gemacht für Mützenich und andere Defätisten“ bewarb die Taz den Film „Red Secrets – Im Fadenkreuz Stalins„. Unerwähnt blieb, dass der Held des Films, Gareth Jones, nicht nur stalinistische Verbrechen aufgedeckt hatte. Er war auch eng mit der NS-Führung verbunden.
Doch heute ist es kein Makel mehr, mit den Nazis zusammengearbeitet zu haben. Das zeigt die Romantisierung der Krimtataren. So richtig es ist, ihre kollektive Deportation in der stalinistischen Sowjetunion zu kritisieren. Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass auch Teile der krimtatarischen Führung mit dem Nationalsozialismus kollaboriert haben.
Geschichtsrevisionismus, Kampagnen gegen Defätisten, Diffamierung jeder Meinung zur Ukraine, die von der Nato-Linie abweicht. Das sind beunruhigende Vorzeichen für neue Kriege. Wird es noch gelingen, den Kriegstreibern auf allen Seiten in die Arme zu fallen? Dafür wäre es an der Zeit, den revolutionären Defätismus zu propagieren. Peter Nowak