Friedrichshain: Kein Ende bei Entmietungen und Luxusmodernisierungen

Bezirksamt auf Seite der Investoren

Das gesamte Eckhaus Samariterstraße 8 ist eingerüstet. Die Bauarbeiten sind im vollen Gange. Nur wenige Mieter/innen wohnen noch in dem großen Gebäude. Die meisten Wohnungen stehen leer. Das ist im Nordkiez von Friedrichshain eigentlich nichts Besonderes mehr. Spätestens seit der Investor Christoph Gröner alte Basaltbauten für einen Nobelneubau auf dem Grundstück Rigaer Straße 72–73 abreißen ließ, steigen auch in der Nachbarschaft die Mieten.

Dagegen hatten sich die Mieter/innen in der Samariterstraße 8 seit Frühjahr 2019 gewehrt. „Miete alt 707 Euro – Miete neu 1700 Euro“ stand damals auf Transparenten, die aus den Fenstern ihrer Wohnungen hingen. Die Bewohner/innen waren an die Öffentlichkeit gegangen, als sie …

… am Jahreswechsel 2018/19 eine 26-seitige Modernisierungsankündigung im Briefkasten fanden, in der es am Schluss hieß: „Demnach erhöht sich ihre bisherige Kaltmiete von 580 Euro um voraussichtlich 950 Euro auf nun insgesamt 1.480 Euro“. Hinzu kämen noch rund 100 Euro zusätzliche Betriebskosten für die neue Heizungsanlage.

Eigentümerin des Grundstücks ist eine Projekt F-22 Alpha GmbH mit Sitz in Zossen, einem Eldorado für Briefkastenfirmen aller Art. Die Gesellschaft gehört zur 2013 gegründeten Fortis-Group, einem Firmengeflecht aus dutzenden Einzelunternehmen. „Peyvand Jafari und Mark Peter Heydenreich sind hier die wesentlichen Akteure. Allein Heydenreich ist laut der North-Data-Datenbank Geschäftsführer von mindestens 47 Unternehmen, Jafari von mindestens 26“, schrieb Tim Zülch im MieterEcho Nr. 402 über die Eigentumsverhältnisse in diesem Firmenkonglomerat. Für jedes Grundstück und für jedes Geschäftsfeld wird eine eigene Firma gegründet, damit die Insolvenz einer Firma keine Auswirkungen für die anderen hat. 

Im Sommer 2019 organisierten die Mieter/innen der Samariterstraße 8 gemeinsam mit Bewohner/innen anderer von der Fortis-Group gekaufter Häuser eine Kiezdemonstration durch Friedrichshain. Auf der Abschlusskundgebung erklärte sich die in diesem Wahlkreis direkt gewählte Bundestagsabgeordnete Canan Bayram (B90/Grüne) mit den Mieter/innen solidarisch, Danach gab es weitere Solidaritätskundgebungen und Kiezspaziergänge.

Kalkül von Fortis geht auf

Doch während der Corona-Pandemie brach der Kontakt ab. „Plötzlich waren die originellen Transparente aus den Fenstern der Samariterstraße 8 verschwunden. Die Mieter/innen, zu denen wir Kontakt hatten, waren plötzlich auch über E-Mail und Handynummer nicht mehr zu erreichen“, berichtete ein Aktiver aus der Stadtteilgruppe „Wir bleiben alle Friedrichshain“, die die Mieter/innen unterstützt hatte. Bald waren die ersten Mietparteien ausgezogen. Auch hier ging das Kalkül der Fortis-Group auf, das Tim Zülch im MieterEcho Nr. 402 so beschrieben hat: „Betroffene Mieter/innen ziehen in Anbetracht der massiven prognostizierten Mietsteigerungen nach Modernisierung freiwillig aus. Bei anderen wird durch ‚Umzugsgeld‘ oder beispielsweise eine ‚neue Küche‘ nachgeholfen, wie ein Fortis-Vertreter am Telefon erläutert. Dann werden die Wohnungen als Eigentum zum Kauf angeboten.“ Die Mieter/innen müssen sich dann auch verpflichten, sich nicht mehr zu dem Konflikt zu äußern. 

Auch von Seiten des Bezirksamts Friedrichshain/Kreuzberg wurden die Pläne und Interessen der Fortis-Group und nicht die der Mieter/innen unterstützt. „Es liegt eine Genehmigung für einen Balkonanbau und einen Dachgeschossausbau vor“, berichtete Julian Schwarze, der wohnungspolitische Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus, über Entscheidungen des Bezirksamts, die ganz im Interesse der Fortis Group sind, weil damit die Mieten steigen. 

Besonders skandalös ist, dass das Bezirksamt auch einer Nutzungsänderung in der Samariterstraße 8 zustimmte. Drei Wohneinheiten können in Pensionen umgewandelt werden. Damit wird Wohnraum zugunsten einer touristischen Nutzung vernichtet. Auch das lässt die Profite der Fortis-Group steigen. Dabei hatte Canan Bayram auf einer Kundgebung vor der Samariterstraße im Juli 2019 an die Adresse des Immobilien-Geflechts erklärt: „Es gibt kein Recht auf Profite“.  Peter Nowak