Informa­tionszentrum Emslandlager (DIZ) kurzfristig gekündigt. Das DIZ wurde von Widerstandskämpfern

Kündigung wegen Eigenbedarf

»Mit diesem bundesweit einmaligen Akt geht die Stiftung unter dem Vorsitz des Landrats des Landkreises Emsland, Marc-André Burgdorf (CDU), mit aller Härte gegen das bürgerschaftlich getragene DIZ vor und gefährdet so bewusst seine Existenz«, heißt es beim DIZ.

„Ob wir überleben, ist weder sicher noch die Hauptsache. Wie man aber später von uns denken wird, ist so wichtig wie, dass man an uns denken wird.« Dieses Zitat wird dem Pazifisten und Antifaschisten Carl von Ossietzky zugeschrieben, der wie viele Nazigegner*innen im Emslandlager gequält und misshandelt wurde.Lange Zeit wurde die Geschichte der Konzentrations-, Straf- und Kriegsgefangenenlager im Nordwesten Niedersachsens verschwiegen. Dabei waren dort etwa 80 000 KZ-Häftlinge und Strafgefangene sowie 100 000 bis 180 000 Kriegsgefangene inhaftiert. Über 20 000 Menschen, überwiegend sowjetische Kriegsgefangene, sind dort verstorben. Erst in den späten 70er Jahren wurde die Erforschung des Naziterrors in diesen Lagern Anliegen einer jüngeren Generation, die noch auf NS-Widerstandskämpfer*innen traf, die die Lager überlebt hatten. Nun ist diese Erinnerungsarbeit im Emsland massiv bedroht. Dem seit 1985 bestehenden Dokumentations- und Informationszentrum (DIZ) Emsland droht …

…. die Verdrängung. Bereits 1981 gründeten Überlebende der Emslandlager gemeinsam mit Rosa­linda von Ossietzky-Palm, der Tochter des Friedensnobelpreisträgers Carl von Ossietzky, und engagierten Menschen aus dem Emsland, Ostfriesland und Oldenburg den Verein »Aktionskomitee für ein Dokumentations- und Informationszentrum Emslandlager« in Papenburg. Nun hat die Stiftung Gedenkstätte Esterwegen dem DIZ kurzfristig zum 15. Juni 2023 das Büro in der Gedenkstätte Esterwegen gekündigt. »Mit diesem bundesweit einmaligen Akt geht die Stiftung unter dem Vorsitz des Landrats des Landkreises Emsland, Marc-André Burgdorf (CDU), mit aller Härte gegen das bürgerschaftlich getragene DIZ vor und gefährdet so bewusst seine Existenz«, heißt es beim DIZ. Die Stiftung wolle die Räume selber nutzen, lautete die Begründung. Darauf reagierte der Vorsitzende des Aktionskomitees Habbo Knoch mit Unverständnis. Auf dem Gelände sei genügend Platz vorhanden.»Tatsächlich dient dieser Schritt ausschließlich dazu, die seitens der Stiftung zuletzt mit wachsender Vehemenz erhobene Forderung nach einer Selbstauflösung des DIZ zu erzwingen«, moniert Knoch. Er befürchtet durch die Kündigung eine massive Beeinträchtigung der Arbeit der Initiative. »Durch die Kündigung soll dem DIZ jede Möglichkeit genommen werden, seine eigenen Bestände vor Ort zu erschließen und die Arbeit der Gedenkstätte mit ihren Angeboten zu bereichern«, so Knoch weiter.Das DIZ habe 2011 auf Einladung des Landkreises Emsland seinen Sitz von Papenburg vertrauensvoll in die neu eröffnete Gedenkstätte verlegt und deren Arbeit vor Ort maßgeblich aufgebaut und durchgeführt. Im Gegenzug sicherte die Stiftung Gedenkstätte Esterwegen dem DIZ angemessene Räumlichkeiten für seine Tätigkeit, seine Bibliothek und die umfangreiche Sammlung zu, auf der die Dauerausstellung der Gedenkstätte zu großen Teilen beruht.Knoch verweist darauf, dass noch 2019 in einer gemeinsamen Presseerklärung von Stiftung und Aktionskomitee die enge Zusammenarbeit bekräftigt wurde. Doch 2020 sei es zu Konflikten gekommen. Die Stiftung der Gedenkstätte Esterwegen habe das DIZ systematisch verdrängen wollen, heißt in einer Presseerklärung, in der auch die Verantwortung der Politik benannt wird. »Seit zwei Jahren lehnt es der zuständige Landrat ab, bilaterale Gespräche zu führen, oder knüpft sie an die Voraussetzung einer Auflösung des DIZ durch den Verein. Konstruk­tive Vermittlungsversuche der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten wurden seitens der Stiftung Gedenkstätte Esterwegen mehrfach abgelehnt«, so die Kritik des Aktionskomitees weiter.Das DIZ hat nun einen Aufruf gegen die Kündigung initiiert, der in den letzten Tagen von zahlreichen Menschen unterstützt wurde. »Wir nehmen nicht hin, dass mit der Kündigung das bürgerschaftliche Engagement des DIZ vor die Tür der Gedenkstätte verbannt wird. Nichts rechtfertigt die Gefahr, dass mit dem DIZ auch seine umfangreiche Sammlung mit ihren singulären Selbstzeugnissen die Gedenkstätte unter dem Zwang der Kündigung verlassen muss, da ihre Bearbeitung vor Ort durch das DIZ nicht mehr möglich ist«, so das DIZ weiter. Peter Nowak

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