Wir müssen zusammen kämpfen, weil wir nur zusammen eine Zukunft haben“, sagt die VW-Arbeiterin aus Wolfsburg. Das Zitat kommt in einer Szene des Films „Der laute Frühling“ von Johanna Schellhagen aus dem vergangenen Jahr vor. Darin wird eine Utopie vom gemeinsamen Kampf der Klima- und ArbeiterInnenbewegung gezeichnet – ausgerechnet in der VW-Stadt Wolfsburg. Die Filmszene wurde am 11. Mai zu Beginn einer Diskussionsveranstaltung im Kreuzberger Mehringhof eingespielt. Der Titel: „Ökologische und soziale Frage zusammendenken! Und wie sieht die Zukunft der Arbeit aus?“ Eingeladen waren …
… KlimaaktivistInnen der Gruppen „Letzte Generation“, „Sand im Getriebe“ und „Wir fahren zusammen“ – einer Kooperation von Fridays for Future und der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi – sowie ein Vertreter der Krisis-Gruppe.
Straßenbahnen statt Autos bauen
Den Auftakt machte aber Johanna Schellhagen. Die Mitbegründerin der Plattform Labournet.tv hat mit ihrem Film „Der laute Frühling“ (Rabe Ralf April 2021, S. 26)Pionierarbeit bei der Kooperation zwischen ArbeiterInnen und KlimaaktivistInnen geleistet. Auch angeregt von dem Film haben sich Verkehrswende-AktivistInnen das Ziel gesetzt, in der Autostadt Wolfsburg für ihre Vorstellungen zu werben. Am ersten Mai-Wochenende sorgte ein Verkehrswende-Camp in der Wolfsburger Innenstadt für Aufsehen. Dort sprach auch der IG-Metall-Vertrauensmann von VW Braunschweig, Lars Hirsekorn, der die Aktivitäten der Verkehrswende-Gruppe begrüßt. Diese will mit der Parole „Straßenbahn statt Autos“ die ArbeiterInnen davon überzeugen, dass sie mit ihrem Können und den technischen Voraussetzungen ohne Probleme Fahrzeuge für den öffentlichen Nahverkehr herstellen können.
Eine gewerkschaftliche Orientierung verfolgt auch die Gruppe „Wir fahren zusammen“, auf der Diskussionsveranstaltung vertreten von Felicitas. Entstanden ist die Initiative bereits 2020 beim Tarifkampf der Beschäftigten des öffentlichen Nahverkehrs, der von Fridays-for-Future-Aktiven unterstützt wurde. Corona-bedingt kam es damals nur zu wenigen öffentlichen Aktionen. Nach der Pandemie konnten die Aktiven auf den Erfahrungen aufbauen und die Kooperation auch in der Öffentlichkeit bekannt machen. Höhepunkt war der gemeinsame Streik von Beschäftigten des öffentlichen Dienstes und KlimaaktivistInnen am 3. März dieses Jahres.
Fabrik besetzt, Öko-Produktion gefordert
Felicitas schilderte am Beispiel von Köln, wie viel Engagement die Umweltbewegten in diese Zusammenarbeit gesteckt haben. Zunächst hatten die Beschäftigten einer Kooperation sehr reserviert gegenübergestanden, auch wegen der Medienberichte über die Räumung des Dorfes Lützerath im Rheinland, wo viel Stimmung gegen diejenigen gemacht wurde, die sich den Kohlebaggern von RWE entgegenstellten. Die AktivistInnen ließen sich aber nicht entmutigen und sammelten in Köln Unterschriften für einen Aufruf, der sich mit dem Streik der ÖPNV-Beschäftigten solidarisiert. Das führte dann dazu, dass sich die Beschäftigten auch an dem Klima-Streiktag am 3. März beteiligten und sogar gemeinsam mit den KlimaaktivistInnen vom Busdepot zum Startplatz der Demonstration gingen. Hinterher hätten sich viele Beschäftigte sehr positiv über die gemeinsame Demonstration geäußert, betonte Felicitas und sprach von einem Beispiel, das auch bei anderen Arbeitskonflikten Erfolg haben könnte.
Von einer noch weitergehenden Kooperation zwischen AutomobilarbeiterInnen und der Umweltbewegung berichtete Johanna Schellhagen am Beispiel der von Teilen der Belegschaft besetzten Autozubehör-Fabrik GKN in Campi Bisenzio bei Florenz. Nachdem das Werk geschlossen werden sollte, haben es die ArbeiterInnen nicht nur besetzt, sie fordern auch die Umstellung auf umweltfreundliche Produkte. Getragen werden die Aktionen von organisierten Beschäftigten, die sich seit Jahren auch als Teil der linken Protestbewegung verstehen. In einem von labournet.tv gedrehten Video sprechen Beschäftigte auch die Frage der Produzentenmacht an. „Mich hat niemand gefragt, was ich gerne produzieren würde, als sie mich eingestellt haben“, sagt dort ein GKN-Besetzer.
„Wir sind nicht die Klima-Abteilung der IG BCE“
Allerdings ist eine gewerkschaftsorientierte Linie in der Klimabewegung durchaus umstritten, wie Konrad von der Gruppe „Sand im Getriebe“ (SiG) auf der Veranstaltung deutlich machte. SiG kämpft für die schnelle Abwicklung der Autoindustrie und gegen den Bau weiterer Autobahnen. Dabei seien die Gewerkschaften nicht Feinde, aber öfter Gegner, betonte Konrad. Seine Gruppe wolle keine Ersatzgewerkschaft spielen und auch die Interessengegensätze nicht verwischen. „SiG vertritt nicht die Automobil-ArbeiterInnen. Wir wollen den Betrieb beenden, auch im Interesse der Menschen im globalen Süden“, formulierte Konrad eine Position, die für lebhafte Diskussionen auch im Publikum sorgte.
Er begründete seine gewerkschaftskritische Haltung auch mit den Erfahrungen, die viele der AktivistInnen bei der Klimagruppe „Ende Gelände“ gemacht haben. Da habe man lange versucht, mit den Beschäftigten der Kohleindustrie in der Lausitz ins Gespräch zu kommen, und sei auf Desinteresse bis offene Ablehnung gestoßen, auch bei der zuständigen Gewerkschaft IG BCE. Dabei handelt es sich um eine Gewerkschaft, die den Standort Deutschland in den Mittelpunkt stellt und aktuell gegen einen früheren Kohleausstieg in der Lausitz mobilisiert.
Johanna Schellhagen wies berechtigterweise darauf hin, dass Gewerkschaften und Beschäftigte nicht identisch sind. Kritische KohlearbeiterInnen werde man wohl kaum in den Vorständen der IG BCE finden.
Eine Mittelposition nahm Maximilian Wedekind auf dem Podium ein, der in der Klimagruppe „Letzte Generation“ für die Kontakte zu den Gewerkschaften verantwortlich ist. Er befürwortet diese Kooperation ausdrücklich, würde aber die Aktivitäten der Gruppe nicht davon abhängig machen. Ihm sei klar, dass die Straßenblockaden bei vielen Beschäftigten nicht auf Zustimmung stoßen. Sie seien aber trotzdem notwendig, um für die Forderungen seiner Initiative zu kämpfen, betonte Wedekind.
Raus aus dem Kapitalismus
Lothar Galow-Bergemann von der wertkritischen Gruppe Krisis warnte vor der Vorstellung, dass der Bau von Straßenbahnen statt Autos ausreiche, um die Klimakrise zu meistern (Rabe Ralf Dezember 2020, S. 6). Er sprach von der Krise des warenproduzierenden Kapitalismus. Mit Verweis auf die von der Krisis-Gruppe herausgegebene Broschüre „Gegen die Arbeit“, die noch immer sehr populär ist, plädierte Galow-Bergemann für eine Gesellschaft, in der nicht Lohnarbeit im Mittelpunkt steht, sondern Tätigkeit zur Befriedigung der Bedürfnisse der Menschen.
Das könnte tatsächlich eine Klammer sein, auf die sich die unterschiedlichen Gruppen der Klimabewegung einigen könnten. Die Wege dahin, das wurde bei der Diskussion deutlich, sind aber sehr verschieden.
Peter Nowak
Weitere Informationen:
www.labournet.tv/lasst-uns-aufstehen-das-fabrikkollektiv-gkn
www.verkehrswendestadt.de
www.studentsforfuture.info/wirfahrenzusammen
www.krisis.org/manifest
https://www.grueneliga-berlin.de/publikationen/der-rabe-ralf/aktuelle-ausgabe/gewerkschaften/