Mit der Klimabewegung wird "Good Cop, bad Cop" gespielt. Das ermöglicht die föderalistische Struktur der Staatsapparate in Deutschland. Warum der Verfassungsschutz auf Bundesebene die "Letzte Generation" nicht als extremistisch einstuft.

„Letzte Generation“: Freisprüche, Freilassungen – und neue Hausdurchsuchungen

Wenn sie nicht "aufpassen", könnten die Klimaaktivisten der "Letzten Generation" zu einer Art Greenpeace 2.0 werden. Greenpeace galt wegen spektakulärer Aktionen einst auch als besonders gefährlich. Greenpeace und "Letzte Generation" eint die Ausblendung der gesellschaftlichen Ursachen des Kapitalozän, also der kapitalistisch verursachten Klima- und Umweltprobleme. Vielleicht sollten die Klimaaktivisten die Aktionspause nutzen, um sich in dem von Matthias Schmelzer und Andrea Vetter im Junius-Verlag herausgegebenen Buch "Degrowth – Postwachstum zur Einführung" über den Zusammenhang zwischen Klimakrise und Kapitalismus informieren.

17 Tage lang war der Ingenieur Wolfgang Metzeler-Kick im Hungerstreik. Er saß als Klimaaktivist und Beteiligter der Kampagne „Aufstand der letzten Generation“ in bayerischer Präventivhaft. Jetzt wurde er mit 18 Mitstreiterinnen und Mitstreitern freigelassen. Damit beendet Metzeler-Kick auch seinen Hungerstreik, den er in Erklärungen als Klimastreik unter Gefängnisbedingungen bezeichnet hatte. Die Freilassung der 19 Aktiven, die ursprünglich bis zu 30 Tage weggesperrt werden sollten, war …

… nachdrücklich von zivilgesellschaftlichen Organisationen gefordert worden und ihre Inhaftierung auf scharfe Kritik gestoßen. Menschenrechtsgruppen sahen hier eine demokratiegefährdende Freiheitsberaubung zum Nachteil von Menschen, die sich an gewaltfreien Aktionen des zivilen Ungehorsams beteiligt hatten.

Schließlich ist die Präventiv- oder Sicherungshaft Teil des umstrittenen bayerischen Polizeigesetzes, gegen das noch Klagen anhängig sind und gegen das es eine starke außerparlamentarische Protestbewegung gab.

Sicherungshaft in Bayern – Freispruch in Freiburg

Während Bayern mit einer Law and Order-Politik gegen die Klimaproteste vorgeht, gab es vor Gerichten in anderen Bundesländern Freisprüche. Davon profitierte ein junger Mann, der sich im Frühjahr 2022 an Straßenblockaden beteiligt hatte, die einen längeren Stau verursacht hatten. Deshalb stand er vor wenigen Tagen in Freiburg vor Gericht und wurde in allen Punkten freigesprochen.

Zur Begründung erklärte das Gericht, angesichts des Klimanotfalls, in dem sich Deutschland objektiv betrachtet befinde, sei die Aktion nicht als verwerflich zu bewerten. Das Handeln des jungen Mannes sei durch die im Grundgesetz verankerte Versammlungsfreiheit gedeckt.

Eine bayerische Richterin, die über die Dringlichkeit des Klimaschutzes im Grunde wie der Freiburger Richter dachte, traute sich das dann doch nicht und sprach in einem vergleichbaren Fall eine mündliche Verwarnung aus, wie Rechtsanwältin Adelheid Rupp unlängst gegenüber Telepolis erwähnte. Die zuletzt Inhaftierten wiederum waren gemäß Polizeigesetz ohne reguläres Urteil inhaftiert.

Freispruch in Freiburg und Sicherungshaft in Bayern – wie passt das zusammen?“, fragte die „Letzte Generation“ in einer Pressemitteilung. Sie könnte auch die Frage stellen, wie die Hausdurchsuchungen bei Klimaaktivisten in Sachsen damit zusammenpassen.

Hintergrund waren Ermittlungen wegen einer Aktion am 23. August in der Alten Galerie in Dresden, als sie sich Klimaaktivisten an einem Gemälde festgeklebt hatten. Razzien gab es mehr als drei Monate später in Berlin Leipzig und Greifswald.

Repression und Freispruch passt zusammen

Die Antwort, wie die Polizeiaktionen mit den Freisprüchen zusammenpassen, lautet: Das ist eine Folge der föderalistischen Struktur der Staatsapparate in Deutschland. Das ermöglicht es der Herrschaft auch, die außerparlamentarischen Bewegungen nach dem Motto „guter Bulle, böser Bulle“ zu kriminalisieren und andererseits zu kooptieren. Das ist vor allem bei einer Bewegung einfach, die das erklärte Ziel verfolgt, die Staatsapparate zum Handeln zu bewegen und nicht etwa in Frage zu stellen. Das hat Thomas Haldenwang, Verfassungsschutzpräsident auf Bundesebene, sehr zum Ärger vieler Konservativer und Rechter gut erkannt.

„Letzte Generation“ als Greenpeace 2.0?

Er stuft die Gruppierung „Letzte Generation“ genau mit dem Argument, dass sie die Staatsapparate zum Handeln auffordere und nicht abschaffen will, als nicht-extremistisch ein. Wenn sie nicht „aufpassen“, könnten die Klimaaktivisten der „Letzten Generation“ zu einer Art Greenpeace 2.0 werden. Greenpeace galt wegen spektakulärer Aktionen einst auch als besonders gefährlich.

Aber auch diese Organisation wollte die Staatsorgane immer zum Handeln auffordern. Mittlerweile gehört Greenpeace zu den anerkannten zivilgesellschaftlichen Organisationen. Greenpeace und „Letzte Generation“ eint die Ausblendung der gesellschaftlichen Ursachen des Kapitalozän, also der kapitalistisch verursachten Klima- und Umweltprobleme. Das zeigt sich auch an der jüngsten Erklärung, wo die temporäre Einstellung der Aktionen mit der Hoffnung angekündigt wird, das Parlament werde jetzt im Sinne der Klimaaktivisten handeln, wenn nicht, wolle man Anfang Dezember die Aktionen wieder verschärfen.

Vielleicht sollten die Klimaaktivisten die Aktionspause nutzen, um sich in dem von Matthias Schmelzer und Andrea Vetter im Junius-Verlag herausgegebenen Buch „Degrowth – Postwachstum zur Einführung“ über den Zusammenhang zwischen Klimakrise und Kapitalismus informieren. Klimaaktivisten wie „Ende Gelände“, die genau den Kapitalismus nicht aus ihrer Analyse aussparen, werden weiterhin vom Verfassungsschutz beobachtet. (Peter Nowak)

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