Arbeitsbedingungen sollten Thema der Sozialproteste sein

Klasse gegen Krise

Mehr Bezug zu realen Problemen und weniger ideologische Abgrenzungsbedürfnisse könnten den Sozialprotesten guttun. Der italienische Hafenarbeiter José etwa lieferte dafür auf der OKG-Konferenz ein gutes Beispiel: Als sich Hafenarbeiter*innen in Italien im letzten Jahr gegen den sogenannten Grünen Pass, also die Impfbescheinigung auf eigene Kosten wehrten, wurden sie von den linken Basisgewerkschaften nicht gleich als rechts abgestempelt. Sondern man organisierte gemeinsam einen mehrtägigen Streik, mit dem durchgesetzt wurde, dass die Impfung von den Konzernen bezahlt wird. So wurde dem Irrationalismus nicht durch Ausgrenzung, sondern durch gemeinsamen Klassenkampf begegnet – eine Strategie, die auch für den deutschen Kontext sinnvoll sein könnte.

»Ich brauche Ihr Feedback nicht, ich weiß selber, wie ich arbeite.« Mit dieser Ansage boykottierte der Hersfelder Amazon-Beschäftigte Andreas Gangl ein zentrales Instrument des Amazon-Managements zur Kontrolle und Disziplinierung. Der Gewerkschafter berichtete von seinem kleinen Erfolg im alltäglichen Arbeitsleben auf der Konferenz »Organisieren – Kämpfen – Gewinnen« (OKG). Hier vernetzten sich Aktivist*innen aus verschiedenen …

… Gewerkschaften sowie unterschiedlichen Branchen mit dem Ziel, die Basis in den Betrieben zu stärken. Dabei stützen sich die OKG-Aktivist*innen auf gewerkschaftliche Organizingmethoden, wie sie in den USA seit Jahren mit Erfolg praktiziert werden. Von der Wiederkehr der Gewerkschaften in den USA wird unter dem Stichwort »Hot Labor Summer« gesprochen; dort erkennen viele Beschäftigte mittlerweile, dass man Druckmittel braucht. Und diese entstehen, wie der Publizist Lukas Hermsmeier in der Wochenzeitung Freitag schreibt, »allermeist dadurch, dass man sich im Kollektiv organisiert. So nachvollziehbar das Auflehnen, Entziehen, Resignieren, so wenig baut sich dadurch wirkliche Macht für die Mehrheit der Lohnabhängigen auf.« Die Diskussionen auf der OKG-Konferenz zeigen, dass diese Erkenntnis auch unter Arbeiter*innen in Deutschland zunimmt. Man konnte viele Geschichten von Niederlagen hören, aber auch von kleinen Erfolgen – in der Krankenhausbewegung, bei der Post, bei Amazon oder bei Lieferando. Schnell wurde deutlich, dass in den unterschiedlichen Branchen die Erfahrungen sehr ähnlich sind; überall wehren sich Lohnabhängige gegen die Zumutungen des Kapitals.  Doch welchen Platz haben die Erfahrungen dieser Lohnabhängigen bei den anlaufenden Sozialprotesten, die viel zu schnell unter der Phrase »Heißer Herbst« gelabelt werden? Sie mit einzubeziehen würde auch dazu beitragen, die Abgrenzung nach rechts nicht gegen die berechtigten Proteste auszuspielen. Denn so richtig es ist, rechte Ideologien zu bekämpfen, so falsch ist es, allen Menschen, welche die angesagten linken Debatten nicht verfolgt haben, gleich mit Misstrauen zu begegnen. Mehr Bezug zu realen Problemen und weniger ideologische Abgrenzungsbedürfnisse könnten den Sozialprotesten guttun. Der italienische Hafenarbeiter José etwa lieferte dafür auf der OKG-Konferenz ein gutes Beispiel: Als sich Hafenarbeiter*innen in Italien im letzten Jahr gegen den sogenannten Grünen Pass, also die Impfbescheinigung auf eigene Kosten wehrten, wurden sie von den linken Basisgewerkschaften nicht gleich als rechts abgestempelt. Sondern man organisierte gemeinsam einen mehrtägigen Streik, mit dem durchgesetzt wurde, dass die Impfung von den Konzernen bezahlt wird. So wurde dem Irrationalismus nicht durch Ausgrenzung, sondern durch gemeinsamen Klassenkampf begegnet – eine Strategie, die auch für den deutschen Kontext sinnvoll sein könnte. Peter Nowak

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