„Es gehört zu den Grundstandards der Menschlichkeit, eine Wohnung zu haben.“ So begründete der Aktionskünstler Kurt Jotter in einem Interview mit dem MieterEcho 384, warum er sich bei seiner Politkunst immer stark auf die Mieterbewegung konzentriert hat. Dabei war er weit über Berlin hinaus als Künstler bekannt. Die Aktionen des 1987 von Jotter und Petersen gegründeten „Büros für ungewöhnliche Maßnahmen“ wurden sogar …
… im Spiegel und der Tagesschau erwähnt. Am 11. Juni 1987 inszenierte es den Mauerbau auf der Kottbusser Brücke als „Anti-Kreuzberger-Schutzwall“ gegen die Abriegelung Kreuzbergs beim Berlinbesuch von Ronald Reagan. Auch die vom Büro für Ungewöhnliche Maßnahmen organisierte Jubelparade als Abgesang auf die Berliner 750-Jahr-Feiern 1987 sorgte für Aufsehen.
„Ich sehe die Aktionen als Real-Montage im Öffentlichen Raum – als theatralische Inszenierung mit Biss und oft auch mit Satire“, beschrieb Jotter seine Arbeitsweise. Dabei traten für ihn aber die politischen Inhalte nie in den Hintergrund. „Das Lachen soll im Halse stecken bleiben und dadurch entsteht der Anreiz, sich mit der Sache zu befassen“, so Jotters Hoffnung.
„Das Lachen im Halse“ lautete auch der Titel einer Ausstellung im Jahr 2014 im Friedrichshain-Kreuzberg-Museum, wo zahlreiche Arbeiten Jotters aus den letzten 40 Jahren präsentiert wurden. Schon damals gehörte der Kampf um bezahlbare Wohnungen zu seinen Hauptbetätigungsfeldern. „Richtig kampagnenmäßig haben wir gegen den Weißen Kreis gearbeitet, zusammen mit Gewerkschaften und vielen anderen“, erinnerte sich Jotter an die 1987 entstandene Bewegung gegen die Aufhebung der Mietpreisbindung in Westberlin.
Jotter engagierte sich in dieser breiten Bewegung, in der auch die Berliner Mietergemeinschaft ein wichtiger Teil war. Jotter war mit anderen für die Lichtkunstkampagne „Berlin wird helle“ verantwortlich, die im März 1987 ein großes Ereignis war und Mieter/innen und Künstler/innen vernetzt hat. „Mit Projektionen auf Häuserwänden wurde deutlich gemacht, dass die Wohnung die dritte Haut des Menschen ist und Bedeutung für die gesamte Existenz hat. Die mieterfeindliche und kapitalfreundliche Entwicklung wurde so angeprangert. Bis hin zur Tagesschau berichteten alle“, erinnerte sich Jotter.
Nach 2014 wieder in der Berliner Mieterbewegung aktiv
Als er sich nach einer längeren Pause ab 2013 wieder der Aktionskunst widmete, war die neu entstandene Mieterbewegung erneut Jotters wichtigster Bezugspunkt. Dabei war es ihm wichtig, Performances und Installationen gemeinsam mit von Verdrängung betroffenen Bewohner/innen zu gestalten. So inszeniert Jotter gemeinsam mit Mieter/innen aus Schmargendorf 2017 vor dem Reichstag die Performance DÄMMokratie. Damit protestierten sie gegen energiepolitisch fragwürdige Dämmmaßnahmen, mit denen die Eigentümer die Mieten erhöhen können.Auch mit von Zwangsräumung bedrohten Mieter/innen wie Sven Fischer, der in der Kopenhagener Straße 48 über viele Jahre auf einer Baustelle leben musste, inszenierte Jotter über Jahre Widerstandskunst.
Im letzten Jahr wurde Jotter als Radfahrer in Berlin von einem Auto erfasst und schwer verletzt. Davon erholte sich nicht mehr. Am für die Westberliner außerparlamentarische Opposition so wichtigen 2. Juni ist Jotter im Alter von 72 Jahren gestorben, wie erst jetzt bekannt wurde. „Kurt Jotter bereicherte die Mieterbewegung, weil es ihm gelang, aktuelle Proteste mit Aktionsformen der1980er Jahre zu verbinden, beschreibt der Regisseur Matthias Coers die wichtige Rolle seines Freundes bei den Protesten der letzten Jahre.
Peter Nowak
Interview mit Aktionskünstler Kurt Jotter: „Die mieterfeindliche und kapitalfreundliche Entwicklung angeprangert“ in ME 384: Text | PDF
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