Die Behinderung einer Kurdistan-Exkursion hat ein gerichtliches Nachspiel

»Spekulationen und Behauptungen«

Die Mit­klä­ge­rin Thea Ohling, die sich gegen Ras­sis­mus enga­giert, woll­te sich in Kur­di­stan vor allem über die Bil­dungs­po­li­tik der Selbst­ver­wal­tungs­or­ga­ne infor­mie­ren. Mit dem Rei­se­bann sei ihr ver­wehrt wor­den, sich vor Ort zu infor­mie­ren und die Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen des tür­ki­schen Mili­tärs anzu­pran­gern, kri­ti­sier­te Ohling.

»Mir wur­den die Rei­se­frei­heit und die Mög­lich­keit genom­men, mich für den Frie­den in Kur­di­stan ein­zu­set­zen. Und das alles auf Basis einer Unter­stel­lung«, erklär­te Ron­ja H. am Don­ners­tag in Ham­burg auf einer Pres­se­kon­fe­renz. Die Frau woll­te am 12. Juni 2021 als Teil­neh­me­rin einer Men­schen­rechts­de­le­ga­ti­on nach Kur­di­stan rei­sen. Dar­un­ter waren Gewerkschafter*innen, Journalist*innen und Politiker*innen wie Can­su Özde­mir, Abge­ord­ne­te der Lin­ken in der Ham­bur­ger Bür­ger­schaft. Doch beim Ein­che­cken am Düs­sel­dor­fer Flug­ha­fen wur­de …

… einem Teil einer Dele­ga­ti­on von der Bun­des­po­li­zei ein Aus­rei­se­ver­bot vor­ge­legt. Am Don­ners­tag reich­te Ron­ja H. zusam­men mit der Leh­re­rin Thea Ohling am Ver­wal­tungs­ge­richt Köln eine Kla­ge gegen die­ses Ver­bot ein. Es ist tat­säch­lich mög­lich, nach dem Pass­ge­setz eine Aus­rei­se aus Deutsch­land zu ver­weh­ren. Aber nur, wenn ent­we­der die inne­re oder äuße­re Sicher­heit Deutsch­lands gefähr­det ist oder wenn sons­ti­ge erheb­li­che Belan­ge der BRD betrof­fen sind«, erklär­te die Anwäl­tin Cor­ne­lia Gan­ten-Lan­ge. Doch genau das sei bei der Aus­rei­se­ver­fü­gung vor einem Jahr nicht der Fall gewe­sen. Die Bun­des­po­li­zei habe haupt­säch­lich Spe­ku­la­tio­nen und Behaup­tun­gen auf­ge­stellt, es sei­en aber kei­ne Bewei­se benannt wor­den, monier­te Gan­ten-Lan­ge. So wer­de auf anony­me Tex­te im Inter­net Bezug genom­men, nach denen die Teilnehmer*innen der Dele­ga­ti­on als leben­de Schutz­schil­de agie­ren und somit die Bezie­hun­gen zur Tür­kei gestört wer­den könn­ten, so die Anwältin.

Sie ist den­noch nicht sehr opti­mis­tisch, dass die Kla­ge Erfolg hat. Es sei unklar, wie lan­ge sich das Gericht Zeit für eine Ent­schei­dung lässt. Trotz­dem sei es rich­tig, das Aus­rei­se­ver­bot auch nach­träg­lich für unrecht­mä­ßig erklä­ren zu las­sen, beton­te auch Ron­ja H. »Wir wur­den wie Kri­mi­nel­le behan­delt. Auf die Toi­let­te durf­ten wir nur mit poli­zei­li­cher Beglei­tung«, kri­ti­sier­te sie die Situa­ti­on am Düs­sel­dor­fer Flug­ha­fen. Akten­ein­sicht sei im Nach­hin­ein mit der Begrün­dung ver­wei­gert wor­den, dadurch könn­ten Sicher­heits­be­lan­ge der Bun­des­re­pu­blik beein­träch­tigt wer­den. Mit der Kla­ge wol­le sie erfah­ren, von wem die Initia­ti­ve für das Aus­rei­se­ver­bot aus­ging, ob das tür­ki­sche Regime die Anwei­sung gab oder die Poli­zei eigen­stän­dig handelte.

Die Mit­klä­ge­rin Thea Ohling, die sich gegen Ras­sis­mus enga­giert, woll­te sich in Kur­di­stan vor allem über die Bil­dungs­po­li­tik der Selbst­ver­wal­tungs­or­ga­ne infor­mie­ren. Mit dem Rei­se­bann sei ihr ver­wehrt wor­den, sich vor Ort zu infor­mie­ren und die Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen des tür­ki­schen Mili­tärs anzu­pran­gern, kri­ti­sier­te Ohling.

Die Sozi­al­wis­sen­schaft­le­rin Mecht­hild Exo berich­te­te über die Rei­se der durch das Aus­rei­se­ver­bot stark geschrumpf­ten Dele­ga­ti­on. So gab es Gesprä­che mit kur­di­schen Par­tei­en, aber auch mit zivil­ge­sell­schaft­li­chen Orga­ni­sa­tio­nen aus der Umwelt- und Frie­dens­be­we­gung. Exo berich­te­te aller­dings auch über die mas­si­ven Behin­de­run­gen der Dele­ga­ti­on durch Mit­glie­der der kon­ser­va­ti­ven Demo­kra­ti­schen Par­tei Kur­di­stans (KDP), die eng mit dem tür­ki­schen Staat koope­riert. Die KDP habe eine Pres­se­kon­fe­renz der Dele­ga­ti­on ver­hin­dert und dafür gesorgt, dass auch in Erbil ein Teil der Dele­ga­ti­on nicht ein­rei­sen konn­te. »Vor einem Jahr war die Frie­dens­de­le­ga­ti­on ein Hin­der­nis dabei, den Krieg wei­ter eska­lie­ren zu las­sen. Und auch heu­te wäre eine sol­che Dele­ga­ti­on not­wen­dig,« erklär­te Exo mit Ver­weis auf die jüngs­ten Angrif­fe der Tür­kei gegen Kurdistan.

Exo ging auch ein auf die Dro­hun­gen der tür­ki­schen Regie­rung gegen kur­di­sche Struk­tu­ren in Finn­land und Schwe­den im Kon­text des geplan­ten Nato-Bei­tritts. Es bestehe die Gefahr einer wei­te­ren Ver­fol­gung von Aktivist*innen, die zu wenig gese­hen wer­de, warn­te Exo. Sie und ihre Mitstreiter*innen woll­ten sich wei­ter für die demo­kra­ti­sche Bewe­gung in Kur­di­stan enga­gie­ren. Mit der Kla­ge könn­te zumin­dest erreicht wer­den, dass ein neu­er­li­ches Aus­rei­se­ver­bot schwe­rer umzu­set­zen ist.

Peter Nowak