Mit Orbans Sieg hatte kaum jemand gerechnet. Doch auch linksliberale Kriegsszenarien brachten den Rechten Stimmen ein

Ungarn: Russland-Freunde in der EU können Wahlen gewinnen

Aufmerksam beobachtet wird der ungarische Wahlausgang auch in rechten Medien in Deutschland wie PI-News, für die Orban schon lange der Ministerpräsidenten der Herzen ist. Anders als andere rechte Politiker, in Italien und Österreich beispielsweise, hat er es verstanden, sich an der Macht zu halten und die Gesellschaft im rechtskonservativen Sinne umzubauen. Nun haben die rechten Bewunderer beobachtet, wie ihm der russische Krieg in der Ukraine nicht geschadet, sondern im Gegenteil genützt hat – und dass in einem Land, in dem 1956 die Rote Armee einen Aufstand, der von Teilen der Bevölkerung getragen wurde, niederschlug.

In der Europäischen Union dürfte Viktor Orban dürfte wohl der einzige Regierungschef sein, dem Putin jüngst zum Wahlerfolg gratuliert hat. Der amtierende ungarische Ministerpräsident weist diese Grüße in diesen Tagen auch nicht umgehend zurück. Das hat wohl auch mit Putins Krieg in der Ukraine zu tun, dem Orban seinen Wahlsieg zu verdanken haben könnte, wie viele Kommentatoren meinen. Selbst treue Unterstützer hatten einen so deutlichen Erfolg nicht erwartet. Schließlich hatte sich eine Querfront gegen Orban zusammengefunden, die von der einst offen neonazistischen Jobbik-Partei bis zu den Linksgrünen reichte. Das wäre etwa so, als wenn sich in Deutschland …

… von der NPD bis zur Linkspartei alle gegen einen AfD-Ministerpräsidenten zusammenschließen und als Kandidaten einen Mann vom rechten Unionsflügel ernennen.

Um bloß keine rechten Wähler zu verschrecken, hatte das Oppositionsbündnis mit Peter Marki-Zay einen langjährigen Anhänger der regierenden Fidesz-Partei aufgestelt, der sich mit Orban zerstritten hatte. Das war auch das Einzige, was ihn vom alten und neuen ungarischen Ministerpräsidenten innenpolitisch unterschied.

Außenpolitisch waren die Unterschiede hingegen deutlich. Marki-Zay wurde als proeuropäisch bezeichnet. Konkret bedeutet das, er hätte die Konfrontationspolitik gegenüber der EU aufgegeben, für welche die Orban-Regierung seit Jahren bekannt ist.

Auch hatte sich Marki-Zay im Ukraine-Krieg klar von Russland abgegrenzt und wäre wohl als Ministerpräsident in dieser Frage auf EU-Linie eingeschwenkt. Ihn hätte Putin wohl kaum zu einem Wahlsieg gratuliert.

Warum schadete Orban seine Putin-Nähe nicht?

Orban hingegen hat aus seiner Nähe zum russischen Präsidenten nie einen Hehl gemacht. Daher war erwartet worden, dass der russische Einmarsch in die Ukraine Orban Stimmen kosten würde. Putin wurde sogar als Gamechanger bezeichnet, der der Fidesz endgültig die Regierung kosten könnte.

Nun steht tönende die Frage durch den Raum, warum das Gegenteil eingetreten ist und die Fidesz in den letzten Wochen wieder an Stimmen gewonnen hat. Es ist sicher nicht falsch, auf die autoritäre Formierung der ungarischen Gesellschaft zu blicken, die die Fidesz-Regierung vorangetrieben hat. Das geht bis zum Zuschnitt der Wahlkreise, der dazu beiträgt, dass die Partei mit knapp 53 Prozent der Stimmen im neugewählten Parlament 135 von 199 Parlamentssitzen besetzt und damit weiterhin über eine Zweidrittelmehrheit verfügt.

Doch auch die außenpolitische Position hat Orban nicht geschadet, sondern genützt. Orban verurteilte pflichtgemäß den Einmarsch Russlands in die Ukraine. Er legte aber kein Veto gegen EU-Sanktionen ein. Zugleich machte er immer deutlich, dass seine Regierung die Handelsbeziehungen zu Russland nicht abbrechen und Ungarn aus dem Konflikt heraushalten wird. Der Opposition hingegen warf er vor, sie würde Ungarn in den Krieg führen und malte sogar das Bild von ungarischen Soldaten an die Wand, die in dem Krieg sterben könnten.

Angst vor linksliberalen Kriegsszenarien

Das war natürlich eine typische rechtspopulistische Überspitzung; aber sie fand Gehör. Ein Grund dafür dürften die Diskussionen in linksliberalen Kreisen sein, wie der Krieg zwischen Russland und der Ukraine ein Ende finden könnte.

Manche Szenarien laufen darauf hinaus, dass Soldaten aus den Ländern der EU gegen Russland kämpfen. Oder wie soll die von Jan Feddersen in der taz gefordert Zerstörung des Putin-Regimes sonst erreicht werden?

Letztlich kommt es darauf an: dass das Putin-Regime zerstört wird, mit dem Chef in Den Haag vor dem Obersten Gerichtshof, Nürnberg 2.0 quasi, höchstselbst für seine Verbrechen einstehend. Ein „Regime Change“ durch Russ*innen und ihre Alliierten, also auch mit unserem Support. Und danach geht es um die Frage von Reparationen: Russland vor allem hat den Wiederaufbau der Ukraine zu finanzieren. Nötigenfalls mit internationalen Strafbefehlen und Aushebung der oligarchischen Konten.

Jan Feddersen

Jan Feddersen schreibt, das Ziel könne „kein Waffenstillstand und sozialpädagogischer Staatenstuhlkreis“ sein. Tatsächlich erinnert sein Szenario mindestens an den Ausgang des Nato-Kriegs im Irak. Jeder, der sich historisch etwas auskennt, weiß, dass die Voraussetzung dafür die militärische Niederlage war.

Doch wer soll für die militärische Niederlage des Putin-Regimes sorgen, das ja Voraussetzung für seine Aburteilung in Den Haag und für Reparationen wäre? Schon bei der Trump-Wahl vor fast sechs Jahren stellte der grünen-nahe Politologe Claus Leggewie die Frage, ob die Europäer bereit wären, für Riga zu sterben.

Damit bezweifelte er, dass die EU das Baltikum notfalls gegen ein Putin-Russland auch militärisch verteidigen würde. Damals gab er aus seiner Sicht eine negative Antwort. Heute ist er wohl optimistischer. Es ist daher nicht überraschend, dass auch Leggewie aktuell für einen Regime-Change in Russland plädiert.

Nun dürfte kaum einen Orban-Wähler interessieren, was Jan Feddersen und Claus Leggewie in der taz diskutierten. Doch diese Thesen sind in linksliberalen Kreisen aller EU-Länder verbreitet und spielten daher auch im ungarischen Wahlkampf eine Rolle. Orban konnte punkten, in dem er versprach, Ungarn aus dem Konflikt rauszuhalten.

Rechte Kreise feiern Orban

Aufmerksam beobachtet wird der ungarische Wahlausgang auch in rechten Medien in Deutschland wie PI-News, für die Orban schon lange der Ministerpräsidenten der Herzen ist.

Anders als andere rechte Politiker, in Italien und Österreich beispielsweise, hat er es verstanden, sich an der Macht zu halten und die Gesellschaft im rechtskonservativen Sinne umzubauen. Nun haben die rechten Bewunderer beobachtet, wie ihm der russische Krieg in der Ukraine nicht geschadet, sondern im Gegenteil genützt hat – und dass in einem Land, in dem 1956 die Rote Armee einen Aufstand, der von Teilen der Bevölkerung getragen wurde, niederschlug.

Das ist für die Rechtsparteien auch deshalb interessant, weil viele von ihnen selber als Putin-Freunde gelten und sich gerne haben von der russischen Regierung empfangen lassen. Mit Beginn des Ukraine-Krieges schien diese putinfreundliche Rechte in der Defensive. Peter Nowak

Direkt den Einmarsch unterstützen kann sie nicht, aber alle Brücken zur aktuellen russischen Regierung will sie auch nicht abbrechen. Zudem traten bei den Ultrarechten in der EU große Spannungen wegen der Positionierung zu Russland auf, was auch das Bündnis der Visegrad-Staaten aktuell lähmt.

Dieses Bündnis hat vor allem mit der Abwehr von Geflüchteten aus dem nichteuropäischen Ausland die Festung EU geschlossen gehalten, stand aber auch zunehmend im Widerspruch zu linksliberalen Tendenzen in vielen EU-Staaten und im EU-Apparat.

Eine gemeinsame Position zu Russland gibt es aber nicht. Während Orban sich aus dem Konflikt heraushalten will, gehörten die Regierungen von Polen und Slowenien, die Teil des Visegrad-Bündnisses waren, zu den Kräften, die den Konflikt unter anderem durch Flugverbotszonen ausweiten wollten.

Allerdings ist nicht zu erwarten, dass die Beziehungen zwischen den Regierungen der Visegrad-Staaten sich dauerhaft verschlechtern werden. Schließlich sind die ungarische und die polnische Regierung aufeinander angewiesen. Mit ihrem Veto können sie bestimmte Sanktionsmaßnahmen verhindern, mit denen die EU-Gremien diese illiberalen Demokratien bestrafen wollen. Dabei geht es unter anderem um den Umbau der Justiz, die Beschneidung von Minderheitenrechten.

Diese Debatte dürften die EU-Rechten nach Orbans Wahlsieg forcieren. Im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine werden sie versuchen, aus der Angst vor weiteren militärischen Verwicklungen wie den ökonomischen Folgen der Sanktionen Profit zu schlagen. Damit könnten sie Erfolg haben, wenn sie den Fokus beispielsweise auf die hohen Spritkosten legen.

Und die Linke?

Linke Gruppen sind in Ungarn so marginal, dass sie als Teil der Querfront gegen Orban kaum wahrgenommen werden. Der gemeinsame Nenner war die Ablehnung des autoritären Staatsumbaus unter Orban. Dass es sich um eine Maßnahme in einem kapitalistischen Staat im Interesse der Kapitalkräfte handelte, wurde nicht thematisiert.

In anderen EU-Ländern wird sich zeigen, ob linke Gruppen als Feigenblatt der Linksliberalen ebenfalls verschwinden, oder es schaffen, die Verbindung zwischen Kapitalismus und autoritären Staatsumbau zu vermitteln und auch in sozialen Kämpfen auszudrücken. Peter Nowak