Der Soziologe Philipp Metzer hat in seinen kürzlich im Mandelbaum-Verlag erschienenen Buch «Wohnkonzerne Enteignen» die These aufgestellt, dass ein erfolgreich umgesetztes Volksbegehren eine Säule der Immobilienbranche ins Wanken bringen könnte. Das Abstimmungsergebnis könnte ein erster Schritt dazu sein. Nun muss für die Umsetzung gekämpft werden.

Berlin enteignet

Das Berliner Volksbegehren für den Rückkauf von Wohnungen von privaten Immobilienunternehmen, das unter dem Titel «Deutsche Wohnen und Co. Enteignen» firmierte, war erfolgreich. Am 26.September stimmten rund 57 Prozent dafür. Bei der Umsetzung spielen die Mietrebell*innen eine wichtige Rolle.

«Wir fordern vom Berliner Senat, alle Massnahmen einzuleiten, die zur Überführung von Immobilien in Gemeineigentum erforderlich sind», ist auf der Website dwenteignen.de der Initiant*innen des Volksbegehrens (gleichzusetzen mit einer Volksinitiative in der Schweiz) zu lesen. Konkreter: Private profitorientierte Immobiliengesellschaften, die mehr als …

… 3000 Wohnungen in Berlin besitzen, werden enteignet, um ihre Bestände in Gemeineigentum zu überführen. Genossenschaften sollen nicht enteignet werden. Die betroffenen Unternehmen werden deutlich unter Marktwert entschädigt. Zur Verwaltung der Bestände wird eine Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR) geschaffen. Statutarisch wird verankert, dass die Bestände der AöR nicht privatisiert werden dürfen. Und in der AöR werden die in Gemeineigentum überführten Bestände unter demokratischer Beteiligung von Stadtgesellschaft, Mieter*innen, Beschäftigten und Senat verwaltet.

Klare Forderungen formuliert
Das Volksbegehren wäre nicht möglich gewesen, ohne Tausende von Aktivist*innen, die über Monate Unterschriften gesammelt haben und bis zur letzten Minute vor der Abstimmung um Unterstützung geworben haben. In traditionell linken Berliner Stadtteilen wie Kreuzberg, Friedrichshain und Neukölln stimmte eine starke Mehrheit für einen regulierten Wohnungsmarkt. Aber auch in Stadtteilen, in denen konservative Parteien dominieren wie in Charlottenburg, kam eine Mehrheit für das Volksbegehren zusammen. Der Erfolg zeigt, dass eine linke Bewegung Erfolg erzielen kann, wenn sie klare Forderungen formuliert, die für einen Grossteil der Bevölkerung verständlich sind. Deshalb haben in diesen Fall rechte Kampagnen vom Eigentümerblock, der parlamentarisch aus CDU, FDP und AfD bestand, nicht gezogen. Sie versuchten, den Rückkauf von Wohnungen als Vorstufe zum Kommunismus darzustellen.

Eine Selbstverständlichkeit, doch…
«Wir verschwinden so schnell nicht wieder», kündigte eine der Sprecherin der Initiative nach dem Erfolg selbstbewusst an. Tatsächlich beginnen die Mühen der Ebene jetzt erst. Denn es wurde aus juristischen Gründen kein konkreter Gesetzesentwurf zur Abstimmung vorgelegt. Dies unter anderem auch, weil die Vorstellungen über die Summe der beim Rückkauf fälligen Entschädigungen noch völlig offen ist. Die rechte Sozialdemokratin Franziska Giffey, die wohl grosse Chance hat, die künftige Bürgermeisterin von Berlin zu werden, hatte in den letzten Wochen mehrmals erklärt, dass sie auch ein erfolgreiches Volksbegehren nicht umsetzen würde. Sie hat sogar die Ablehnung der Enteignung zur Voraussetzung für eine Beteiligung an einer von ihr geführten Koalition gemacht.
Das war ein deutliches Signal an die Linkspartei, die die Initiative DWEnteignen unterstützt hat. Jetzt müsste die Linkspartei den Spiess umdrehen und klar machen, dass sie nur in eine Regierung eintritt, die sich klar dazu bekennt, dass erfolgreiche Volksbegehren umzusetzen. Das ist im Grunde eine demokratische Selbstverständlichkeit, doch wenn es um die Einschränkung von Kapitalmacht geht, stösst das Demokratieverständnis der Kapitalparteien schnell an Grenzen. Dass sich auch ein vor kurzer Zeit noch als SPD-Linker und Kapitalistenschreck durch die Medien und Talkshows gereichte Kevin Kühnert vor der Abstimmung gegen DW Enteignen ausgesprochen hat, zeigt, wie sich die Anpassungsleistungen linker Jusos zugunsten von Kapitalinteressen heute beschleunigt haben.

Ins Wanken bringen
Die Linkspartei müsste nun auf der parlamentarischen Ebene für die Umsetzung des Volksentscheids kämpfen, wie die vielen Berliner Mietrebell*innen es schon seit Jahren auf ausserparlamentarischer Ebene machen. «Mietrebellen» lautet auch ein viel gezeigter Film von Matthias Coers, der bereits 2014 die Breite der Berliner Mieter*innenbewegung dokumentierte.
Ohne sie hätte es den Volksentscheid gar nicht gegeben. Der Soziologe Philipp Metzger hat in seinen kürzlich im Mandelbaum-Verlag erschienenen Buch «Wohnkonzerne Enteignen» die These aufgestellt, dass ein erfolgreich umgesetztes Volksbegehren eine Säule der Immobilienbranche ins Wanken bringen könnte. Das Abstimmungsergebnis könnte ein erster Schritt dazu sein. Nun muss für die Umsetzung gekämpft werden.