Wie Ansätze von Lockerungen trotz massiv sinkender Infektionszahlen verhindert werden. Und wie sich progressive Akteure politisch verrennen

Social-Media-Kampagne erzwingt weitere Maskenpflicht

Das hat sich in den letzten Monaten gezeigt, wo viele aktive Antifaschisten eher militante Hygieneberater wurden. Das wird schon an manchen Parolen deutlich, die auf Transparenten zu lesen waren. Da heißt es in eher jugendgemäßer Sprache "Widerstand heißt Antifa - durchgeimpft und wunderbar." Auch eher auf mäßigem Niveau blieb die Parole "Pandemie und trotzdem da -durchgeimpfte Antifa". Da mochte man die doch eher jungen Aktivisten fragen, ob sie sich womöglich in der Impffolge vorgedrängelt haben.

Unlängst berichtete der NDR über Pläne der niedersächsischen Landesregierung, die Hoffnung auf eine weitere Lockerung der Corona-Maßnahmen machten. In Regionen mit stabilen Inzidenzwerten unter 50 sollte nach Pfingsten die Testpflicht für den Einzelhandel entfallen. Zudem könnte, so hieß es weiter, die Maskenpflicht für den Einzelhandel in Regionen mit einer stabilen Sieben-Tage-Inzidenz unter 35 an fünf aufeinanderfolgenden Werktagen aufgehoben werden. Auch die Begrenzung der Kundenzahl in Relation zur Größe der Verkaufsfläche könnte bei dieser Inzidenz entfallen. Ein Grund zur Freude, hätte man denken können. Endlich mal ohne Maske durchatmen. Doch schon wenige Stunden später kam die Enttäuschung. Denn …

… die niedersächsische Landesregierung lenkte ein, wie der NDR titelte. Die Maskenpflicht bleibt bestehen, auch wenn das medizinisch nicht mehr zwingend geboten ist. Nun fragt man sich natürlich, woher denn der Druck kam, unbedingt die Masken beizubehalten.

Der Norddeutsche Rundfunk gab die Antwort: Grund sei eine „Kampagne in sozialen Netzwerken“ gewesen. Unter dem Hashtag #diemaskebleibtauf hätten viele Menschen ihr Unverständnis über die Lockerungspläne Niedersachsens publik gemacht. „Deutschland hat die Maske zu spät aufgesetzt. Jetzt soll sie zu früh abgenommen werden. Das kostet Menschenleben“, habe es in einem Kommentar geheißen. „Nutzer kündigten außerdem an, kein Geschäft ohne Maskenpflicht betreten zu wollen – und ihre Einkäufe lieber online erledigen zu wollen“, so der NDRweiter.

Maske auf, Maßnahmen weiter verteidigen – und die Daten schön den Internetkonzernen anvertrauen. Da freut sich die Digitalindustrie, mag man denken. Zumal ein Großteil des Mitte-links-Lagers eher zu jenen gehört, die sich eher für eine Beibehaltung der Maskenpflicht einsetzen, als sich zu freuen, dass Menschen wieder Gesicht zeigen und ihre Daten bewahren können.

Von Antiimps und Antiimpfs

Das hat sich in den letzten Monaten gezeigt, wo viele aktive Antifaschisten eher militante Hygieneberater wurden. Das wird schon an manchen Parolen deutlich, die auf Transparenten zu lesen waren. Da heißt es in eher jugendgemäßer Sprache „Widerstand heißt Antifa – durchgeimpft und wunderbar.“ Auch eher auf mäßigem Niveau blieb die Parole „Pandemie und trotzdem da -durchgeimpfte Antifa“. Da mochte man die doch eher jungen Aktivisten fragen, ob sie sich womöglich in der Impffolge vorgedrängelt haben.

Es ist das Eine, den eigenen Umgang mit der Impfung zur antifaschistischen Identität zu erklären oder Dritten mit Slogans wie „Wir Impfen Euch alle“ zu drohen. Bei der offen formulierten Intention, über den Körper von anderen bestimmen zu wollen, kann man schon von einer Grenzüberschreitung sprechen.

Nicht nur der Publizist Gerhard Hanloser fragt sich, ob diese Impfdrohung tätiger Antifaschismus ist. Auch die Publizistin Elena Wolf hat in der Wochenzeitung Kontext nicht nur irrationale Impfgegner, sondernauch militante Impfbefürworter gut karikiert:

Rechts also die Anti-Impfs. Links die Impfifa. Ein Triggerwort – und ab geht die Luzie in der Wilden Maus auf dem Volksfest der Gefühle. … In der Meme-Welt hat aggressive Impfgeilheit tatsächlich viel Unterhaltungswert. Gleichzeitig schleicht sich aber mit der Mischung aus Impfjokes und ernsthafter Fixierung auf dieses eine Thema ein Effekt ein, der weniger lustig ist: Wer jetzt nicht manisch lachend mit Anlauf in die Spritzen hüpft, läuft Gefahr, in Schwurbelgewässern gesehen zu werden.

Elena Wolf

Denen werden dann schnell mal die Grundrechte eingeengt, wie auch am 1. Mai bei einer Demonstration von Impfkritikern, die sich selber als Linke verstehen. Diese Selbsteinschätzung kann zwar durchaus infrage gestellt werden. Doch auf einem Video wurde deutlich, dass rechte Parolen ganz klar unerwünscht waren. Dagegen wurden wiederholt Parolen gegen Nazis skandiert.

Die impffreundliche Antifa gab es daher bald auf, Parolen gegen rechts zu skandieren, weil die immer wieder von ihren impfkritischen Gegnern erwidert wurden. Dann verlegten sie sich auf die Parole „Corona-Leugner raus aus den Kiezen“. Und plötzlich wurde ein Protest gegen Rechte unversehens zu einer Auseinandersetzung über den Umgang mit einer Krankheit.

Betriebsrat: „Ohne Tests kommt hier keiner rein“

Zudem ist die Antifa mit dem Anspruch nicht allein, über die Körper anderer Menschen bestimmen zu können. Unlängst erklärte der Betriebsrat eines Metallkonzerns in Baden-Württemberg gegenüber der Wochenzeitung Kontext zum Umgang mit Corona-Tests:

„Ohne Test kommt hier keiner rein.“ 

„Und wenn doch jemand sagt, er will nicht? 

Bokowits schüttelt den Kopf. „Das gibt’s bei uns nicht. Wir haben hier keine Querdenker.“ Und wenn sich doch mal jemand weigert, „soll er doch vor Gericht gehen“.

Wochenzeitung Kontext

Das sagt ein Betriebsratsvorsitzender, der eigentlich die Interessen aller Beschäftigten vertreten sollte. Hat er denn nachgefragt, wie seine Kolleginnen und Kollegen zu der Frage stehen? Eigentlich würde bei kritischen Geistern ein solcher Betriebsrat als Musterbeispiel für autoritäres Handeln gesehen. Doch unter Corona-Bedingungen ist vieles anders.

Da wird gleich zum Querdenker erklärt, wer Fragen zur Maske, zum Test oder zur Impfung hat. Wer sich da zu freuen wagte, dass die Maskenpflicht zumindest punktuell aufgehoben werden sollte, wird dann natürlich auch gleich ins Gegnerlager eingeordnet.

„Pfingsten heißt Freiheit“ titelte die linksliberale taz über die letzten Tage in der Hauptstadt. Dass da alle die Masken tragen mussten, brauchte natürlich gar nicht mehr erwähnt zu werden. Da wird auch daran erinnert, dass es ja noch Corona noch viele andere Pandemien geben kann.

Daher wäre es tatsächlich sinnvoll, wenn sich viele Menschen impfen lassen würden. Doch nicht auf Druck, sondern auf der Basis von Argumenten und auf Freiwilligkeit. Es ist eher zu befürchten, dass die Wolf’sche „Impfifa“ eher das Gegenteil von dem erreicht, was sie anzustreben vorgibt. Peter Nowak