Soziales Zentrum in Slowenien geräumt

Alternative Freiräume gegen Kapitalverwertung

„Die slowenische Rechtsregierung des Orbán-Freundes Janez Janša geht gegen unabhängige Linke vor. Die Räumung des Sozialen Zentrums ROG in Ljubljana könnte erst der Anfang gewesen sein.“ Peter Nowak schreibt für die Graswurzelrevolution über die Räumung des ROG (Avtonomna Tovarne ROG), des besetzten Industriekomplexes am östlichen Rand des Zentrums von Ljubljana, in dem früher das berühmte Rog-Fahrrad hergestellt wurde. (GWR-Red.)

„Angestellte der Security Firma Valina haben sich gewaltsam Zugang zu den Räumen der autonomen Factory Rog verschafft. Gewaltvoll unter Einsatz physischer Gewalt, haben sie Menschen verletzt und das Gebäude komplett geräumt. Unsere persönlichen Sachen, Tiere und wertvolles Equipment mussten wir zurück lassen, zusammen mit 15 Jahren unserer Träume, Aktivismus, Projekten, Abenteuer und gemeinsamer Erfahrung“. Diese traurigen Sätze schrieben die geräumten Besetzer*innen des …


… Sozialen Zentrums ROG im Zentrum der slowenischen Hauptstadt Ljubljana am 19. Januar 2021 an ihre internationalen Unterstützer*innen. In den frühen Morgenstunden dieses Tages wurde das Gebäude von schwerbewaffneten Polizist*innen umstellt und anschließend gestürmt. Sie stellten Gitter auf, ließen niemand mehr rein und raus und begannen mit der Räumung. Zahlreiche Menschen wurden verletzt und festgenommen. An diesem Wintermorgen endete die Geschichte eines Sozialen Zentrums, das in viele europäische Länder ausgestrahlt hat. 

Symbol war das Fahrrad

Das Fahrrad über dem Eingang war zum Symbol des selbstverwalteten Zentrums nur knapp 500 Meter von der zentralen Löwenbrücke, einem der Treffpunkte des Tourismus in Ljubljana, geworden. Die exponierte Lage sorgte für Begehrlichkeiten des Kapitals, welches dieses Grundstück teuer vermarkten wollte. Mehrere Räumungsversuche und einen brutalen Überfall von Faschist*innen haben die Bewohner*innen des ROG in den 15 Jahren seines Bestehens überstanden. Mit der Räumung des ROG ist die Regierung des Rechtskonservativen Janša, der ideologisch seinen Vorbild Viktor Orbán aus Ungarn nacheifert, nun ihren Ziel näher gekommen, eine konservative Ordnungszelle aus dem Land zu machen. Selbstverwaltete linke Zentren wie das ROG sind der rechten Regierung ein Dorn im Auge. 

Das Gebäude hatte vor der Besetzung eine wechselvolle Geschichte. 1871 wurde dort eine Gerberei errichtet. Diese gehörte bis in die 1930er Jahre zu den Hauptproduzenten von Lederwaren, die auch in viele europäische Länder exportiert wurden. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Lederfabrik verstaatlicht. In den 1950er Jahren veränderten die Geschäftsführer die Produktpalette. Die Fabrik erhielt einen neuen Namen und ein neues Symbol: In der Fabrik wurden Fahrräder der Marke ROG produziert, was auf Deutsch Horn heißt. 

In einer Ausstellung, die vor einigen Jahren im Städtischen Museum von Ljubljana zu sehen war, wird die Geschichte der Industrie in und um die slowenische Hauptstadt ausführlich dargestellt. In einem Film der Ausstellung wurde an Hand von über 20 Beispielen die Deindustrialisierung der Region in den letzten Jahren dokumentiert. Aufnahmen von Fabriken in den Hochzeiten ihrer Produktivität kontrastieren mit Bildern, die überwiegend leere Fabrikgebäude zeigen. Einzig beim ROG wird in dem Film darauf hingewiesen, dass auf dem Areal ein autonomes Sozialzentrum entstanden ist und sich die aktuellen Nutzer*innen mit der Geschichte des Gebäudes auseinandersetzen. 

Mit der Fahrradproduktion konnten sich die Besetzer*innen, darunter viele Veganer*innen und Tierrechtler*innen, identifizieren, mit der ehemaligen Lederfabrik dagegen nicht. Das ROG war für viele jüngere Menschen ein Freiraum mitten in Ljubljana, für andere ein Ort künstlerischer Aktivität. Im Hof standen zahlreiche Skulpturen, teilweise kunstvoll aus Draht fabriziert und mit dem Abfall der Konsumgesellschaft garniert. Auch diese Werke einer unabhängigen Kunstszene fielen der Räumung zum Opfer. 

Das ROG unterstützte transnationale Krisenproteste

Dahinter stehen Politik und Kapital, die alternative Lebensformen nur akzeptieren, wenn sie sich der Kapitalverwertung unterordnen. Doch das ROG hat sich in den letzten 15 Jahren immer wieder gegen diese Kapitalinteressen gestellt. Als im Rahmen der Krisenproteste in den Jahren 2009 – 2012 in vielen vor allem südeuropäischen Ländern eines starke Protestbewegung entstand, wurde sie von den Nutzer*innen des ROG unterstützt. So gab es dort vor einigen Jahren ein europäisches Treffen von linken Aktivist*innen, die sich der Unterstützung von Arbeitskämpfen auf transnationaler Ebene widmen wollten. Darunter waren auch linke Aktivist*innen aus Deutschland, die damals überlegten, wie sie einen europäischen Generalstreik in verschiedenen europäischen Ländern unterstützen könnten. Die Idee war aus den Erfahrungen einer europäischen Streikbewegung in den Ländern der europäischen Peripherie geboren, die am 29. März 2012 in einen europäischen Streiktag mündete, an dem sich vor allem in Griechenland, Italien und Spanien Millionen Menschen beteiligten. Eines der transnationalen Treffen, die es in dieser Zeit gab, fand im ROG in Ljubljana statt. Dort wurde auch über einen Arbeitskampf der Kranführer*innen von Koper, einem internationalen Seehafen in Slowenien, im Jahr 2011 geredet. Die slowenische Hafenstadt ist ein wichtiger Knotenpunkt der europäischen Logistikindustrie. Der mehrtägige Streik in Koper hatte in linken Zusammenhängen die Hoffnung genährt, dass entlang der europäischen Logistikketten die Arbeitskämpfe zunehmen könnten. Wenn man sucht, kann man die Erklärungen und Diskussionspapiere dazu im Internet finden. Doch kaum 10 Jahre später sind diese Diskussionen kaum noch bekannt. Die Räumung des ROG wurde selbst in linken Kreisen in Deutschland kaum registriert und von Solidaritätsaktionen ist nichts bekannt. Dies ist ein Zeichen dafür, dass der soziale Aufbruch, der durch die europäischen Krisenproteste entstanden war und selbst in Deutschland unabhängige Linke mobilisierte, schnell zusammengebrochen ist. Dazu trug die harte Austeritätspolitik bei, die vor allem von der deutschen Regierung auf EU-Ebene vorangetrieben wurde. Nachdem die EU-Troika nach dem Wahlsieg von Syriza an Griechenland ein Exempel statuierte und demonstrierte, wie ein Versuch aus dem Austeritätsregime auszubrechen bestraft wird, verebbten die sozialen Kämpfe. Rechtspopulistische und nationalistische Kräfte bekamen in vielen Ländern der EU Zulauf, auch in Slowenien. Das ROG war ihnen auch deshalb ein Dorn im Auge, weil es eben transnationaler Treffpunkt für einen linken Aufbruch war. 

Weitere alternativen Freiraume bedroht

Wenige Tage nach der Räumung des ROG gab es auch im alternativen Zentrum Metelkova in Ljubljana eine Polizeirazzia. Es liegt ebenfalls an exponierter Stelle in Ljubljana, nicht weit vom zentralen Bahnhof. Nach dem Abzug der jugoslawischen Armee aus Slowenien Anfang der 1990er wurde das Kasernengelände zum Freiraum für Künstler*innen Politaktivist*innen. Ein Infoladen bot vor allem Texte aus dem libertären und anarchistischen Spektrum an. Doch in den letzten Jahren gingen vom Metelkova kaum noch politische Interventionen aus. Als Konzertort und Partymeile ist das günstig gelegene Zentrum vor allem bei jüngeren Menschen sehr gefragt. Jeden Morgen entsorgen die städtischen Reinigungsdienste die Spuren der Partys. Der Service gehört zum Vertrag, den die Nutzer*innen des Metelkova mit den städtischen Behörden geschlossen haben. Doch auch die Entpolitisierung ist keine Garantie, dass nicht auch das Metelkova geräumt wird. Schließlich weckt der exponierte Standort mitten im Zentrum von Ljubljana die Begehrlichkeiten der Investor*innen. Mit dem Kampf gegen die selbstverwalteten Zentren können die slowenischen Rechten sowohl die Kapitalinteressen bedienen als auch sich selbst als Law and Order-Kräfte gegen unangepasste Linke profilieren. 

Peter Nowak