Prozess gegen mutmaßliche Mitglieder des syrischen Geheimdienstes: Wie auch Linke und Liberale den Machtanspruch Deutschlands in aller Welt verteidigen

Deutsche Justiz über alles?

Natürlich wollen es viele nicht bei diesem globalen Anspruch der Deutschen Justiz bewenden lassen. Auch die selbsternannten Menschenrechtskrieger, melden sich bellizistisch verstärkt wieder zu Wort. Manche von ihnen sind immer noch wütend, dass US-Präsident Obama das syrische Regime nicht wegbomben ließ.

Soll der saudische Kronprinz vor der deutschen Justiz angeklagt werden? Die Organisation Reporter ohne Grenzen hat in Karlsruhe eine Anzeige gegen Mohammed bin Salman bin Abdulaziz Al Saud erstattet. Sie wirft dem saudischen Potentaten vor, …

… für die Tötung des den Muslimbrüdern und der Hamas nahestehenden Journalisten Jamal Kaschoggi in der saudischen Botschaft in Istanbul am 2. Oktober 2018 verantwortlich zu sein. Die Vermutung, dass der Mordbefehl gegen den einer anderen Fraktion des Islamismus als das saudische Regime nahestehenden Journalisten Jamal Kaschoggi verantwortlich zu sein, gab es schon unmittelbar nach der Tat. Doch die Trump-Administration wollte sich deswegen die guten Beziehungen zu Saudi-Arabien als Frontstaat gegen den Iran nicht kaputtmachen lassen.

Unter seinem Nachfolger Biden werden daher erst die Geheimdiensterkenntnisse der CIA publik gemacht. Allerdings will die neue Regierung die Beziehungen zwischen USA und Saudi-Arabien nicht kappen, sondern nur dafür sorgen, dass das arabische Land spürt, dass es sich um keine gleichberechtigten Beziehungen handelt und die USA jederzeit die Zügel anziehen kann.

Dass nun eine NGO wie Reporter ohne Grenzen sofort die deutsche Justiz anruft, ist kein Zufall. Sie gehört zu den Anhängern der These, dass die Welt besser und gerechter wird, wenn nur die deutsche Justiz überall in der Welt Zugriff hat.

Ein historischer Machtanspruch für die deutsche Justiz

Auftrieb erhielt diese Strömung der Liberalen, nachdem in diesen Tagen vom Oberlandesgericht Koblenz ein Mann verurteilt wurde, der wahrscheinlich an Folterungen in Syrien beteiligt und nach Deutschland geflohen war. Als Meilenstein und historisches Urteil begrüßte der Auslandschef der taz, Dominic Johnson, die Entscheidung.

Die Forderung, alle Abschiebungen nach Syrien einzustellen, ist sehr richtig und wird auch von Organisationen wie Adopt the Revolution (#SyriaNotSafe) unterstützt. Doch bald stellte sich heraus, dass viele mit solchen Urteilen auch die deutsche Geschichte entsorgen wollen.

Die Publizistin Kirstin Helberg argumentiert in diese Richtung. Sie bringt den Karlsruher Prozess gegen einen syrischen Folterer mit den Nürnberger Prozessen gegen die NS-Verbrecher in Verbindung und zeigt damit, warum der Weltgeltungsanspruch der deutschen Justiz auf so große Begeisterung stößt.

Gerade das Land, gegen das in Nürnberg die zivilisierte Welt zu Gericht saß, kann als wieder gut gemachte Nation 80 Jahre später den Spieß umdrehen und nun selbst aufgrund des Weltrechtsprinzip Weltgericht spielen (Weltrecht in Koblenz). Was gerade Deutschland dazu befähigen sollte, erklärt niemand dieser Liberalen.

Schließlich hat in Nürnberg die zivilisierte Welt über Deutschland zu Gericht gesessen. Deutsche waren dort als Angeklagte und deren Anwälte vertreten, auf Seiten der Anklage befanden sich auch zahlreiche Deutsche, die vor den Nazis noch ins Ausland fliehen konnten und mit den Alliierten zurückkamen.

Dieser Zusammenhang wird konsequent ausgeblendet, wenn so sehr der Weltgeltungsanspruch der Deutschen Justiz verteidigt wird.

Bald auch Menschenrechtskrieger aus Deutschland?

Natürlich wollen es viele nicht bei diesem globalen Anspruch der Deutschen Justiz bewenden lassen. Auch die selbsternannten Menschenrechtskrieger, melden sich bellizistisch verstärkt wieder zu Wort. Manche von ihnen sind immer noch wütend, dass US-Präsident Obama das syrische Regime nicht wegbomben ließ.

Bereits 2013 forderte Johnson in der taz ein militärisches Eingreifen in Syrien. Er gehört zur britischen Blair-Schule, die ihren Imperialismus humanitär bemäntelt. Doch auch die grünen Bellizisten melden sich wieder zu Wort. In der taz erinnerte Claus Leggewie daran, wie manche Grüne vor 30 Jahren angesichts des Irak-Krieges die Bombe lieben lernten.

Dort macht er auch deutlich, dass er es als eine besondere Leistung hielt, dass Linke in Deutschland „aus dem Pazifismus“ heraustraten. Dieser deutsche Bellizismus könnte seine Zukunft noch vor sich haben. Wenn erst einmal die Grünen mit der Union zusammen regieren, könnte die Menschenrechtsfront in Osteuropa beginnen.

Schließlich gab es in der taz wütende Kommentare, weil Amnesty International den Liebling des Westens, Alexei Nawalny, herabstufte, weil der eben nachweislich üble rassistische Parolen von sich gegeben hat und davon nie distanzierte.

Die Grünen würden trotzdem für ihn ebenso in den Menschenrechtskrieg ziehen, wie sie auch beim ukrainischen Maidan-Aufstand keine Faschisten sehen wollten. Da ist der „Weltmachtanspruch“ der deutschen Justiz längst nicht so harmlos, wie manche Liberale es hinstellen. (Peter Nowak)