Noch immer diskriminiert


Die Berichterstattung über Roma und Sinti ist in vielen Medien noch immer von Ressentiments geprägt. Die Ansichten der Verbände dieser Minderheit stoßen auf geringes Interesse.

Als die Teilnehmer der diesjährigen Bundesjugendkonferenz der Roma und Sinti in Berlin vom 28. September bis zum 1. Oktober über ihre Vorstellungen von einer solidarischen Gesellschaft und den Kampf gegen Rassismus diskutierten, kam kein einziger der eingeladenen Medienvertreter. Für Anita Burchardt von der Organisation Amaro Drom e.V., die für die Bürgerrechte von Sinti und Roma kämpft, ist das keine Überraschung. »Schon in den vergangenen Jahren tat sich die Presse schwer damit, der größten bundesweiten Veranstaltung junger Roma und Sinti einen Nachrichtenwert abzugewinnen«, sagte sie auf der Fach­tagung »Antiziganismus in den Medien«, die Amaro Drom mit Amaro Foro, einem Jugendverband von Roma und Nichtroma, organisiert hat.
Bei der Tagung, die vorige Woche in Berlin stattfand, wurde deutlich, dass die Medien größtenteils noch die Stereotype über die umherziehenden, nichtsesshaften Roma und Sinti verbreiten, die selbst schuld seien, dass sie am Rand der Gesellschaft leben müssen. Wie dieser stigmatisierende Diskurs funktioniert, zeigte Andrea Wierich von Amaro Foro am Beispiel der Medienberichte über »Horrorhäuser« im Ruhrgebiet und in Berlin auf. Gemeint sind damit Gebäude, in denen auf engem Raum zahlreiche osteuropäische Arbeitsmigranten leben und hohe Mieten zahlen müssen. Die Medien könnten die Wohnungskrise thematisieren, die Menschen zwingt, unter solchen Bedingungen zu leben, so Wierich. Sie könnten die Verantwortung von Hauseigen­tümern und die Rolle der Politik benennen. Doch in der Regel würden die Opfer verantwortlich gemacht und es werde behauptet, die Lebensweise der Roma und Sinti verursache die Probleme, kritisierte die Vertreterin von Amaro Foro.

»Über Sinti und Roma werden in den Medien Dinge verbreitet, die man heute über andere Minderheiten nicht mehr sagen würde«, sagte auf der Podiumsdiskussion zum Abschluss der ­Tagung die Spiegel-Kolumnistin Ferda Ataman. Bis vor zehn Jahren schickte der Vorsitzende des Zentralrats der Deutschen Sinti und Roma, Romani Rose, jedes Jahr um den 7. Dezember ein Paket mit Belegen für eine diskriminierende Berichterstattung an den Deutschen Presserat, der Rügen aussprechen kann. Das Datum sollte an den 7. Dezember 1935 erinnern, als NS-Reichsinnenminister Wilhelm Frick angeordnet hatte, »in allen Fällen, in denen strafbare Handlungen von ­Juden begangen sind, dies auch besonders zum Ausdruck zu bringen«. ­Danach war in Nazideutschland in Polizei- und Presseberichten über Straf­taten stets die »Rassenzugehörigkeit« herausgestellt worden. Seit Jahren drängen offen rechtsextreme, aber auch konservative Kreise darauf, die Staatsangehörigkeit von mutmaßlichen Straftätern in Medienberichten zu ­erwähnen.

Für Roma und Sinti hat die mediale Diskriminierung nie aufgehört. Doch der Presserat sah trotz der Massenzusendungen offenbar keinen Anlass, die Berichterstattung zu rügen. Eine kritische Auseinandersetzung mit diesem Verhalten konnte auf der Tagung nicht stattfinden, weil trotz Einladung kein Vertreter des Presserats erschien. Auch von der Deutschen Journalisten-Union war niemand anwesend, obwohl sich die gewerkschaftliche Interessenvertretung der Journalisten gegen Rassismus einsetzt. Es sei in vielen Kreisen noch nicht verstanden worden, dass der Kampf gegen Antiziganismus eine Aufgabe der Mehrheitsgesellschaft und nicht der Opfer sei, monierte Wierich.

Dass es in den vergangenen Jahrzehnten dennoch einige Fortschritte gegeben hat, machte der Berliner Rechtsanwalt Thomas Moritz deutlich, der aus der Urteilsbegründung zitierte, mit der der Bundesgerichtshof 1956 einer Roma-Frau die Entschädigung für NS-Verfolgte verweigert hatte. »Sie ­neigen, wie die Erfahrung zeigt, zur Kriminalität, besonders zu Diebstählen und Betrügereien, es fehlen ihnen vielfach die sittlichen Antriebe der Achtung vor fremdem Eigentum, weil ihnen wie primitiven Urmenschen ein ungehemmter Okkupationstrieb eigen ist«, heißt es dort in völkischer Diktion. Für das Urteil hat sich der Bundesgerichtshof mittlerweile entschuldigt. Die derzeitigen Formen der Diskriminierung sind subtiler, verschwunden sind die Ressentiments jedoch nicht.##

https://jungle.world/artikel/2018/44/noch-immer-diskriminiert
Peter Nowak


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