Rot-Rot-Grün setze sich nur rhetorisch, nicht inhaltlich von den Vorgängerregierungen ab, so das Resümee
Die Berliner Mietergemeinschaft hat die Schonfrist für den rot-rot-grünen Senat mit der Veröffentlichung eines vierseitigen Papiers für beendet erklärt. «Positionierung zur Wohnungspolitik von »R2G« ist es überschrieben, verfasst wurde es von aktiven Mitgliedern mehrerer Bezirksgruppen der Mietergemeinschaft. »Gegen die Mietenpolitik des rot-rot-grünen Senats gibt es im Abgeordnetenhaus keine linke Opposition«, sagt Philipp Mattern, einer der Autoren des Positionspapiers.
Mattern engagiert sich in der Friedrichshainer Bezirksgruppe und ist Redaktionsmitglied der hauseigenen Publikation »Mieterecho«. Er findet, dass auch die außerparlamentarischen Initiativen bisher kaum fundierte Kritik an der Mietenpolitik des neuen Senats üben.
Das Papier soll die Diskussion über eine neue mietenpolitische Opposition anstoßen. Gleich zu Anfang steht die These, dass es unter Rot-Rot-Grün keinen Bruch mit der Wohnungspolitik der Vorgängerregierungen gibt. Die Koalitionsvereinbarungen setzten sich vor allem in der Rhetorik, nicht aber im Inhalt von Rot-Schwarz ab.
Die zentrale Kritik der mietenpolitischen Aktivisten lautet, dass die drängenden Probleme des Wohnungsmarkts nicht benannt werden. »Begriffe wie ›Wohnungsnot‹ und ›Wohnungsmangel‹ tauchen schlichtweg nicht auf«, monieren die Kritiker. »Das Wohnungsproblem wird vom Senat nicht als Mehrheitsproblem anerkannt, sondern wie ein Randgruppenphänomen behandelt«, kritisiert Mattern. Das Papier verweist darauf, dass rund 60 Prozent der Haushalte aufgrund ihrer Einkommenssituation einen Wohnberechtigungsschein beanspruchen können.
Vor allem beim Bau landeseigener Wohnungen enttäusche das Koalitionspapier maßlos, heißt es im Papier. Die geplanten 30 000 Wohnungen in fünf Jahren seien nicht geeignet, den bestehenden Wohnungsmangel zu beheben. Die Verfasser verweisen auf eine Studie von Andrej Holm, die der inzwischen geschasste Wohn-Staatssekretär im Mai 2016 für die LINKE verfasste: Demnach fehlen in Berlin 125 000 Wohnungen. »Auch diese selbst produzierten Erkenntnisse werden in der Koalitionsvereinbarung negiert«, so das Resümee der Mietergemeinschaft.
Auch auf dem Gebiet der energetischen Sanierung, die mittlerweile zum Instrument der Verdrängung geworden sei, seien die Aussagen des Koalitionsvertrages enttäuschend. »Die Modernisierungsmieterhöhung nach Paragraf 559 des Bürgerlichen Gesetzbuchs muss abgeschafft werden«, sagt Mattern. »Es fehlt ein Ansatz, der in diese Richtung geht.«
Die Kritiker schreiben weiter: »Der neue Senat setzt sich rhetorisch von seinem Vorgänger ab, tatsächlich bedient er alte Rezepte und zeigt kein wirklich neues Problembewusstsein.« Sie verweisen darauf, dass die angekündigte Aufstockung der Bestände der landeseigenen Wohnungsbauunternehmen auf 400 000 Wohnungen durch Zukauf und Neubau schon in der im April 2016 veröffentlichten Roadmap der SPD und CDU aufgeführt wurde – allerdings mit einem Fahrplan von zehn Jahren statt wie jetzt von fünf. Mattern resümiert: »Es ist ein Zeugnis erschreckende Hilflosigkeit, die den realen Problemen auf dem Berliner Wohnungsmarkt in keiner Weise gerecht wird.«
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1043970.mietergemeinschaft-kritisiert-wohnungspolitik.html
Peter Nowak
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