Welthandeln

Zur länderübergreifenden Solidarität im Amazon-Streik

Roberto   Luzzi bekam am 30. März viel Applaus im  Streikzelt der Amazon-Beschäftigten in Leipzig. Er hat im Rahmen einer Delegation der italienischen Basisgewerkschaft  SI Cobas den Streikenden einen Solidaritätsbesuch abgestattet und solidarische Grüße überbracht.   Bei einer Veranstaltung und einen Workshop in Berlin berichteten die SI-Cobas-GewerkschafterInnen, wie sie in den letzten Monaten  im italienischen Logistikbereich erfolgreich Beschäftigte organisieren und Tarifverschläge abschließen konnten, die für die  Beschäftigten Lohnerhöhungen und eine Verminderung der Arbeitshetze bedeuteten. Die großen italienischen Gewerkschaftsverbände haben an die Logistikunternehmer einen Brief geschrieben, in dem sie sich beschwerten, dass sie mit der    kleinen Basisgewerkschaft bessere Tarifverträge als mit ihnen abschließt. „Die haben nicht begriffen, dass diese Verträge kein Geschenk der Unternehmen  sondern  ein  Ergebnis der  kämpferischen Gewerkschaftspolitik ist“, meint Luzzi.

So haben die Streikenden im  italienischen Logistikbereich  die  Tore der Unternehmen blockier.  Weder Personen noch LKW kamen rein oder aus.  Der Warenverkehr stockte.   Die GewerkschafterInnen  wissen, dass sie damit die Logistikunternehmen am neuralgischen Punkt treffen.   Wenn es bei den Warenauslieferungen Verzögerungen gibt, verlieren die Unternehmen große Summen.  Deswegen sorgen Unternehmen wie Amazon vor. Es hat bereits vor Monaten eine Filiale im polnischen Poznan errichtet,  um die Waren von dort auszuliefern, wenn in Deutschland gestreikt wird.

Dieser schnelle Wechsel  ist in der Logistikbranche auch deshalb besonders einfach, weil  in der Branche  kein aufwendiger Maschinenpark verlegt werden muss.  Die  GewerkschafterInnen  betonten auf den Workshop in Berlin,    dass damit auch eine länderübergreifende Streiksolidarität in der Branche erleichtet werden könnte.    Schließlich habe das  Standortdenken   bei Lohnabhängigen der fordistischen Schwerindustrie eine reale Grundlage auch in dem Maschinenpark, der nicht so leicht zu ersetzen oder auszulagern ist.   Dieses Standortdenken erschwerte aber  länderübergreifende  Kämpfe.    Wie die SI-Cobas-GewerkschafterInnen bemühen    sich auch die  Gruppen der Amazonstreiksolidarität, die sich in verschiedenen Städten gegründet haben, um eine Ausweitung dieser Solidarität über Landesgrenzen hinweg.  Einige ermutigende Beispiele der letzten Monate wurden genannt. So streikten vor Weihnachten 2014 auch in Frankreich Amazon-Beschäftigte und bezogen sich auf den Arbeitskampf in Deutschland.   Auch im Amazon-Werk in Poznan wächst die Unzufriedenheit der Beschäftigten. In  einem  Bericht eines der Beschäftigten, der kürzlich auf Deutsch übersetzt wurde, heißt es über die Stimmung Ende 2014 in dem  Werk:

„Im Dezember drang die Unzufriedenheit der Leiharbeiter  bei Amazon an die Öffentlichkeit: Sie fingen an, sich wegen nicht pünktlich gezahlter Löhne, Unregelmäßigkeiten bei der Berechnung der Löhne und überfüllter Kantinen an die lokalen Medien zu wenden.“  Mittlerweile sind zahlreiche Amazon-Beschäftige von Poznan in die kämpferische Basisgewerkschaft Workers Initiative eingetreten. Vielleicht  wird beim  nächsten Amazon-Streik tatsächlich  ein Alptraum für die Manager war. und  die Arbeitskämpfe    und nicht nur das Kapital  können keine Landesgrenzen mehr.

Herausforderung der Amazon-Streiksolidarität

Inzwischen sind ca. 150 Amazon-Beschäftigte in Poznan in einer  Betriebsgruppe der Inicijatywa Pracownicza (IP) organisiert. Sie ist 2004 als  Alternative zu den bürokratisierten, mit den verschiedenen Regierungsparteien verwobenen Gewerkschaften in Polen entstanden. Die IP versteht sich als Basisgewerkschaft in anarchosyndikalistischer    und syndikalistischer Tradition. Ihre Hauptprinzipien sind die Unabhängigkeit vom Kapital und  eine konsequente innergewerkschaftliche Demokratie. In Poznan hat sie IP eine Petition gegen die permanente Steigerung der Produktionsnormen  im Amazonwerk lanciert und am 15. Mai 400 Unterschriften dazu präsentiert. Der Kampf gegen die Steigerung der Arbeitsnormen und der Arbeitshetze ist aktuell das zentrale Kampffeld der IP bei Amazon-Poznan. Am 23. Mai  beteiligten sich an einer IP-Demonstration in Warschau auch  gewerkschaftlich aktive Amazon-Beschäftigte aus Deutschlandl.

Die Herstellung solcher Kontakte ist auch eine Herausforderung für die Amazon-Streiksolidarität, die sich in verschiedenen Städten gegründet hat. Schwerpunkte sind Leipzig, Frankfurt/Main und Berlin. Es gab mittlerweile zwei bundesweite Treffen, eins in Leipzig und eins in Frankfurt/Main. Dabei  gab es auch Diskussionen, ob diese Streiksolidarität über die Unterstützung  verdi.-Aktivitäten hinaus eigene Akzente setzen soll. Die Kontakte mit KollegInnen von SI Cobas  aus Italien oder der Workers Initiative  aus Polen  sind  ein solcher eigenständiger Akzent.  Beide Basisgewerkschaften gehören nicht zu den BündnispartnerInnen des DGB und seiner Einzelgewerkschaften. Die Verdi-Gewerkschafterin Mechthild Middeke  sprach im Interview mit dem Express 3-4/2015   über die  Kontakte des DGB und seiner polnischen Partnergewerkschaften in Poznan. Daher wäre der  Kontakt zu Gewerkschaften wie SI Cobas und IP ein wichtiger Part der Amazon-Solidarität. Im Anschluss an die Blockupy-Proteste    am 18. März in Frankfurt/Main und im Rahmen des Blockupy-Nachbereitungstreffens im Mai 2015 in Berlin  gab es ein eigenes Treffen für die  Koordinierung der  transnationalen Betriebs- und Streiksolidarität. In den nächten Monaten sollen die Kontakte intensiviert werden.

http://www.labournet.de/express/

aus:  express – Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit

4/5-2015

Peter Nowak