Deutschland: Bei Amazon wurde wieder gestreikt
An mehreren deutschen Standorten des Online-Handlers Amazon wurde im März wieder gestreikt. Wie schon in den Wochen vor Weihnachten sah die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di auch vor dem Ostergeschäft eine gute Gelegenheit, um den Druck auf den Konzern zu erhöhen. Die Beschäftigten kämpfen für einen Tarifvertrag nach den Bestimmungen des Onlinehandels. Amazon orientiert sich bisher am Logistiktarifvertrag, der für die Mitarbeiter_innen mit geringerem Lohn verbunden ist.
Der neue Streikzyklus bei Amazon begann am 13. März als sich Amazon auf der Buchmesse in Leipzig als erfolgreicher Global Player präsentieren wollte. Mit diesem Streikauftakt bekam der Arbeitskampf eine maximale Aufmerksamkeit. Im Anschluss wurde auch an den Amazon-Standorten Bad Hersfeld in Osthessen und Graben in Bayern gestreikt. Das Amazon-Management reagierte mit der lapidaren Erklärung, alle Aufträge würden termingerecht erfüllt. Allerdings wird dabei nicht erwähnt, dass Amazon sowohl vor dem Weihnachts- wie dem Ostergeschäft zusätzliche Beschäftigte eingestellt hat, um die Streikfolgen aufzufangen. Zudem hat Amazon im letzten Jahr in Polen zwei neue Niederlassungen eröffnet, um den Versandhandel von dort abzuwickeln, wenn in Deutschland gestreikt wird.
Während diese Zusammenhänge in einen Großteil der Medien nicht vermittelt wurden, bieb die Erklärung des Managements, es gäbe keine Behinderungen beim Versandhandel. So verstärkt sich in der Öffentlichkeit der Eindruck, Ver.di kann gegen einen global agierenden Konzern wie Amazon nicht gewinnen. Dass die Bilanz von ver.di nach den beiden Streikrunden nicht optimal ist, bestätigte auch verdi-Sekretärin Mechthild Middeke im Interview mit der „Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit“ express: „Der wirtschaftliche Druck ist da, wenn auch nicht in ausreichender Dimension“. Einen zentralen Grund sieht sie in den vielen befristeten Arbeitsverhältnissen. „Nicht alle, doch einige Befristete hatten auch während der vorweihnachtlichen Streiks mitgemacht und die sind nun einfach nicht mehr da.“
Was den Amazon-Streik von anderen Arbeitskämpfen heraushebt, sind kontinuierlich arbeitende außerbetriebliche Solidaritätsgruppen. Die Initiative dazu ging im letzten Jahr von Studierenden in Leipzig aus. Mittlerweile sind auch in Berlin, Hamburg und Frankfurt/Main örtliche Solidaritätsgruppen entstanden. Es gab bereits zwei bundesweite Treffen der Amazon-Solidarität. Beschäftigte und Solidaritätsgruppen trugen am 18.3. in Frankfurt/Main ein Transparent mit der Aufschrift „Amazon Strikers meet Blockupy“ was deutlich macht, dass die Kooperation nicht nur vor dem Werkstoren stattfindet. Diese Solidaritätsgruppen versuchen auch verschiedene Arbeitskämpfe zu koordinieren. So beteiligten sich die streikenden Amazon-Beschäftigten in Leipzig am 30. März an einer Demonstration von Kita-Mitarbeiter_innen, die an diesem Tag ebenfalls für bessere Arbeitsbedingungen auf die Straße gegangen sind. An diesen Tag nahm auch eine Delegation der kämpferischen italienischen Basisgewerkschaft SI Cobas an der Demonstration in Leipzig teil. Die Gewerkschaft hat in Italien in den letzen Jahren einige Erfolge bei der Organisierung von Beschäftigten in der Onlinehandels- und Logistikbranche zu verzeichnen. Der Mailänder SI-Cobas-Gewerkschafter Roberto Luzzi betonte bei einer Veranstaltung in Berlin die Bedeutung einer transnationalen Kooperation im Arbeitskampf. Die Notwendigkeit ergäbe sich schon aus der Tatsache, dass der Versandhandel in kurzer Zeit in ein anderes Land, beispielsweise von Leipzig nach Poznan, verlagert werden kann. Ein solcher schneller Wechsel ist in dieser Branche auch deshalb so einfach, weil es dort keine Hochöfen oder komplexe Maschinenparks gibt, die nicht so einfach verlegt werden können. Würde damit nicht auch die materielle Grundlage für das Standortdenken bei großen Teilen der Belegschaft wegfallen, das transnationale Arbeitskämpfe massiv erschwert, diese Frage stellten sich Teilnehmer_innen Veranstaltung in Berlin. Schließlich hat dieses Standortdenken seine materielle Grundlage oft in der Überzeugung, dass der „eigene“ Betrieb nicht so leicht verlagert werden kann.
Wenn Arbeitskämpfe gegen einen Konzern wie Amazon nicht in einem Land gewonnen werden können, ist ein Agieren über Ländergrenzen existentiell. Einige Beispiele wurden in Berlin genannt. So streikten kurz vor Weihnachten 2014 Amazon- Beschäftigte in Frankreich und bezogen sich dabei auf die Arbeitskämpfe in Deutschland. Auch im Amazon-Werk in Poznan ist bei der Belegschaft der Unmut über die Arbeitsbedingungen gewachsen.
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ak analyse und kritik, 604/2015
Peter Nowak