Peter Nowak zu den Amazonprotesten
„Und, hast du schon alle deine Weihnachtsgeschenke gekauft? Kein Problem, die kannst du ja immer noch bei Amazon bestellen? Internet-Shopping ist Teil unserer aller Alltag geworden – doch nur wenige haben sich je Gedanken darüber gemacht, dass auch hinter diesem Teil der Wirtschaft ArbeiterInnen stehen, die tagtäglich die Pakete packen, Waren zusammensuchen, usw. Sie tun dies unter äußerst prekären Bedingungen: sie verdienen nur wenig, werden ständig überwacht und haben selten unbefristete Verträge. Für viele von ihnen ist Weihnachten die Zeit, vor der sie sich fürchten müssen, weil ihnen dann gekündigt wird, um einer neuen Riege unbefristeter ArbeiterInnen Platz zu machen. Und dies alles, während Amazon kaum Steuern zahlt, kleine Verlage aus dem Markt drängt und ein de facto Buchmonopol errichtet.“
Von der Gewerkschaft ver.di produzierte Informationsflyer mit dieser Botschaft wurden im Dezember in den Fußgängerzonen mehrerer deutscher Städte häufiger verteilt. Potentiellen KundInnen sollten damit auf die Forderungen der Beschäftigten bei Amazon aufmerksam gemacht werden. Damit sollte auch Verständnis geweckt werden, wenn es in den Nachrichten mal wieder heißt, bei Amazon wird gestreikt. Dabei wird oft sofort gefragt, ob jetzt womöglich die Plakate verspätet ankommen. Mit den Infoblättern wird der Fokus wieder auf die Menschen und ihre Arbeits- und Lebensbedingungen gelenkt, die es erst möglich machen, dass die Pakete pünktlich geliefert werden.
An der Verteilaktion sind nicht nur GewerkschafterInnen beteiligt. Ein Bündnis aus linken Gruppen hat es beispielsweise in Berlin übernommen, auf verschiedenen Weihnachtsmärkten die Flyer zu verteilen und mit den PassantInnen darüber zu reden, wieso Amazon-KundInnen mit den Forderungen der in dem Unternehmen Beschäftigten solidarisch sein sollen. Dazu hatte sich ein Streiksoli-Bündnis gegründet. Während das Solibündnis Flyer verteilt, beteiligen sich die Solidaritätsbündnisse aus Frankfurt/Main an einer Blockade vor dem Amazon-Standort Bad Hersfeld. Damit soll verhindern werden, dass der Streik unterlaufen wird.
Ein Leuchtturm im Osten
Vorbild ist das Bündnis Streiksoli in Leipzig, das bereits im letzten Jahr anlässlich der Streiks in den dortigen Amazon-Standort mit den Beschäftigten Kontakt aufgenommen hatte. Das Bündnis unterstützt Kundgebungen, verteilte Flyer an potentielle Amazon-KundInnen und half so mit, in der Gesellschaft für den Streik zu werben. Schnell gab es auch in anderen Städten Interesse an einer Streiksoliarbeit nach dem Leipziger Vorbild. Am letzten Juni-Wochenende 2014 wurden in Leipzig auf den ersten bundesweiten Streiksoli-Treffen die Grundlagen für eine Kooperation gelegt. Mitte November gab es ein Folgetreffen in Frankfurt/Main, an dem VertreterInnen aus Leipzig und , Hamburg teilnahmen.
Dort wurden im Detail durchaus Unterschiede erkennbar.Soll lediglich ein bundesweites Netzwerk der Streiksolidarität aufgebaut werden, wie es vor allem dem Bündnis Streik-Soli-Leipzig vorschwebte? Oder soll sich das Bündnis auch ein kurzes Selbstverständnis geben, wie es vor allem die Gruppe Antifa Kritik und Klassenkampf (AKK) aus Frankfurt/Main vorschlug? Neben diesen Differenzen in organisatorischen Fragen stehen auch politische Unterschiede, die allerdings nicht so klar ausgesprochen werden. Soll die Streiksolidarität in engem Bündnis mit DGB-Gewerkschaften kooperieren? Doch wie soll sie reagieren, wenn die Gewerkschaftsvorstand wie so oft in der Vergangenheit, einen Arbeitskampf gegen den Willen eines relevanten Teils der Beschäftigten beenden wollen und dabei Zugeständnisse an die Kapitalseite macht, die von großen Teilen der Basis abgelehnt werden? Die AKK erklärte in der Diskussion, die Streiksoliarbeit sollte die Selbstorganisierung der Lohnabhängigen zum Ziel haben, was mit dem gewerkschaftlichen Agieren übereinstimmen kann aber nicht muss.. Die Debatte wird sicherlich beim nächten Treffen bundesweiten Treffen, das im Frühjahr 2015 in Bad Hersfeld, einem der Zentren des Amazon-Streiks stattfinden soll, fortgesetzt werden.
aus express – Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit
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Peter Nowak