Krise, welche Krise? Wenn man das Davoser Weltwirtschaftsforum zum Maßstab nimmt, überwiegt bei den Eliten der Wirtschaft und Politik Optimismus
„Die existenzielle Bedrohung des Euro sei abgewendet und der Prozess der Erholung habe begonnen, wird EU-Währungskommissar Olli Rehn in der FAZ zitiert. Ähnlich haben sich in den letzten Tagen beim World Economic Forum (WEF) viele der Elitenvertreter geäußert.
Für die Wirtschaftsvertreter gab und gibt es auch keine Krise. Sie können auch dank der von ihnen durchgesetzten Austeritätspolitik wieder auf kräftige Gewinne hoffen. Bundesfinanzminister Schäuble kündigte schon mal weitere Belastungen an. „Wir müssen die Probleme durch finanzielle Disziplin bei gleichzeitigen Strukturreformen lösen“, erklärte er. Als Thermometer der Weltwirtschaft bezeichnete ein Taz-Kommentator das WEF mit einen Rückblick auf die letzten fünf Jahre: „Die Stimmung beim diesjährigen Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos war deutlich besser als in den Vorjahren. 2009 und 2010 stand die akute Finanzkrise im Mittelpunkt, danach ging es um die Reparaturmaßnahmen. 2013 dann herrschte eine Stimmung von Verschnaufen und Durchatmen. Nun lautete die zentrale Botschaft: Manches liegt im Argen, aber vieles wird auch besser.“ Auch er vergisst natürlich zu erwähnen, dass hier die Stimmung der Eliten und nicht der von der Krisenpolitik Betroffenen beschrieben wird.
Vor einer Annäherung des Iran an den Westen
In den meisten Medien wurde das WEF in diesem Jahr als ereignisarm dargestellt. Lediglich die Rede des iranischen Präsidenten Rohani sorgte weltweit für größere Aufmerksamkeit. Er hat sein Land als Wirtschaftspartner für den Westen angeboten. Relevante Teile der Eliten in diesen Ländern würde das Angebot gerne annehmen.
Das WEF hat schon immer mit dabei zu beigetragen, in der Schweizer Bergwelt Kooperationen anzubahnen, die in manchen Ländern politisch noch nicht durchzusetzen sind. Vor allem in den USA wird die Frage des Umgangs mit dem Iran noch länger Gegenstand größerer innenpolitischer Debatten bleiben.
Erstmals war auch die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff Teilnehmerin des WEF. Die Protagonistin der gemäßigten lateinamerikanischen Linken wurde dort mit offenen Armen aufgenommen. Zwischen dem WEF und Brasilien gab es immer eine besondere Beziehung. Schließlich ging vom brasilianischen Porto Alegre mit dem Weltsozialforum eine Gegenbewegung zum WEF aus, die vom ehemaligen brasilianischen Präsidenten Lula protegiert wurde. Der aber reiste nach seiner Eröffnungsrede beim Weltsozialforum nach Davos und verkündete dort vor den versammelten Eliten, dass er Brücken bauen wolle.
Mit dem Niedergang der Anti-WEF-Bewegung änderte sich auch der mediale Diskurs
Seit Anfang den 1990er Jahren gab es neben den Sozialforen auch große, medial beachtete Proteste gegen das WEF. Die Schweizer Polizei reagierte darauf mit massiver Repression und wurde von Deutschland unterstützt. 2014 sind die Proteste gegen das WEF nicht ganz verschwunden, aber fast nicht mehr wahrnehmbar.
An Aufstieg und Niedergang des Widerstands gegen das WEF wird auch deutlich, wie sich dadurch Diskurse verändert wurden. Während der Hochzeit der Anti-WEF-Proteste wurde auch in einem Großteil der Medien zunehmend kritischer über das WEF berichtet. Von einem Elitentreffen mit esoterischem Einschlag war die Rede. Es wurde offen darüber diskutiert, ob für ein solches Stelldichein ein solch großer und teurer Polizeieinsatz nötig ist.
2002 fand erstmals kein WEF in Davos statt. Die offizielle Begründung lautete, es sei aus Solidarität mit den USA nach den Anschlägen vom 11. September nach New York verlegt worden. Damals wurde in vielen Medien spekuliert, ob mit dem Ortswechsel ein Abschied von Davos eingeleitet wurde. Das Szenario trat nie ein. Denn der Niedergang der Anti-WEF-Bewegung setzte damals ein. An der von den Davoser Grünen organisierten NoWEF-Rally und anderen Aktionen nahmen lediglich 30-50 Personen teil, dafür gab es ein Großaufgebot der Polizei. Die Veranstalter sprechen von 100 Teilnehmern.
Die Mini-Proteste werden höchstens noch in den lokalen Medien erwähnt. Auch die grünennahe Taz erwähnt sie nicht mehr. „Beim Weltwirtschaftsforum treffen sich die mächtigsten Konzerneliten und neuerdings auch junge Kreative, die eine bessere Welt wollen“ schreibt etwa der Taz- Wirtschaftsredakteur Hannes Koch. Dabei könnte man den Sachverhalt ganz anders beschreiben. Die globalen Eliten betätigen sich neben hier als Mäzene, die einige findige Subalterne aus dem globalen Süden in ihre Festung Davos einladen, auszeichnen und damit ihre scheinbar grenzenlose Macht demonstrieren. Dass dieses klassische Mäzenatentum dann selbst in der Taz zum Beitrag für eine bessere Welt veredelt wird, macht eines deutlich. Wenn es wahrnehmbaren Proteste gibt, gewinnen die alten Eliten ihre Hegemonie in der öffentlichen Meinung zurück und selbst die Berichterstattung in linksliberalen Medien liest sich so, als wäre sie vom WEF-Pressesprecher verfasst.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/155755
Peter Nowak
Links
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http://www.faz.net/agenturmeldungen/adhoc/optimismus-ueberwiegt-beim-weltwirtschaftsforum-2014-zweifel-bleiben-12770172.html
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http://www.weforum.org/
[3]
http://www.taz.de/Weltwirtschaftsforum-in-Davos/!131658/
[4]
http://weltsozialforum.org/
[5]
http://www.heise.de/tp/artikel/19/19302/1.html
[6]
http://www.heise.de/tp/artikel/4/4638/1.html
[7]
http://www.heise.de/tp/artikel/11/11079/1.html
[8]
http://nowef.noblogs.org/post/2014/01/25/communique-zur-anti-wef-rally-2014/
[9]
http://www.tagesanzeiger.ch/wirtschaft/wef/Griechenland-hat-gewisse-Personen-nie-besteuert/story/28001463?dossier_id=2521
[10]
http://www.taz.de/Weltwirtschaftsforum-in-Davos/!131684/
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