Nach dem Partei-Konvent: Die SPD geht in die Koalitionsverhandlungen mit der Union
Nur 31 von 229 Delegierten stimmten auf dem SPD-Konvent am Wochenende dagegen. Einige Jusos und SPD-Linke organisierten eine Kundgebung vor dem Konvent gegen eine große Koalition. Da war der Protest gegen ein Bündnis mit der Union in Berlin noch größer.
Für alle, die die politischen Verhältnisse und vor allem die deutsche Sozialdemokratie kennen, war diese Entscheidung keine Überraschung. In den letzten Wochen waren die Zeitungen voll von Befindlichkeitsberichten über das Innenleben der SPD.
Kommt es zu einem Machtkampf zwischen der als Skeptikerin der großen Koalition firmierenden NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und dem SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel, wurde gefragt. Doch solche Mutmaßungen lassen außer Acht, dass es hier um das ganz normale Geplänkel vor den Verhandlungen zwischen SPD und Union geht.
Was bleibt der SPD als kleinere Partei anderes übrig, als sich möglichst teuer zu verkaufen, in dem sie die Basis ins Spiel bringt, die von den Ergebnissen einer großen Koalition überzeugt werden will? Wer könnte sich besser als ihr Sprachrohr verkaufen, als Kraft, die in einem Bundesland regiert, wo es noch Reste der alten SPD-Kultur gibt? Gerade als vorherige Kritikerin kann sie die Basis dann besonders gut einbinden, wenn sie sich, wie beim kleinen Parteitag, dann doch für eine große Koalition ausspricht.
Die Mär von den Kernforderungen
Gabriel kann dann als Interessenvertretung der Gesamtpartei die Basis derweil schon auf angebliche schmerzhafte Kompromisse einstimmen, die in Wirklichkeit in vielen Punkten nur die Politik fortsetzen, die die SPD auch schon praktizierte, als sie den Bundeskanzler stellte. Forderungen nach Maßnahmen gegen Altersarmut, eine Anhebung des Pflegeversicherungsbeitrags, Finanzhilfen für Kommunen, Investitionen in Infrastruktur und Bildung sowie die Einführung einer Finanztransaktionssteuer und eine vernünftige Gestaltung der Energiewende sind so allgemein, dass sich die künftigen Koalitionspartner darauf sicher schnell einigen.
Die doppelte Staatsbürgerschaft dürfte den deutschnationalen Flügel der Union Schwierigkeiten bereiten, da aber auch Teile der Wirtschaft sich dafür aussprechen, ist auch hier eine Einigung möglich. Dabei geht es vor allem um die Anwerbung von beruflich qualifizierten Menschen aus dem Ausland. Dass die SPD hingegen mehr Rechte für Flüchtlinge zu einem Knackpunkt bei den Koalitionsgesprächen machen wird, ist unwahrscheinlich. Schließlich praktiziert der SPD-geführte Hamburger Senat eine knallharte Abschiebepolitik gegen Flüchtlinge, die auch manche unionsgeführte Länder neidisch machen dürfte.
Interessant ist, auf welchen Feldern die SPD Positionen schon vor Verhandlungsbeginn geräumt hat. Die Abschaffung des Betreuungsgeldes gehört ebenso wenig zu den Kernforderungen wie die Erhöhung des Spitzensteuersatzes für Vermögende. Dabei hat die SPD wochenlang erklärt, nur damit werde finanzieller Spielraum für soziale Reformen geschaffen. Dieser Anspruch, den der SPD sowieso kaum jemand abnimmt, wird so auch rhetorisch aufgegeben.
Streit ums Personal?
Angeblich hätten Personalfragen auf dem SPD-Konvent keine Rolle gespielt. Damit will die SPD den Eindruck vermeiden, es würden schon Posten verteilt, bevor die Inhalte geklärt sind. Unionsnahe Medien verbreiten Meldungen, nach denen die Personaldebatte längst im Gange ist. Dabei werden durchaus unterschiedliche Interessenten für bestimmte Ministerium benannt. So sind für das Arbeitsministerium Sigmar Gabriel und Andrea Nahles im Gespräch.
Es dürfte in den nächsten Wochen immer wieder Meldungen von Höhen und Tiefen in den Koalitionsverhandlungen geben und dann wird vor dem Mitgliederentscheid noch einmal ein Spannungsbogen aufgebaut. Immer wird suggeriert, hier stünden Richtungsentscheidungen an. Doch in Wirklichkeit sind die Weichen für eine große Koalition gestellt und die SPD-Basis wird den Kurs unterstützen.
Neben ihrer Bereitschaft, für den Standort Deutschland Verantwortung zu tragen, kommt als weiterer Grund noch hinzu, ein Bündnis zwischen Grünen und Unon auf Bundesebene zumindest herauszuzögern. Schließlich haben sich die Grünen bei ihrer Absage an Koalitionsgespräche mit der Union eine Option offen gehalten. Sollte es mit der SPD nicht zu einer Einigung kommen, wollen sich Grüne und Unon wieder ran einen Tisch setzen. Dann würde schwarz-grün nichts mehr im Weg stehen.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/155176
Peter Nowak
Links
[1]
http://www.spd.de/
[2]
http://lampedusa-in-hamburg.tk/
[3]
http://www.heise.de/tp/blogs/8/154375
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