Milliardengrab Drohne

Die gegenwärtige Debatte skandalisiert, dass eine Menge Geld für eine nicht nach Vorschriften funktionierende Drohne ausgegeben wird. Aber kaum jemand stellt in Frage, dass generell so viel Geld dafür zur Verfügung gestellt wird

„Nicht mehr unangreifbar“, lautete die Einschätzung der FAZ zur Situation des gegenwärtigen Bundesverteidigungsministers Thomas de Maizière. Der Streit um das Euro-Hawk-Debakel könnte dem Minister das Amt kosten, wenn sich herausstellen sollte, dass er nicht nur dem Parlament, sondern auch dem Bundesrechnungshof Informationen über den Euro Hawk vorenthielt.

Der Bundesrechnungshof hat schon im November 2011 Informationen Nachfragen wegen des Fluggeräts gestellt. Die Prüfer forderten damals Vertragsunterlagen für den Euro Hawk und auch Statusberichte über das Drohnenprojekt bei der Bundeswehr angestellt. Unter Verweis auf Geheimhaltungsklauseln mit der US-Industrie seien allerdings in dem vom Ministerium verschickten Papieren entscheidende Stellen geschwärzt worden. Darauf habe der Rechnungshof mit einem Brief an das Parlament reagiert, in dem er davor warnte, dass durch diese Praxis die geforderte lückenlose Finanzkontrolle nicht gewährleistet sei (Drohnendesaster für den Verteidigungsminister).

Diese Intransparenz droht dem Minister nun zum Verhängnis zu werden, weil mittlerweile, nachdem fast eine halbe Milliarde Dollar dafür ausgegeben wurde, die Entwicklung der Drohne wegen technischer Probleme gestoppt wurde. Es konnte nicht länger verheimlicht werden, dass nach den in Europa geltenden Richtlinien die Drohne keine Fluggenehmigung bekommt. Ob die Affäre dem Minister wirklich das Amt kostet, wird wohl davon abhängen, ob es der Regierungskoalition gelingt, auch führende Politiker der gegenwärtigen Oppositionsparteien mit für die Drohne in die Haftung zu nehmen.

Fast alle einig bei den Rüstungsprojekten?

Die aktuelle Verteidigungslinie der Regierungskoalition heißt eben nicht mehr, dass sich de Maizière in Sachen Drohne korrekt verhalten hat. Auch die heutigen Oppositionspolitiker seien ebenfalls mit verantwortlich, sagt etwa der FPD-Politiker Jürgen Koppelin. Er wirft Jürgen Trittin vor, in den Zeiten der rot-grünen Regierungskoalition 2004 die Drohne mit beschlossen zu haben. In den Zeiten der großen Koalition hätten Sozialdemokraten in verantwortlichen Stellen im Finanzministerium gesessen und seien damit ebenfalls für die Finanzplanung der Drohne verantwortlich.

In dieser Sichtweise ist die Verantwortung der gegenwärtigen Regierung natürlich relativiert, und, wo fast alle Mitverantwortung tragen, ist die Bereitschaft, einen Ministerrücktritt nicht nur als Sonntagsrede zu fordern, begrenzt. Das Kalkül der jetzigen Regierungskoalition, die Opposition mit in die Verantwortung zu nehmen, ist natürlich durchsichtig und doch dürfte die Darstellung von Koppelin nicht so weit von der Realität entfernt liegen.

Denn unabhängig von der Frage, welche Details welcher Politiker wann erfahren hat, zeichnet er das Bild einer großen Staatspartei mit mehreren Flügeln, die sich in den entscheidenden Punkten einig ist, beispielsweise bei der Rüstungsbeschaffung. Es war dieses Bild über die gegenwärtige Verfasstheit des Staates, das der Politologe Johannes Agnoli in seinem Buch Transformation der Demokratie in kritischer Absicht darstellte. So zeigt eigentlich die Diskussion um die Drohne wieder einmal deutlich, wie realitätsgerecht diese Sichtweise ist. Denn der gegenwärtige Streit wird doch nur darum geführt, dass – zudem noch in Krisenzeiten – mal locker eine halbe Milliarde Euro für eine Drohne ausgegeben wird, die nicht funktioniert. Da kann dann sogar der FDP-Politiker Koppelin sagen: „Eigentlich hat der Staat genug Geld, er geht nur nicht vernünftig damit um.“


Milliarden in die Rüstung werden nicht infrage gestellt

Doch kaum jemand stellt sich die grundsätzliche Frage, warum überhaupt eine halbe Milliarde Euro in Projekte wie dieses gesteckt wird, während man ansonsten bei Erwerbslosen und vielen sozialen Projekten um jeden Cent verhandelt. Dass bei Rüstungssummen riesige Beträge fließen und dass da oft besonders genau darauf geachtet wird, dass bestimmte Regelungen möglichst nicht bekannt werden, ist nichts Neues.

Schon vor mehr als 100 Jahren hat der damalige Reichstagsabgeordnete Karl Liebknecht solche Geschäfte mit der dabei florienden Rüstungsindustrie aufgedeckt. Schon damals verweigerte ihm ein Teil der sozialdemokratischen Partei die Unterstützung bei seinem Kampf gegen den Militarismus. Es ist immer ein Kennzeichen für die Kooptierung einst oppositioneller Kräfte und Strömungen in Gesellschaft und Staat, wenn sie bereit sind, die Belange der Rüstung, meistens als Staatsverteidigung verbrämt, mitzutragen.

Daher ist es auch gegenwärtig ein Indiz für die fast völlige Integration der zentralen politischen Kräfte, mit Ausnahme von Teilen der Linken, in den Staat, dass es heute keine grundsätzliche Infragestellung der Bereitstellung von riesigen Beträgen für Drohnen-Projekte gibt. Selbst Ottfried Nassauer, der sich einst aus der Antimilitarismusbewegung zum kritischen Rüstungsforscher entwickelte, stellt heute die Drohnen insgesamt nicht mehr infrage.

Wenn nur das Nichtfunktionieren und nicht die Produktion der Drohnen das eigentliche Problem ist, mag Thomas de Maizière, wenn es für die Regierung opportun ist, seinen Job verlieren. Eine grundsätzliche Infragestellung der Zwecke der Rüstung ist aber nicht einmal auf dem besonders naheliegenden Feld der Kosten erkennbar.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/154299
Peter Nowak


Kommentare sind geschlossen.