„Ein Kind, das an Hunger stirbt, wurde ermordet!

Positiv- und Negativpreise für Jean Zieger und den Rohstoff-Multi Glencore

Der Saal im Berliner Pfefferwerk war voll, als dort am Samstag die Stiftung Ethecon ihren Positiv- und Negativpreis vergab. Publikumsmagnet war der Schweizer Soziologe Jean Ziegler, der sich den Kampf gegen den Hunger verschrieben hat und dafür auch in UN-Gremien als Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung arbeitete.

„Ziegler setzt sich seit Jahren unerschrocken für das Recht auf Nahrung ein“, begründete Ethecon-Sprecherin Bettina Schneider die Auswahl des diesjährigen Preisträgers. Bei seinem Engagement ging es Ziegler immer auch um die gesellschaftlichen Ursachen für den Hunger in der Welt, worauf der Gründer der NGO Business Crime Control, Hans See, in seiner ausführlichen Laudatio auf den Preisträger hinwies. „Nie mehr auf Seiten der Henker stehen“, sei Zieglers Devise, betonte See. Vor wenigen Monaten ist Zieglers Buch Wir lassen sie verhungern – die Massenvernichtung in der dritten Welt auf Deutsch erschienen. Dort geht er mit dem kapitalistischen Wirtschaftssystem hart ins Gericht. Zieglers Äußerung: „Ein Kind, das an Hunger stirbt, wurde ermordet“, wurde am Samstag häufig zitiert.

Strukturelle Gewalt statt böse Manager

In seiner Dankesrede lieferte der Geehrte viele Details zum weltweiten Skandal des Hungers. Ziegler betonte, dass bei den heutigen technischen Mitteln kein Mensch mehr Hunger leiden müsste. Hunger sei nicht die Folge von Mangelproduktion, sondern bedingt durch den fehlenden Zugang zu Nahrung. Dabei betonte Ziegler, dass es sich um strukturelle Gewalt handelt und eine Anprangerung von angeblich „bösen Managern“ daher zu kurz greife.

Diesen Befund sollte man im Hinterkopf haben, wenn jetzt von drei Preisträgern die Rede ist, welche die ihnen zugedachte Ethecon-Ehrung ignoriert haben. Simon Murray, Tony Hayward und Ivan Glasenberg sollten stellvertretend für den Schweizer Rohstoff-Multi Glencore den Negativpreis der Stiftung entgegennehmen. Die Schmährede, in der diese Wahl begründet wurde, hielt der Schweizer Gewerkschafter und engagierte Antimilitarist Josef Lang.

Er berichtete, dass Glencore in der Schweiz seit langem in der Kritik steht und auch schon mit Negativpreisen bedacht wurde. Mit der Verleihung des jetzigen Negativpreises dürften auch in Deutschland die Praktiken des umstrittenen Konzerns bekannter werden.

„Multis wie Glencore verletzen Menschen- und Sozialrechte, verursachen Umweltschäden und vergiften Gewässer, verschieben Gewinne in Steuerparadiese, vergrößern den globalen Graben zwischen arm und reich“, heißt es dem Aufruf eines Komitees Solidarität mit den Opfern der Rohstoffmultis.

Das Komitee hatte vor einigen Monaten zu einer Demonstration im Schweizer Örtchen Zug, in der Glencore seinen Sitz hat, aufgerufen. Der Konzern wurde von dem Schweizer Ölhändler Marc Rich gegründet. Er war mit Diktatoren verschiedener Länder befreundet und wurde von den US-Behörden wegen Steuerhinterziehung und Falschaussagen angeklagt, aber 2001 vom damaligen Präsidenten Bill Clinton begnadigt.

Eröffnet wurde die gesellschaftskritische Herbstschule, zu der sich die alljährlich Mitte November stattfindende Ethecon-Preisverleihung mittlerweile entwickelt hat, von dem Kölner Publizisten Werner Rügemer, der sich in seiner Rede mit dem Ausverkauf öffentlicher Güter im Rahmen des Public Private Partnership auseinandersetzte.

Die Stiftung Ethecon wurde 2004 von Axel Köhler Schnurra und Gudrun Rehmann mit dem Ziel gegründet, ökologische, soziale und menschenrechtliche Prinzipien im Wirtschaftsprozess zu fördern sowie demokratische und selbstbestimmte Strukturen zu stärken.

In den letzten Jahren waren u.a. die indische Globalisierungskritikerin Vandana Shiva, der israelische Friedensaktivist Uri Avnery, der österreichische Menschenrechtler Elias Bierdel und die langjährige Kämpferin gegen Rassismus und den gefängnisindustriellen Komplex in den USA, Angela Davis mit dem Preis geehrt worden.
http://www.heise.de/tp/blogs/6/153213
Peter Nowak


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