Sorbischer Folk trifft Berliner Punk

Entscheidungen, Entscheidungen sind  schwer – will ich in die  Berge oder lieber ans Meer“, lautet die Textzeile eines der 12  Songs auf der aktuellen CDs  „Um die Ecke“ des Duos Berlinska Droha.  Dort singen die beiden Musiker Uta und Paul von den kleinen Dingen des Lebens, die oft gravierende Folgen haben.
So ist der Song „Herr Krug“ eine bitterböse, aber immer witzige Schimpfkanonade gegen einen Vermieter mit Hausmeisterallüren, wie sie Karl Kraus vor  mehr als 100 Jahren in der Fackel aufs Korn genommen hat. „Du sagst, ich hätte nichts  zu lassen, die wurdest mich rund um die Uhr überwachen“, heißt es in dem Song, der allerdings für den Mieter einen glücklichen Ausgang nimmt.   Heißt es doch in der letzten Strophe:  „Herr Krug, du kriegst mich hier nicht raus. Ich sitz grinsend auf dem Sofa und ich lach dich aus“.

Bei dem Song „Der Henker“ bleibt dem Zuhörer das Lachen allerdings im Halse stecken. Handelt er doch  von einen Mann, der seinen Beruf mit  Freude am  Töten ausübt, aber von seinen Kindern als liebevoller Vater bewundert wird. „Aber zu hause nannten sie ihn Bärchen, aber zu Hause erzählt er seinen Kindern Märchen“, lautet der Refrain dieser bitterbösen Persiflage auf den Typus des  ganz normalen Deutschen, der  im 3. Reich  Mörder und liebender Familienvater in einer Person sein konnte.  

Unter dem Künstlernamen Geigerzähler war Paul seit Jahren über Berlin hinaus als ein  Straßenmusiker bekannt. Seine Auftritte erfreuten sich  auf Straßenfesten, am Rande von Demonstrationen, aber auch in gut besuchten Konzerten in Jugendzentren und  Kultureinrichtungen zunehmender  Beliebtheit. Bei einem Auftritt auf einem Festival  an der polnischen Grenze   im Jahr 2007 begann  die Kooperation mit der sorbisch singenden Künstlerin Uta. Nach einem weiteren Spontanauftritt in Berlin entstand Berlinska Droha, was übersetzt „Berliner Straße“ heißt. Das ist ein guter Name für ein Duo, das in der Tradition der rotzfrechen Straßenmusiker steht, die spontan auf öffentlichen Plätzen ihre Lieder zur Erfreuung des Publikums und zum Ärger der Polizisten und Hausmeister dieser Welt zum besten geben.  Nachdem von dem  Duo 2009 eine erste Vinyl-Single erschienen ist,   erfreut es mit der Veröffentlichung der CD  seine wachsende Fangemeinde mit einen  Querschnitt seines künstlerischen Schaffens.      
Das Crossover  von sorbischem Folk und Berliner Punk  mit Polka-Einlagen findet seine Zuhörer in  sehr unterschiedlichen Kreisen.  Das Duo spielt  in alternativen Kulturzentrum ebenso wie in sorbischen Museen.   Auch Auslandsauftritte in  Polen und Marokko standen schon auf dem Konzertplan.     
Berlinska Droha gehört nicht zu jener Sorte von Künstlern, die sie im Song „Kabarett“ karikieren, weil sie sich vor einem Mittelstandspublikum über Erwerbslose mit Kassenbrillen und Jogginghosen lustig machen und  dafür als  große Kabarettisten feiern lassen.   Berlinska Droha  richtet  dagegen Witz und die bitterböse Ironie auf die Bürokraten dieser Welt.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/203344.plattenbau.html

Peter Nowak
       Berlinska Droha, Um die Ecke, Vetoria Records


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