Von A wie APO bis Z wie Zapatistas

Die „Bibliothek des Widerstands“: Filmbücher zur linken Geschichte

Neun Bände sind bisher in der „Bibliothek des Widerstands“ im Hamburger Laika-Verlag erschienen. Mit ihrem schwarzrot gehaltenen Einband sind die Bücher im linken Buchhandel nicht zu übersehen. Beigelegt ist ihnen je eine DVD mit Filmen, die die Geschichte des linken Widerstands in aller Welt seit den 1960er Jahren, aber auch die staatliche Repression dokumentieren. Herausgegeben wird die Reihe von Karl-Heinz Dellwo und Willi Baer.

Am Anfang stand die Erkenntnis, „dass es viele Bücher mit Erinnerungen gibt, aber die authentischen Materialien nur sehr schwer zugänglich sind. Insbesondere gehören dazu Dokumentarfilme, die in der damaligen Zeit entstanden sind. Diese liegen oft nur in Formaten vor, die sich der Einzelne kaum besorgen kann. Da wollen wir eine Möglichkeit schaffen, dass sich jeder die Filme zu günstigen Konditionen beschaffen kann“, so beschreibt Karl-Heinz Dellwo das Ziel des ambitionierten Projektes: 100 Filmbücher sind in Vorbereitung. Nach den bisher vorliegenden Bänden zu urteilen sind sie eine Bereicherung für alle, die sich mit oft vergessener linker Geschichte befassen.

Die Reihe begann mit zwei Filmdokumenten zum 2. Juni 1967: „Der 2. Juni 1967“ von Thomas Giefer und Hans-Rüdiger Minow und „Der Polizeistaatsbesuch“ von Roman Brodmann. In den Filmen werden die Vorgeschichte und die Aufarbeitung des Schah-Besuches behandelt, der mit dem Mord an Benno Ohnesorg zu einer historischen Zäsur in der Geschichte der BRD wurde.

Eine Fundgrube zur Geschichte der US-Linken

Raritäten finden sich in mehreren Bänden zur Geschichte eines anderen Amerika. Im zweiten Band wird ein Film über die Verhaftung von Angela Davis und den Kampf um ihr Leben und ihre Freilassung vorgestellt, im fünften die Geschichte des SDS (Students for a Democratic Society) in den USA nachgezeichnet. Kombiniert mit den informativen Hintergrundtexten sind diese Bände eine wahre Fundgrube zur Geschichte der linken Bewegung in den USA.

In Band 6 geht es um den Weather-Underground, eine Guerillagruppe, die in Solidarität mit den Black Panthers und dem Vietcong den Krieg in die USA bringen wollte. In dem Film „Underground“ werden die Kämpfer 1976 von befreundeten Filmemachern porträtiert. Damals hatte die Organisation eine Zäsur hinter sich: Ein Unfall beim Hantieren mit Sprengstoff, der drei GenossInnen das Leben kostete, führte zu einer intensiven Selbstkritik. Der zweite Film, ein kritisches Resümee der Gruppe, stammt aus dem Jahr 2002. Dort kommen ehemalige AktivistInnen ebenso zu Wort wie strikte GegnerInnen.

Zwei Filmbücher widmen sich der jüngeren argentinischen Geschichte. Eine ganze Generation von politischen AktivistInnen, GewerkschafterInnen, StudentenvertreterInnen, Bauernoppositionellen wurde umgebracht, darunter auch zwei westdeutsche Linke: die Tübinger Soziologin Elisabeth Käsemann und der Münchner Maschinenbaustudent Klaus Zischank. Käsemann wurde 1977, Zischank ein Jahr zuvor ermordet. Zwei Filme zeigen die Hintergründe und die Reaktion auf ihre Ermordung. Zischanks in Argentinien lebende Mutter wurde auf einer Rundreise durch die BRD von Solidaritätsgruppen unterstützt. Staatliche Stellen verbreiteten dagegen die Version des argentinischen Regimes, Zischank sei nicht entführt worden, sondern habe sich einer Guerillagruppe angeschlossen. Dabei war zu diesem Zeitpunkt schon bekannt, dass sich der Student in einem Geheimgefängnis des argentinischen Militärs in Lebensgefahr befand.

Widerstand gegen die argentinische Diktatur

In dem 190 Seiten umfassenden Buch werden weitere Hintergründe vermittelt. So gab es in der kritischen Öffentlichkeit eine lebhafte Debatte über das Verhalten des BRD-Fußballteams während der WM 1978 in Argentinien. Als amnesty international alle Spieler in einem Offenen Brief bat, eine Petition für die Einhaltung der Menschenrechte zu unterzeichnen, antwortete der Kicker Manfred Kaltz vom Hamburger SV, er habe andere Probleme und es belaste ihn keineswegs, wenn in Argentinien gefoltert werde. Ihn und die anderen Spieler belastete es auch nicht, dass der Altnazi Hans-Ulrich Rudel als Gast im Trainingslager auftauchte. Kritik wies DFB-Präsident Neuberger zurück: „Herr Rudel ist meines Wissens Bundesbürger mit vollen Rechten wie die Protestierenden. Ich hoffe doch nicht, dass man ihm seine Kampffliegertätigkeit aus dem Zweiten Weltkrieg vorwerfen will.“

Neuberger, Kaltz und Co. hatten mit dem Nazi keine Probleme und nahmen es dem Gastgeberregime auch nicht übel, dass es die deutsche Tradition bei der Verfolgung von linken Oppositionellen fortsetzte. Mit diesem Thema beschäftigt sich auch Band 9 mit dem Filmbuch „Panteón Militar“. Dort wird den preußischen Traditionen im argentinischen Militär nachgegangen. Ein junger Offizier bekennt offen, die Junta hätte nur die Subversion bekämpft und für Ruhe und Ordnung gesorgt.

Den Bänden der Bibliothek ist eine hohe Verbreitung zu wünschen – auch damit Karl-Heinz Dellwo und Willi Baer ihre wichtige Arbeit fortsetzen können.

Peter Nowak

Die Filmbücher haben 100 bis 200 Seiten und enthalten je eine CD. Sie kosten zwischen 19,90 und 29,90 Euro. Über die Homepage des Laika-Verlages können sie bestellt oder zum Vorzugspreis abonniert werden. Dort gibt es auch Informationen über das gesamte Programm:

www.laika-verlag.de

Peter Nowak

ak – zeitung für linke debatte und praxis / Nr. 556 / 17.12.2010


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