Jetzt gegen Hartz IV klagen?

Unterschiedliche Auffassungen unter Erwerbsloseninitiativen
Sind die bisherigen Hartz-IV-Sätze seit Jahresbeginn verfassungswidrig? Über diese Frage gibt es auch unter aktiven Erwerbslosen kontroverse Diskussionen.
Martin Behrsing vom Erwerbslosenforum Deutschland bejaht die Frage, ob die aktuellen Hartz-IV-Sätze verfassungswidrig sind. Zusammen mit anderen Erwerbslosengruppen ruft er dazu auf, Widerspruch gegen alle nach dem 1. Januar 2011 bewilligten Bescheide einzulegen.

 
 Die Verfassungsrichter hatten dem Gesetzgeber die Aufgabe gestellt, bis Anfang dieses Jahres das Karlsruher Urteil vom Februar 2010 zu den Hartz-IV-Sätzen umzusetzen. Der Bundesrat lehnte am 17. Dezember die von der Bundesregierung auf den Weg gebrachten neuen Sätze ab. Deshalb fehle seit Jahresbeginn eine verfassungsgemäße Rechtsgrundlage für die Hartz-IV-Sätze, argumentiert Aktivist Martin Behrsing. »Fakt ist, dass insbesondere die Regelleistungen für alle Altersgruppen ab 1. Januar verfassungswidrig sind und durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar auch keine Rechtsgrundlage mehr besteht«, so Behrsing. »Außerdem wurde der Auftrag nicht erfüllt, wonach Kindern und Jugendlichen aus Hartz-IV-Haushalten Bildung und kulturelle Teilhabe ermöglicht werden muss.« Mit den Widersprüchen solle erreicht werden, dass die Jobcenter nur noch vorläufige Bewilligungsbescheide herausgeben und weitere juristische Klärungen abwarten.

Das Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit (BA), Heinrich Alt, reagierte noch vor Jahresende auf den Aufruf mit der Mitteilung, dass die neuen Sätze ab Jahresbeginn gelten, wegen der Verzögerungen in der Politik aber frühestens im April ausgezahlt werden können. Diese Klarstellung war mit der Warnung vor einer Welle von haltlosen Widersprüchen gekoppelt, die laut Alt die Arbeit der Jobcenter beeinträchtigen könnten. Diese würden diese Widersprüche sofort ablehnen, kündigte Alt an.

Nach dieser Intervention aus Nürnberg haben die Initiatoren der Widerspruchskampagne aus dem Erwerbslosenspektrum ihre Position jetzt noch einmal bekräftigt: »Leistungsbezieher muss es nicht interessieren, welche organisatorischen Aufgaben Behörden übernehmen müssen, wenn der Gesetzgeber seinen Aufgaben nicht nachgekommen ist. Zeit dazu hatte er genügend gehabt«, kontert Behrsing gegenüber dem BA-Vorstandsmitglied.

Doch über die Widerspruchskampagne gibt es auch unter aktiven Erwerbslosen unterschiedliche Auffassungen. So kritisiert Brigitte Vallenthin, die das Onlineportal www.hartz4-plattform.de betreut, den Aufruf: »Die Hartz4-Plattform unterstützt nicht, jetzt den Gesetzes-Müll der Politik vor die Sozialgerichte zu kippen«, betont Vallenthin. Sie bereitet stattdessen für die Zeit nach der Gesetzesverabschiedung eine neue Musterklage beim Sozialgericht vor und prüft eine unmittelbare Verfassungsbeschwerde für Karlsruhe. »Dafür brauchen wir alle und jede nur mögliche Unterstützung«, so Brigitte Vallenthin.

Neben dem juristischen Geplänkel wollen Erwerbslose aus dem ganzen Bundesgebiet am 22. Januar auf einer Demonstration anlässlich der Grünen Woche in Berlin noch einmal die Forderung nach einem Hartz-IV-Satz bekräftigen, der gesunde Ernährung gewährleistet. Dazu ruft das bundesweite Erwerbslosenbündnis »Krach schlagen statt Kohldampf schieben« auf.

 http://www.neues-deutschland.de/artikel/187684.jetzt-gegen-hartz-iv-klagen.html

Peter Nowak


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