„Räuber der Globalisierung“

Keine Verschwörung, aber viele Klischees: die China-Berichterstattung in deutschen Medien
2008 war China besonders oft im Fokus der deutschen Medien. Es war das Jahr der Unruhen in Tibet und der Olympischen Spiele. In China war man über diese Art von Aufmerksamkeit gar nicht erfreut und fühlte sich an den Pranger gestellt. Man verwies darauf, dass Journalisten wegen zu pekingfreundlicher Berichterstattung ausgewechselt wurden oder wie Zhang Danhong (siehe Wie frei darf die freie Meinung sein? als „politisch verwirrt“ bezeichnet. Um bei den Unruhen in Tibet die gewünschten Fotos von einer brutalen Soldateska zeigen zu können, griff man auf Aufnahmen aus Nepal zurück (siehe Edle Wilde gegen eine schießwütige Soldateska). Sogar von einer anti-chinesischen Verschwörung war daraufhin in Peking die Rede.

Diesen Vorwurf wies die Kommunikationswissenschaftlerin Carola Richter zurück, bestätigte aber, dass die deutsche Chinaberichterstattung von Klischees geprägt ist, die sie mit den K-Wörtern „Konflikte, Krisen, Katastrophen, Kriege“ zusammenfasste. Das ist auch das Ergebnis der von Richter erarbeiteten Studie „Die China-Berichterstattung in den deutschen Medien“, welche die Heinrich-Böll-Stiftung zusammen mit den mit den Universitäten Erfurt und Duisburg-Essen herausgegeben hat. Für die Studie wurden 8700 Artikel aus führenden Printmedien, darunter der Spiegel, de Focus, die FAZ und der taz aus dem Jahr 2008 ausgewertet.

„Räuber der Globalisierung“

Der Duisburger Politikwissenschaftler Thomas Heberer, der an der Studie mitgearbeitet hat, verwies auf einige besonders klischeehaften Formulierungen in deutschen Medien. Da wurden während der Olympiade Parallelen zum NS-System 1936 gezogen. Auf ökonomischen Gebiet wurde China als „Räuber der Globalisierung“ tituliert.

Hier müsste sich die Frage stellen, ob in solchen Formulierungen nicht die Aversion gegen die Wirtschafsmacht China mitschwingt, die als Konkurrent auch der EU wahrgenommen wird. Das würde auch erklären, warum ab 2004 in deutschen Medien in der Regel eine negative China-Berichterstattung vorherrschte. Der Erfurter Kommunikationswissenschaftler Kai Hafez problematisierte in seinen Beitrag zur Studie die mangelnde Einordnung der chinesischen Politik in die weltpolitische Situation durch deutschen Berichterstatter.

Wie die China-Berichterstattung auch mit innenpolitischen Diskursen korreliert, kann an der Tibet-Berichterstattung gezeigt werden. In den meisten deutschen Medien überwiegt eine völlig distanzlose Berichterstattung zum Dalai-Lama, der als der Mann des Friedens oft fast mystifiziert wird. Leider wurden in der Studie meist kleinere Zeitungen, die diese von Romantik und Mystik gespeiste Dalai-Lama-Begeisterung kritisieren (siehe „Die hiesige Tibet-Schwärmerei ist reine Projektion“) nicht berücksichtigt. Bei der Vorstellung der Studie wurde zudem moniert, dass die Internetmedien aus der Untersuchung ausgeblendet wurden.

http://www.heise.de/tp/blogs/6/147829

Peter Nowak